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Langen, Eugen, Transnationales Recht, Heidelberg 1981.

Title
Langen, Eugen, Transnationales Recht, Heidelberg 1981.
Table of Contents
Content

I. Teil: Einführung in das Transnationale Recht

[...]

B. Transnationales Recht in der Praxis

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35

[...]

2. Rechtsquellen Transnationalen Rechts

Dabei soll nur eine einzige gewiß noch sehr grobe Einteilung vorgenommen werden. Sie soll den Wunsch berücksichtigen, schon bei der Zusammenstellung der Materialien etwas über die Rechtsquellen transnationalen Rechts zu erfahren. Diese Rechtsquellen sind dreierlei Art. Wir sprechen, obgleich das noch gar nicht feststeht, zunächst einmal den ersten Rang den nachweisbaren Übereinstimmungen in rechtlichen Überzeugungen und Grundsätzen zu. An zweiter Stelle sollen dann die Fälle wörtlich oder inhaltlich gleicher oder hinreichend ähnlicher nationaler Rechte folgen. In der letzten Gruppe sind dann diejenigen Rechtsfälle einzuordnen, in denen nur durch richterliche Vermittlung ein Ausgleich zwischen ungleichen aber der Vermittlung zugänglichen nationalen Rechtssätzen erfolgen kann.

a) Nachweisbare Übereinstimmung in Überzeugungen und Grundsätzen

19" Besonders häufige und besonders wichtige Ansätze transnationalen Rechts sind alsdann beispielsweise die folgenden:

(1) Vollmacht: Die Entscheidung BGH 9.12.1964 betreffend die Bulgarische Handelsvertretung in Deutschland soll weiter unten zum Stichwort "Vertrauensschutz" behandelt werden.

(2) Auslegung: Die Geschichte des wissenschaftlichen Streites um die Auslegung internationaler Verträge oder Sachverhalte liefert ein gutes Beispiel für den Fortschritt zum transnationalen Recht47.

Zieht man eine Linie von der Leningrad-Ice-Clause-Entscheidung des Reichsgerichts vom 4.11.1933 zu einer Äußerung von Dölle von 1961 (Hans Dölle, Zur Problematik mehrsprachlicher Gesetze und Vertragstexte, RabelsZ 26 (1961) S. 24 Fn. 73), wo es heißt: "Wobei allerdings nicht übersehen werden darf, daß die Interpretationsregeln der mannigfachen Rechtsanwendungsbereiche keineswegs miteinander übereinstimmen. Welche Regeln im einzelnen Fall anzuwenden sind, bestimmt sich nach dem Recht, daß die. Kollisionsnormen für maßgebend erklären. Denkbar ist aber auch, daß es keiner Kollisionsnormen bedarf, weil sich für den betreffenden Bereich einheitliche: Vorschriften herausgebildet haben", bis zu Art. 215 des Vertrages der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Art. 17 der Kaufrechtskonvention von 1964 sowie der darauf aufbauenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, so wird das ganz 36deutlich. Mit dem Art. 17 ist für einen der wichtigsten Bereiche internationaler Sachverhalte der Bann gebrochen. Der Art. 17 lautet:

"Fragen, die ein mit diesem Gesetz geregeltes Rechtsgebiet betreffen, aber durch dieses Gesetz nicht ausdrücklich entschieden werden, sind nach den Allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden, die diesem Gesetz zugrundeliegen."

Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind vor allem die Entscheidungen vom 14.12.1976 in den Sachen Re 24/76 und 25/76 zu erwähnen, dazu Näheres weiter unten zum Stichwort "Schweigen".

Das hat schwere Kämpfe gekostet, die sich über ein volles Jahrzehnt nach Datum der Kaufrechtskonvention erstreckt haben. Der vernünftigen Meinung des Amerikaners Kearny, daß im Zweifel diejenige Auslegung Vorzug verdiene, die am besten zur Vereinheitlichung des Rechts diene48, hat F. A. Mann (JZ 1975 S. 14) zugunsten der klassischen Auffassung vom Vorrang der einzelnen nationalen Kollisionsrechte widersprochen. Er hat sich schon damals mit der zeitgemäßeren Meinung von Caemmerers (Festschrift für Hallstein, 1966 S. 77) auseinandersetzen müssen und erst recht mit der von Zweigert/Drobnig. Ernst Cohn, JZ 1975 S. 246, hat ihm ebenso energisch widersprochen und das neue Recht als "eine neue transnationale Regelung" begrüßt. Ihm haben Dölle (Wahl), Kommentar zum einheitlichen Kaufrecht, München 1976, S. 123, zugestimmt; vorher schon Kropholler, RabelsZ 1974 S. 381. Das ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit für die Parteien internationaler Sachverhalte erfreulich; man kann es auch unter dem Gesichtspunkt pacta sunt servanda bringen und damit unter einen Satz aus dem ARAMCO-Schiedsspruch (S. 318) vom 23.8.1958:

"Les problèmes de l'interpretation sont principalement résolus selon des méthodes dégagées par la doctrine et qui sont les mêmes dans tous les systèmes juridiques du monde."

