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Heini, Anton, Der materiellrechtliche ordre public im neuen schweizerischen Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, in: Festschrift Habscheid, Bielefeld 1989, at 153 et seq.

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Heini, Anton, Der materiellrechtliche ordre public im neuen schweizerischen Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, in: Festschrift Habscheid, Bielefeld 1989, at 153 et seq.
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DER MATERIELLRECHTLICHE ORDRE PUBLIC IM NEUEN SCHWEIZERISCHEN RECHT DER INTERNATIONALEN SCHIEDSGERICHTSBARKEIT

von Anton Heini, Zürich*

1. Im Bestreben, auch in Zukunft die Konkurrenzfähigkeit des Schiedsgerichtsplatzes Schweiz zu erhalten und womöglich zu erweitern, hat das schweizerische Bundesgesetz über das internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987 (IPRG)1 in seinem 12. Kapitel die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in einen Freiraum gestellt, der neueren Modellen wie denjenigen Belgiens und Frankreichs in keiner Weise nachsteht. Nicht nur überläßt Art. 182 Abs. 1 den Parteien volle Freiheit in der Regelung des schiedsrichterlichen Verfahrens; Art. 187 Abs. 1 ermächtigt sie auch, in allen materiellrechtlichen Belangen das Recht, nach dem das Schiedsgericht zu entscheiden hat, völlig frei zu wählen. Mangels einer solchen Rechtswahl entscheidet das Schiedsgericht "nach dem Recht, mit dem die Streitsache am engsten zusammenhängt"; die Anknüpfungsregeln des IPRG sind ausgeschaltet. Der Entscheid des Schiedsgerichts kann nur aus den in Art. 190 Abs. 2 aufgezählten sehr limitierten Gründen angefochten werden.2 Eine Überprüfung der materiellen Rechtsanwendung ist nur möglich, "wenn der Entscheid mit dem Ordre public unvereinbar ist".3

2. Was ist nun unter dem Ordre public im Sinne des Anfechtungsgrundes von Art. 190 Abs. 2 lit. e zu verstehen?

2.1. Nachdem die verfahrensbezogenen Fundamentalregeln, deren Verletzung eine Anfechtung des Schiedsspruches ermöglicht, in den litt. a-d des Art. 190 Abs. 2 festgeschrieben worden sind, kommt der in lit. e eigens erwähnte Anfechtungsgrund des Ordre public vor allem bei der materiellen Rechtsanwendung ins Spiel.4 Dabei kann nicht schon dann von einer

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Verletzung des Ordre public die Rede sein, wenn das Schiedsgericht offenkundig das "falsche" Recht oder das "richtige" Recht offenkundig falsch angewendet hat. In diesem Sinne entschied jüngst ein amerikanisches Bundesdistriktsgericht: ". . . manifest disregard of law, whatever the phrase may mean, does not rise to the level of contravening 'public policy', as that phrase is used in Article V of the (N.Y.) Convention." ". . . to ask an American judge to determine whether foreign arbitrators manifestly disregarded the internal, substantive law of a foreign nation by which the parties agreed in the contract to be bound (is) a slippery slope upon which American judges should not embark, in clear derogation of the public policy underlying the Convention."5 Die im bundesrätlichen Entwurf (Art. 177) noch vorgesehene Anfechtungsmöglichkeit wegen Willkür wurde in der parlamentarischen Beratung bewußt fallengelassen und durch den erwähnten Katalog des Art. 190 Abs. 2 IPRG ersetzt.6

2.2. Sind die Prozeßparteien, was häufig der Fall ist, ausländischer Provenienz, so hat sich ein Schiedsgericht auch nicht an einen national gefärbten "schweizerischen" Ordre public zu halten, der eben in einer solchen Konstellation in der Regel gar nicht betroffen sein kann; bezeichnenderweise fehlt in lit. e des Art. 190 Abs. 2 im Unterschied zu Art. 17 IPRG - der allgemeinen Vorbehaltsklausel - das Adjektiv "schweizerisch". Daran ändern auch gegenteilige Erklärungen von (selbst juristisch geschulten) Ratsmitgliedern nichts, die, so ist zu befürchten, der Tragweite ihrer Legiferierung gar nicht bewußt waren.7 Der Unterschied zum sogenannten internationalen Ordre public (darüber gleich nachstehend unter 2.3.) liegt aber meistens eher in den Worten als in der Sache.8