Diese Einheitlichkeit der Auslegungsgrundsätze wird sich freilich nicht immer auf den ersten Blick ergeben. Gelegentlich scheinen auf den ersten Blick sogar unüberwindliche Gegensätze zu bestehen, so beispielsweise zwischen der englischen und der kontinentalen Auffassung hinsichtlich des Rechtes und der Pflicht des Richters, Materialien aus der Vorgeschichte eines Vertrages zu berücksichtigen. Bei näherem Zusehen aber wird sich wohl in allen Fällen die allgemeine Erfahrung bestätigen, daß die grundsätzliche Betrachtungsweise auch zu grundsätzlichen Schwierigkeiten führt, während die kasuistische Arbeitsmethode immer noch brauchbarer, d. h. billige und überzeugungskräftige Entscheidungen liefern kann.

20" Die größere Schwierigkeit dürfte wohl bei der Mehrsprachigkeit liegen. Hierauf ist schon mit viel Material im "Transnational Commercial Law", S. 203 - 206, hingewiesen worden. In der Regel sind Juristen geneigt, diese Schwierigkeit zu 37unterschätzen. Deswegen seien die vorerwähnten Hinweise jetzt noch ergänzt um drei weitere. Erstens um den Fall eines nahezu unlösbaren Übersetzungsproblems vom Japanischen ins Deutsche, wie er von Manfred Hausmann "Liebe, Tod und Vollmondnächte", Frankfurt a. M. 1963, am Beispiel eines japanischen Gedichtes geschildert wird, das in der Ursprache aus nur 6 Worten besteht, in einer verständlichen Übersetzung aber nicht weniger als 40 (vierzig) Worte notwendig hat.

Das zweite Beispiel entnehmen wir aus Bruno Snell "Die Entdeckung des Geistes", 4. Aufl., Göttingen 1975, S. 13 ff., wo es sich um die Auffassung des Menschen bei Homer handelt und gesagt wird:

"Längst ist beobachtet, daß in einer verhältnismäßig primitiven Sprache die Abstraktion unentwickelt ist, daß dafür aber im Konkret-Sinnlichen eine Fülle der Bezeichnungen vorhanden ist, die eine entwickelte Sprache fremdartig anmutet". Zu welchen unglaublichen Schwierigkeiten allein dieser Umstand führt, wird von Snell im folgenden veranschaulicht.

Unser drittes Beispiel liefert die Geschichte der Wertzoll-Ordnung, in der es eine zunächst unerwartete Schwierigkeit bei der Herstellung eines verbindlichen deutschen Textes gab, weil trotz der weitgehenden Sprachgleichheit doch offenbar in den vier Mitgliedsstaaten mit deutscher Amtssprache, Schweiz, Österreich und den beiden Deutschlands, nicht immer hinreichend gleiche Bedeutungen für das gleiche Wort sich herausstellten. Auf dieses Problem werden wir weiter unten bei der Frage stoßen, wie sprachlich gleichlautende Texte aus verschiedenen nationalen Rechtsordnungen behandelt werden sollen.

21" (3) Hinsichtlich der Behandlung von Betrug gibt es eine derart überzeugende deutsche Entscheidung, daß zunächst einmal auf weitere Nachweise wohl verzichtet werden darf. Es ist der Fall Reichsgericht, 28.4.1900 ("Eichenklötze"). Der deutsche Verkäufer hatte seinem englischen Käufer betrügerischerweise minderwertiges slavonisches Eichenholz statt des verkauften bosnischen Eichenholzes geliefert und sich dann gegen die Ansprüche des betrogenen Käufers damit zu wehren versucht, daß dieser die englische Mängelrügefrist versäumt habe. Dazu das Gericht (S. 196):

"Daß sich der Verkäufer im Falle eines Betruges mit der Versäumung einer rechtzeitigen Mängelanzeige nicht verteidigen kann, ist ein absolut gebietender, mit den bei uns herrschenden sittlichen Grundsätzen in engem Zusammenhange stehender Rechtssatz, der von dem deutschen Prozeßrichter immer anzuwenden ist, also auch dann, wenn das ausländische Recht, das sonst für den Kontrakt maßgebend ist, den gleichen Rechtssatz etwa nicht enthalten sollte". Auch die Entscheidung BGH, 25. 1. 1973 ("Konossementsbetrug") ist hier zu erwähnen.

22" (4) Die Frage, ob und inwieweit "Freiheit" als transnationaler Rechtsgrundsatz gewertet werden kann, ist nur beantwortbar, wenn man zuvor sich darüber klar geworden ist, daß man die Gesamtheit der sogenannten allgemeinen Grundsätze 38aufteilen muß in die drei Gruppen der allseitig bindenden, der mehrseitig bindenden und der nur zweiseitig bindenden Grundsätzen. Alsdann läßt sich die Frage bejahen für die Fälle zweiseitig bindender Grundsätze, die beispielsweise sich aus Handelsverträgen oder Freundschaftsverträgen ergeben. Das muß von Fall zu Fall also nachgewiesen werden. Auf der Grundlage eines mehrseitig bindenden Freiheitsgrundsatzes ist der Fall "Borax" vom Bundesgerichtshof am 21. 12. 1960 entschieden worden, dazu weiter unten zum Stichwort "Rücksicht". Einen allseitig anerkannten Freiheitssatz wird man gegenwärtig noch als im Entstehen begriffen behandeln müssen, und zwar im Bereich der General Principles of Civilized Nations.

Im übrigen muß auf die besonderen Überlegungen zum Freiheitsbegriff unter III B dieser Arbeit verwiesen werden.

23" (5) Was insbesondere die "General Principles of Civilized Nations" in Art. 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs betrifft, so wird man leider Neuhaus zustimmen müssen, daß diese, in ihrer völkerrechtlichen Wertung zweifelsfreie Vorschrift "Wort für Wort überholt ist"49.

Trotzdem ist sie sicherlich nicht unwirksam, sondern im Gegenteil von einer wenn auch nur mittelbaren hohen Wirksamkeit. Besonders anschaulich wird das von dem holländischen Historiker Huizinga gesagt50:

Es empfiehlt sich daher heute nicht mehr, in einem internationalen Vertrag auf diese Grundsätze des Art. 38 Bezug zu nehmen, sondern besser wählt man einen Hinweis auf nur zweiseitig oder allenfalls mehrseitig bindende Grundsätze oder aber eine so allgemeine Formulierung, wie in dem englisch-russischen Vertrag, die sich unter Vl. 6. Lena Goldfilds-Schiedsspruch vom 3.9.1930 findet:

"The parties base their relations with regard to this agreement on the principle of good will and good faith, as well as an reasonable interpretation of the terms of the agreement."

Die "Rechtsüberzeugung aller Kulturnationen" findet sich als tragende Grundlage in der Entscheidung BGH, 11. 2.1953 ("Rassendiskriminierung"). Auf das "Weltrechtsprinzip", das den Rauschgifthandel beherrschen sollte, ist in BGH, 20.10.1976, hingewiesen. In ähnlicher Weise ist in BGH, 22.6.1972 ("Nigeria-Kunstschätze"), mit Bezug auf ein nigerianisches Ausfuhrverbot gesagt: "Die Umgehung eines solchen Schutzgesetzes muß, da sie dem nach heutiger Auffassung allgemein zu achtenden Interesse aller Völker an der Erhaltung von Kulturwerten an Ort und Stelle zuwiderhandelt, als verwerflich betrachtet wer- 39den." Hier wird noch der Umweg über einen Verstoß gegen die guten Sitten benutzt; in der Anmerkung zu diesem Urteil, NJW 1972 S. 2179, setzt sich Mann dafür ein, daß die Staaten überhaupt ihre Verbotsgesetze gegenseitig beachten sollten, dazu weiter unten zum Stichwort "Rücksicht".

24" (6) Kaum ein Zweifel ist bisher daran geäußert worden, daß durch Handelsbräuche transnationales Recht geschaffen wird. Überflüssig zu erwähnen, daß auch dieses Recht der Handelsbräuche als sogenannte lex mercatoria nicht freischwebend über den nationalen Rechtsordnungen zu denken ist, sondern in allen beteiligten nationalen Rechtsordnungen gleichermaßen nachweisbar und erlaubt. Anstelle zahllosen im Schrifttum leicht aufzufindenden Beispielen soll hier auf die oben schon wörtlich angeführte Stelle aus dem Aramco-Schiedsspruch vom 23.8.1958 hingewiesen werden; ferner sei hier aus der englischen Entscheidung Hamzeh Malass vom 10.12.1957 Lord Justice Jenkins angeführt: "An elaborate commercial system has been built up on the footing that bankers' confirmed credits are of that character, and, in my judgment, it would be wrong for this court in the present case to interfere with that established practice."

25" (7) Argumente aus der Natur der Sache müssen insofern stets als transnationales Recht berücksichtigt werden, weil Rechtssprüche gegen Naturtatsachen unsinnig sein würden. Nicht selten handelt es sich aber, wo solche Argumente vorgebracht werden, in Wahrheit gar nicht um den Hinweis auf Naturtatsachen; oder aber ein solcher Hinweis ist zwar am Platze, in Wahrheit handelt es sich aber darum, in welcher Weise und in welchem Umfang eine solche Naturtatsache vom Rechte zu berücksichtigen ist; dazu ist auf die Ausführungen im II. Teil Rdnrn. 24 ff. und 32 ff. zu verweisen. Die Schwierigkeit kann allein schon aus der Tatsache anschaulich gemacht werden, daß der Bundesgerichtshof innerhalb von nur 16 Jahren seine Meinung änderte. Seine Entscheidungen vom 21.11.1958 und 24.4.1974 betreffen gleichermaßen die Entschädigungsansprüche der verlassenen Braut bei einem internationalen Sachverhalt. Beide Entscheidungen gehen von der "gebotenen Berücksichtigung der besonderen biologischen und seelischen Eigenart der Frau" aus (BGHZ 62 S. 283). Beide halten trotz dieser Verschiedenheit der Geschlechter das sogenannte Kranzgeld für nicht mehr zeitgemäß. Die ältere Entscheidung von 1958 behandelt daher den § 1300 BGB als nicht mehr geltend (ebenso OLG Hamburg, 5.7.1972), wogegen die jüngere es für notwendig hält, eine Entscheidung des Gesetzgebers herbeizuführen. Bei dieser Gelegenheit enthält die jüngere Entscheidung Ausführungen, die für die Behandlung internationaler Sachverhalte als transnationales Recht eine wertvolle Richtlinie sein können. Es wird gesagt (S. 285):

"Unter rechtspolitischer Sicht ist es im übrigen eine offene Frage, ob die Vorschrift ersatzlos zu streichen wäre oder ob sie durch eine Regelung ersetzt werden soll, die etwa jedem Verlobten ohne Beschränkung auf den Fall der Beiwohnung bei grob rücksichtslosem Verlöbnisbruch des Partners einen Anspruch auf eine billige Entschädigung auch für den Nicht-Vermögensschaden zugesteht". Dieserhalb wird auf Art. 93 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs und auf Beratungen des 45. Deutschen Juristentages hingewiesen. 

40

26" (8) Die Rücksicht auf ausländisches Recht erhält notwendigerweise einen größeren Wert dadurch, daß der Richter die Lösung internationaler Rechtsprobleme nicht mehr darin findet, nur eine Rechtsordnung anzuwenden, die andere aber abzulehnen, sondern nun verpflichtet wird, beide Rechtsordnungen zu vergleichen und aufeinander abzustimmen. Aus der Rechtsprechung haben wir in anderem Zusammenhange schon die Borax-Entscheidung BGH, 21.12.1960, und die Nigeria-Kunstschutz-Entscheidung BGH, 22.6.1972, erwähnt, ebenso die englische Entscheidung vom 5.3.1975 ("Black Clawson") und die Bierexport-Entscheidung BGH, 27.3.1968. An die Stelle eines renvoi, der mit den rechtssuchenden Parteien sein brutales Spiel treibt, tritt dann wieder der ältere und tolerantere Begriff der comitas gentium (comity), der bei Joseph Story noch eine Rolle gespielt hat51.

Die Comity spielt heute noch eine besondere Rolle im Verhältnis zwischen England und den USA sowie innerhalb der USA zwischen den einzelnen Staaten52.

Gewiß kann gefragt werden, ob durch solche Entscheidungen die Rechtssicherheit nicht leiden würde und das Risiko für die Parteien vergrößert. Darauf läßt sich aber ein Zweifaches erwidern: Einmal nämlich, daß das Comity-Risiko ein geringeres, weil immerhin nicht ganz so schwierig feststellbares ist als das renvoi-Risiko; und zweitens, daß solche Risiken von den Parteien internationaler Sachverhalte als typisches Auslandsrisiko in ihre geschäftlichen Planungen notwendigerweise einbezogen wird (vgl. hierzu weiter unten zum Stichwort "Risikoteilung").

27" (9) Schadenersatz: "Es scheint, daß das Prinzip, wonach jeder Fehler ein Recht auf Schadensersatz gibt, sofern ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem Fehler und dem Schaden besteht, einen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstellt, der nicht nur für den Bereich der Amtshaftung gilt. Insbesondere ist diese Regel im Art. 1382 des Code zivil niedergelegt."

Zu diesem Ergebnis kommt der Generalanwalt Lagrange in seinen Schlußanträgen (S. 381), nachdem er zuvor die einschlägigen Rechtsordnungen miteinander verglichen hat. Der Europäische Gerichtshof (S. 368) hat in der Entscheidung vom 13.7.1961, Entscheidungssammlung VII, S. 349, diese Frage aber ausdrücklich nicht entschieden.

Mit der Frage des unmittelbaren Zusammenhangs ("remoteness") befaßt sich die englische Entscheidung d'Almeida vom 12.5.1953 und kommt zum Ergebnis, daß englisches und portugiesisches Recht darin übereinstimmten, daß jede Partei eines Kaufvertrages verpflichtet sei, dafür zu sorgen, daß ein Schaden möglichst gering gehalten wird. 

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28" (10) Zu der Frage, wann Schweigen einer Partei als Zustimmung behandelt werden darf, dürfte die Annahme heute schon berechtigt sein, daß eine transnationale Regel in Bildung begriffen ist. Rechtsgeschichtlich dürfte dieses Thema in Zusammenhang mit dem Stichwort "Vertrauensschutz" (s. weiter unten) zu sehen sein, weil Schweigen nur dann erheblich sein kann, wenn der Schweigende wenigstens wußte, oder wissen mußte, daß sein Schweigen eine Bedeutung haben könnte. Dieserhalb ist in "Transnational Commercial Law" S. 235, der Wortlaut des § 64 Abs. 3 des Deutschen Devisengesetzes vom 12.12.1938 abgedruckt. Die Formulierungen von damals finden sich, nur wenig verändert, wieder in BGH, 7.7.1976, und in den beiden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 14.2.1976, wo es um die allgemeinen Spediteurbedingungen geht. Daß jemand auf irgendein Recht verzichtet, kann in aller Regel nicht vermutet, sondern muß bewiesen werden, und zwar von dem, welchem der Verzicht zugute kommen würde (RG, 19.10.1911).

29" (11) Warum eigentlich gehören Ansprüche aus der Sozialversicherung nicht wenigstens im Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder mit Ländern noch ausgeprägterer Sozialverfassung zum transnationalen Rechtsbereich?

In der Entscheidung BGH, 6.7.1961, wäre diese Frage sicherlich erörtert worden, wenn sie schon jemals gestellt worden wäre. So aber hat sich der Bundesgerichtshof mit der Feststellung begnügt:

"Es mag sein, daß in der schwedischen Zwangsversteigerung der nach deutschem Recht bestehende Vorrang des Schiffsgläubigerrechts aufgrund einer Forderung aus der gesetzlichen Sozialversicherung... anerkannt worden wäre."

Hier wäre eine Gelegenheit gewesen, zu einer zeitgemäßeren Begründung zu kommen, als die dann in der Entscheidung gelieferte Begründung formaler Art.

30" (12) Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört sicherlich zu den bekanntesten und weitreichendsten transnationalen Grundsätzen. Zugleich aber läßt sich gerade bei diesem Grundsatz besonders gut darstellen, welche Gefahren für die transnationale Rechtsanwendung aus der voreiligen Anwendung solcher Grundsätze entstehen. So hat das Reichsgericht in der mehrfach erwähnten Entscheidung vom 29.6.1915 gesagt:

"Die Revision meint, die §§ 133, 157 BGB seien durch ihre Anwendung verletzt, da vertragsgemäß nicht deutsches, sondern englisches Recht maßgebend sei. Dieser Angriff muß schon daran scheitern, daß weder behauptet noch anzunehmen ist, daß dem englischen Privatrecht die Grundsätze, die das deutsche Recht in den §§ 133, 157 ausgesprochen hat, fremd seien. Ist aber von der Übereinstimmung beider Rechte in diesen Grundsätzen auszugehen, so ergibt sich von selbst, daß auch bei Anwendung des englischen Rechts das Berufungsgericht zu einer anderen Vertragsauslegung nicht gelangt sein würde."

Im Ergebnis ist das richtig. In der Begründung aber allzu dürftig. Darauf habe ich schon an früherer Stelle hingewiesen ("Transnational Commercial Law", S. 42229). Der Hinweis auf das englische Recht wäre mindestens durch Angabe einer Belegstelle zu rechtfertigen gewesen. Dem Richter kann nicht erlaubt sein, ohne nähere Ausführungen von der Gleichheit von Grundsätzen verschiedener nationaler Rechte auszugehen. Derartiges ist in der Tat mit der Rechtssicherheit nicht mehr vereinbar. Das Reichsgericht hat einem solchen Vorwurf allerdings dadurch vorbeugen können, daß es feststellt, eine Ungleichheit in den Auffassungen sei nicht einmal behauptet worden; wobei dann noch immer offengelassen ist, welcher Partei in einem solchen Falle die Nachweispflicht obliegen soll53. Wegen weiterer Entscheidungen darf auf mein oben angeführtes Buch verwiesen werden. Zusätzlich hinzuweisen ist noch auf die - nur innerdeutsches Recht betreffende - Entscheidung BGH, 29.5.1954, bei der es sich um die Herabsetzung von Versorgungsansprüchen handelte, die unter den besonderen Verhältnissen der nationalsozialistischen Zeit zugestanden worden waren. Es war vorgetragen worden, die Beklagte handele gegen Treu und Glauben, wenn sie sich jetzt auf Umstände berufe, die ihr seinerzeit selbst sehr angenehm gewesen wären. Das Gericht dazu:

"Im Gegenteil kann nicht das nach Treu und Glauben geachtet werden, was nur unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus möglich war" und

"Dabei ist nicht von Maßstäben auszugehen, die während der Herrschaft des Nationalsozialismus angelegt wurden, sondern es kommt darauf an, was heute unter Abwägung der Interessen beider Parteien als billig und gerecht zu gelten hat."

Das Beispiel soll erneut zeigen, daß beim Umgang mit dem Begriff von Treu und Glauben besondere Sorgfalt am Platze ist, weil dieser Begriff u. a. auch von einem weiteren Grundsatz des transnationalen Rechts beeinflußt wird, nämlich von dem der Zeitgemäßheit der Entscheidung (s. weiter unten).

Der Europäische Gerichtshof hat in den beiden Entscheidungen vom 15.7.1960 und 17.12.1961 Gelegenheit gehabt, den Grundsatz von Treu und Glauben zu erwähnen. In der älteren Entscheidung, in der es sich um die Entlassung eines Beamten handelt, wird gesagt (S. 989): "Alle Maßnahmen öffentlicher Behörden, ob sie sich auf rein administrativem Gebiet bewegen oder im Rahmen der Ausführungen eines Vertrages getroffen werden, stehen unter dem Grundsatz von Treu und Glauben."

Das wird anschließend dahin erläutert, "daß die in den angefochtenen Entlassungsverfügungen bestimmte Auflösung jener Verträge durch Gründe gerechtfertigt sein muß, die in Zusammenhang mit den dienstlichen Interessen stehen und jede Willkür ausschließen, so z. B. durch die Notwendigkeit, auf die Leistungen eines Bediensteten zu verzichten, der nicht die erforderliche Befähigung besitzt oder dessen Stelle im Interesse des Dienstes aufgehoben wurde".

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In der jüngeren Entscheidung, in der es gleichfalls um eine Anstellung geht, heißt es (S. 603):

"Der Generalsekretär der Räte hat daher im Einklang sowohl mit den geltenden Bestimmungen als auch mit dem Grundsatz von Treu und Glauben gehandelt."

31" (13) Zu der transnationalen Bedeutung des alten Grundsatzes vom venire contra factum proprium ist an späterer Stelle (IV Rdnr. 14) (Verjährung) noch Besonderes zu sagen. Der Grundsatz ist ein Unterfall des umfassenderen Grundsatzes vom Vertrauensschutz (s. weiter unten). Der Europäische Gerichtshof hat sich in der Entscheidung vom 8.2.1968 (Sammlung XIV S. 47) nicht mit dem Thema befaßt, ein Hinweis im Kaufrechtskommentar von Dölle (Art. 17 Rdnr. 46) ist irrtümlich.

Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 7.7.1976 eine bedeutsame Einschränkung des Grundsatzes für den transnationalen Rechtsbereich gegeben, indem er gesagt hat:

"Es braucht jemand nicht ohne weiteres sein Verhalten gegen sich gelten zu lassen, wenn er nach seinem Heimatrecht mit Rechtsfolgen dieses Verhaltens nicht zu rechnen brauchte; dieser Grundsatz findet dann keine Anwendung, wenn der Ausländer nach den Umständen des Einzelfalles nicht darauf vertrauen kann, daß sein Verhalten nach den Regeln seines Heimatrechts beurteilt wird."

Die Entscheidung betrat die Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen im Verkehr mit Auslandsberührung, dazu besonders Kronke, JW 1977 S. 992 m. w. Nachw.; weiteres s. auch zum Stichwort "Schweigen" weiter oben.

32" (14) Über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann man sich jetzt in dem ausgezeichneten rechtsvergleichenden Bericht von Torsten Stein unterrichten (Deutsche öffentlich-rechtliche Landesberichte zum Kongreß für Rechtsvergleichung. Herausgeber Madlener, Tübingen 1978, S. 273-288)54. Der Europäische Gerichtshof hat sich in drei Entscheidungen mit der Verhältnismäßigkeit befaßt. Das sind die Entscheidungen vom 7.7.1976 (Watson), 5.7.1977 (Bela-Mühle) und 14.7.1977 (Sagulo). In der ersten Entscheidung ging es um die Preise, die bei der Marktordnung für Magermilch von der Kommission vorgeschrieben worden waren. Im Urteil heißt es dazu:

"Die Regelung war dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht nur den Erzeugern des Milchsektors, sondern vor allem auch den Erzeugern anderer Agrarsektoren eine wirtschaftliche Belastung auferlegte, und zwar einmal in Form einer Verpflichtung zum Ankauf bestimmter Mengen eines Futtermittelerzeugnisses und zum anderen in Form der Festsetzung eines Ankaufspreises für dieses Erzeugnis, der dreimal so hoch war wie der für die Erzeugnisse, an deren Stelle es trat. Die Verpflichtung zum Ankauf zu einem derart disproportionierten Preis stellt 44eine diskriminierende Verteilung der Lasten auf die einzelnen Agrarsektoren dar. Außerdem war diese Verpflichtung nicht erforderlich, um das angestrebte Ziel . . . zu erreichen".

Die Entscheidung vom 7.7.1976 betraf angeblich übertriebene Meldevorschriften entgegen der Freizügigkeit in Art. 7 und 48 des Vertrages. Die Kommission (S. 1194) spricht vom "fundamentalen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu dem den Mitgliedsstaaten gemeinsamen Rechtsbestand gehöre". Der Generalanwalt (S. 1211) von "übermäßigen Eingriffen"; der Gerichtshof (S. 1200) davon, daß Fristen sich "in angemessenen Grenzen" halten müssen und Sanktionen nicht "außer Verhältnis" zur Schwere der Tat stehen dürfen. Ebenso auch die Entscheidung vom 14.7.1977 (S. 1508):

"Die verhängte Sanktion darf nicht außer Verhältnis zu der Art des begangenen Verstoßes stehen"55.

33" (15) In den Verjährungsregeln kommt die Bedeutung aber zugleich auch die Begrenzung transnationalen Rechts besonders deutlich zum Ausdruck. Deswegen sind diese Regeln sowohl in meinem ersten Buch über transnationales Recht wie auch in dem jetzt vorgelegten zweiten Buch in einem besonderen Kapitel behandelt. Soweit diese Regeln auf die Naturtatsache der Vergänglichkeit zurückzuführen sind, gehören sie von vornherein zum transnationalen Bestand; aber auch dann, wenn der Fortbestand eines Rechts von einer gewissen Tätigkeit des Berechtigten abhängig gemacht wird, ergeben sich, nunmehr aus Vernunftgründen, transnationale Regeln. Hervorragende Beispiele für diese beiden Fälle sind mit der Entscheidung des Italienischen Cassationshofes vom 3.11.1931 ("contra non valentem") und mit der Verlustscheinentscheidung des Reichsgerichts vom 19.12. 1922 schon behandelt worden.

34" (16) Zum Stichwort "vernünftig" darf auf "Transnational Commercial Law", S. 240, und auf die ausführlichen Darlegungen unter II/35 ff. und II/48 in diesem Buch verwiesen werden. Ebenso auf das verwandte Stichwort "verhältnismäßig". Mit der Haager Kaufrechtskonvention und den darin enthaltenen mehreren Hinweisen auf das Verhalten einer "vernünftigen Person" wird sich in Zukunft neues und wichtiges Material ergeben56.

35" (17) Über Vertrauensschutz als allgemeinen Grundsatz vergleiche man schon das Material in "Transnational Commercial Law", S. 235, besonders den Hinweis auf die Formulierung über kennen und kennenmüssen im deutschen Devisengesetz von 1938, ferner die oben zum Stichwort "Schweigen" angeführte Rechtsprechung zur Geltung allgemeiner Geschäftsbedingungen im Auslandsverkehr, weiterhin Bundesgerichtshof vom 9.12.1964 (Bulgarische Handelsvertretung) und neuerdings auch den Europäischen Gerichtshof 1.2.1978 be- 45treffend die kurzfristige Einführung einer Ausgleichsabgabe auf Speisekartoffeln. Hier wird festgestellt:

"Die getroffene Übergangsmaßnahme kann auch nicht als stärker einschränkend angesehen werden, als es der Grundsatz, daß das berechtigte Vertrauen zu schützen ist, erfordert".

Mit dieser Entscheidung werden wir uns an späterer Stelle zum Stichwort "Auslandsrisiko" noch einmal zu befassen haben. Mit dem .Anwendungsbereich des Grundsatzes befaßt sich der Gerichtshof in der Entscheidung vom 16.5.1979.

36" (18) Kann es eigentlich einen Zweifel geben, daß Rechtssätze ebenso wie die 36 darauf gegründeten Entscheidungen zeitgemäß sein müssen und daß dies ein transnationaler Rechtsgrundsatz ist? Es gibt ausreichend Entscheidungen zu Gunsten des Zeitgemäßgrundsatzes. Der Richter hat allerdings zu bedenken, daß die Auffassungen über das, was zeitgemäß ist, nach Zeit und Raum veränderlich sind. Das ist besonders wichtig für die räumlichen Verschiedenheiten; wenn die Auffassungen in den beteiligten nationalen Bereichen nicht übereinstimmen, wird der Richter zunächst versuchen, eine vermittelnde Lösung nach den Richtlinien zu finden, die weiter unten gegeben werden; erst wenn das nicht möglich ist, wird der Fall nach den Konfliktsregeln der klassischen Schule zu entscheiden sein. Zu diesem Bereich gehören auch die Fälle, wo die Mitwirkung des Richters bei der Fortbildung des Rechts so verschieden ist, wie beispielsweise zwischen England und Deutschland. Ein englischer Richter würde wahrscheinlich nicht dieselben Schwierigkeiten haben, wie die deutschen Richter bei der internationalen Behandlung des deutschen Kranzgeld-Anspruchs, deren wechselvolles Schicksal aus BGH, 24.4.1974 erkennbar wird. - Einfacher dürften die Dinge liegen bei der Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt. Hier kann ein Zurückgehen auf die Vergangenheit in der Regel nicht zu einem vernünftigen Ergebnis führen. Und sogar der Grundsatz von Treu und Glauben hat hinter dem Grundsatz der Zeitgemäßheit des Urteils zurückzutreten57.

Seitens Oberster Richter ist vielerorts auf die Notwendigkeit zeitgemäßer Entscheidungen hingewiesen worden, wir erinnern an Chief Justice Burger im Chaparral-Fall vom 12.6.1972 und Lord Denning in der Champagner-Entscheidung (Bulmer, 22.5.1974) und fügen dem noch hinzu eine Äußerung von Heusinger:

"Je älter ein Gesetz geworden ist, um so eher tritt, jedenfalls für neue Lebenserscheinungen, die Bedeutung des ursprünglichen Willens und ursprünglichen Zweckes und Zieles hinter dem zurück, was aus dem Gesetz seither im Rechtsleben geworden ist"58.

46

In der Rechtslehre finden wir die gleichen Ansichten, beispielsweise bei Forsthoff (Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, 10. Aufl., München 1973, S. 101: "Die Gesetze sind weder lückenlos noch zweifelsfrei, noch einer vollkommenen Verdeutlichung ihrer Intention fähig. Die ihnen zugrunde gelegten Wertsetzungen verlieren an Überzeugungskraft, neue soziale Verhältnisse gebieten neue Lösungen, neue Ideen bemächtigen sich der ererbten Texte. So wandelt sich auch das Normverständnis, die wissenschaftliche und[ praktische Auslegung der Gesetze ständig".

Und ebenso speziell für das Internationale Privatrecht Kegel (Internationales Privatrecht, 4. Aufl., München 1977, S. 240): "Maßgeblich dafür, ob ein Verstoß gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes vorliegt, ist der Zeitpunkt der Entscheidung. Denn das, was wir als unantastbaren Kern unserer Privatrechtsordnung ansehen, wandelt sich".

37" (19) Die Verpflichtung, Zinsen zu zahlen, könnte man als Musterfall dafür nehmen, daß auch transnationale Regeln, wie alle sonstigen Rechtsregeln überhaupt, nach Raum und Zeit und Umständen verschieden sein können. Es hat in der Geschichte weite Räume und lange Zeiträume gegeben, in denen ein Zinsverbot galt. Die Verzinsungspflicht wird anders anzusehen sein, je nachdem, ob es sich um einen Vorgang unter Kaufleuten oder innerhalb einer Familie handelt. Allseitige Geltung scheint das Verbot von Zinseszinsen zu haben (vgl. T. A. M., 22. 3. 1924).

Die Verzinsungspflicht säumiger Schuldner, die nicht überall vom Gesetze bestimmt ist, wie beispielsweise in Frankreich nicht, hat dennoch die Cour de Cassation in der Entscheidung vom 15.5.1935 anerkannt, wenn auch auf Umwegen, die kritisiert worden sind. Damals hat es sich um die Zahlungsverpflichtung aus einem Warenkauf aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gehandelt. Bei einem Darlehen ist unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens in Verbindung mit der Währungsabwertung eine Zinsverpflichtung ausgesprochen worden in dem Schiedsspruch Ripert/Panchaud vom 2.7.1956.

38" (20) Über das Zugehen einer Willenserklärung dürfte allseitiges transnationales Recht gemäß dem oben schon behandelten Urteil EuGH, 10.12.1957, bestehen.

(21) Transnationales Recht für den Fall von Zwang, höherer Gewalt oder force majeur ist ohne gründliche Studien aus dem Wust national gefärbter Entscheidungen nicht herauszufinden, obschon zweifellos vorhanden, seitdem es den berühmten Satz aus der Gesetzgebung des Kaisers Justinian gibt:

"Ultra posse nemo obligatur" (die ursprüngliche Fassung lautete bekanntlich ein wenig anders). Häufig werden solche Fälle über Treu und Glauben gelöst59.

47

Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 11.2.1953 sich trotz der Bedenken aus der Rassendiskriminierung für die schuldbefreiende Wirkung einer Zahlung auf das inländische Sperrkonto eines Ausländers ausgesprochen, weil der Inländer unter Zwang gestanden hatte.

Einen transnationalen Rechtssatz, daß der Schwächere Schutz verdiene, wird man wohl kaum aufstellen können; insofern ist in meinem Transnational Commercial Law, S. 238, etwas Mißverständliches gesagt. Denn nicht einmal in den nationalen Rechten ist bisher deutlich, was unter dem Begriff des "Schwächeren" zu verstehen ist60.

Die deutsche Einschränkung der Vertragsfreiheit gemäß dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundsatz der Gemeinschaftsverträglichkeit61 kann nur als richtungweisend behandelt werden.

Zusammenfassend:

"Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie auch untereinander gleich", dieser Grundsatz der Mathematik und Logik gilt auch für nationale Rechtssätze, die ihrerseits auf eine gleiche Überzeugung oder gleiche Grundsätze zurückzuführen sind. Solche Überzeugungen und Grundsätze sind daher die wichtigste Rechtsquelle für transnationales Recht.

[...]

47Wegen der älteren Rechtsprechung kann auf "Transnational Commercial Law", S. 203 ff. und 230, verwiesen werden. Zum neuesten Stand vgl. man Schlosser, Der EuGH und das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, NJW 1977 S. 457.
48Vgl. dazu "Transnational Commercial Law", S. 210.
49Neuhaus, Grundbegriffe, 2. Aufl. 1976, S. 17.
50"Die Staaten werden fortfahren, sich zuallererst und vorwiegend nach ihrem Interesse, oder was sie dafür halten, zu richten, und im Sinne einer internationalen Moral nur gerade einen Millimeter über die Linie hinausgehen, welche dieses Interesse, d. h. die Furcht vor solidarischem Zwang, ihnen vorschreibt. Aber dieser eine Millimeter ist die Spanne von Ehre und Vertrauen und größer als tausend Meilen von Machtwillen und Gewalt". J. Huizinga, Im Schatten von Morgen, Zürich 1948, S. 97. Neuestes Material bei Akehurst, Equity and General Principles of Law, ICLQ 1976, 801 ff.; vgl. auch noch "Transnational Commercial Law", S. 168 und 225 ff.
51Zum Vorstehenden vgl. "Transnational Commercial Law", S. 3 und 6.
52Vgl. dazu die englische Entscheidung "British Nylon" vom 16.10.1952 und die amerikanische Entscheidung "Maki v. Cooke" vom 9. 1. 1942.
53Treu und Glauben verlangen, daß durch Berufung auf ein bestimmtes Recht der Gegner nicht eventueller Einwände beraubt werden darf (Kegel, S. 159, und Hay, S. 108, a.a.0. in I/19).
54Älteres Material findet man in meinem "Transnational Commercial Law", S. 193 und 243, und bei Heusinger, Rechtsfindung, Köln 1975, S. 110; vgl. auch noch Richardi, Die Verhältnismäßigkeit von Streik und Aussperrung, NJW 1978 S. 2057.
55Hinzuweisen ist noch auf das, was weiter unten (II/49, II/80 und III/5) über Verhältnismäßigkeit gesagt wird.
56Vgl. dazu Dölle (Wahl), Kommentar zum einheitlichen Kaufrecht, München 1976, Art. 17 Rdnrn. 59 ff.
57Besonders deutlich BGH, 29.5.1954 ("Alter Kämpfer"), ebenso schon RG, 30.4.1935 ("Ruhegehalt"); vgl. auch noch den schon oben zum Stichwort General Principles behandelten Fall: BGH, 22.6.1972 ("Nigeria-Kunstschutz"); vgl. noch (für nicht internationale Sachverhalte) BVerfG, 14.2.1973 ("Soraya"), und für den Vorrang einer neueren technischen Vorschrift OVG Münster, 12.4.1978.
58Rechtsfindung und Rechtsfortbildung im Spiegel richterlicher Erfahrung, Köln 1975, S. 97.
59Vgl. die in "Transnational Commercial Law", S. 233, behandelten Fälle T. A. M., 27. 7. 1923 ("Wiener Wasserwerke") und die französische Entscheidung, 15.2.1933 ("Juwelier Marschak"). Weitere Rechtsprechung bei Batiffol/Lagarde, Droit International Privé, 6. Aufl., Paris 1976, Bd. 2 Nr. 607.
60Schlußbemerkung von Zweigert in einem Kolloquium vom 2.7.1976 in Hamburg, RabelsZ 1976 S. 363; vgl. noch Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, Karlsruhe 1975; von Hoffmann, Über den Schutz des Schwächeren bei internationalen Schuldverträgen, RabelsZ 38 (1974) S. 396; Coing, Festschrift für Dölle I, 1963, S. 38.
61OLG Stuttgart, 7.11.1972 m. w. Nachw.

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