2.3. Dagegen ist. nun seit langem anerkannt, daß auch ein Schiedsgerichtsentscheid dann absolut unhaltbar ist, wenn er "den in den Kulturstaaten und daher überstaatlich geltenden rechtlichen oder sittlichen Grundauffassungen widerspricht".9 Man spricht dann etwa von einem echt internationalen ("truly international") oder "transnationalen" Ordre public.10 Besser wäre es, solche Grundwerte, auf welche alle zivilisierten Nationen verpflichtet sind, als universalen Ordre public zu bezeichnen.11 Paradigmatisch hierfür ist etwa die Formulierung von Lord Halsbury im Falle In re Missouri Steamship Co.: "Where a contract is void on the ground of immorality . . ., then the contract would be void all over the world, and no

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civilized country would be called on to enforce it."12 Daß der universale Ordre public auch Verträgen entgegensteht, mit denen die Parteien bewußt auf die Vornahme einer widerrechtlichen Handlung in einem Drittstaat zielen - sofern das ausländische Gesetz nicht seinerseits den Ordre public verletzt -, darf heute als anerkannt gelten. F. A. Mann spricht zu Recht von einem "general principle of law, evidenced by the practice of all civilized nations, and therefore a principle of customary international law, that no one is required to do an act which at the material time and place is unlawful, illegal, or criminal and for this reason in law impossible".13 Mit dem universalen Ordre public unvereinbar ist auch die Verordnung eines Staates, welche allein zum Zwecke erlassen wird, zugunsten einer von ihm beherrschten Gesellschaft in ein Vertragsverhältnis einzugreifen - eine lex pro re nata -, wie das zu Recht von einem Schiedsgericht im Falle Settebello Ltd. vs. Setenave entschieden worden ist.14 Mit Berufung auf einen "Ordre public international" hat die Schiedsgerichtspraxis stets auch die Versuche staatlich beherrschter Gesellschaften zurückgewiesen, sich mit der Ausrede von den durch ihre Vertreter unterzeichneten Schiedsklauseln loszusagen, der Unterhändler sei zu ihrem Abschluß nicht befugt gewesen.15 Die Unzulässigkeit solcher und ähnlicher "Manöver" hat der schweizerische Gesetzgeber nunmehr in Art. 177 Abs. 2 IPRG eigens festgehalten: "Ist eine Partei ein Staat, ein staatlich beherrschtes Unternehmen oder eine staatlich kontrollierte Organisation, so kann sie nicht unter Berufung auf ihr eigenes Recht ihre Parteifähigkeit im Schiedsverfahren oder die Schiedsfähigkeit einer Streitsache in Frage stellen, die Gegenstand der Schiedsvereinbarung ist."

3. Stellt der universale Ordre public im vorbeschriebenen Sinne die absolute Grenze dar, die auch ein Schiedsgericht nicht überschreiten darf, so versteht man schwerlich, daß die Parteien aufgrund von Art. 192 Abs. 1 IPRG auch auf diesen Anfechtungsgrund sollen verzichten können. Man begreift es umso weniger, als der Nationalrat bzw. dessen vorberatende Kommission, die für die Endfassung des 12. Kapitels des IPRG weitgehend die Verantwortung zu tragen hat, unter dem Ordre public "offensichtlich fundamentale Rechtsgrundsätze" verstanden wissen wollte.16 Walther Habscheid hat denn auch in Gesprächen mit dem Verfasser dieser Zeilen diese Möglichkeit eines die Ordre public-Kontrolle einbeziehenden völligen Rechtsmittelverzichts als unverständliche gesetzgeberische Fehlleistung angeprangert.17 Nun muß man wissen - dies als Erklärung, nicht als Rechtfertigung -, daß die Gesetz gewordene Fassung des 12. Kapitels des IPRG über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit (im bundesrätlichen Entwurf war es das 11. Kapitel) das Werk schweizerischer Anhänger der von französischen Protagonisten beeinflußten "Freirechts-

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schule" ist.18 Nach deren Auffassung hat ein internationales Schiedsgericht kein Forum im eigentlichen Sinne19 , und so stellt sich die Möglichkeit des völligen Rechtsmittelverzichtes als letzter Schritt der vollständigen Loslösung der Schiedsgerichtsbarkeit von jeglicher staatlicher Bindung dar. Wenn die Parteien mit dem Segen des (wohl allzu naiven!) Gesetzgebers die Streitentscheidung im juristischen "outer space" ansiedeln wollen: habeant! Allerdings müssen sie dann nicht erstaunen, wenn andere Staaten einen Schiedsspruch dieser Art in dem Sinne als anational behandeln, daß sie ihn nicht zur Vollstreckung zulassen. Man erinnert sich hier der Odyssee des Falles der französischen Société européenne d'Etude et d'Entreprises (SEEE) gegen Jugoslawien: nach mehreren untauglichen Versuchen fand der im Jahre 1956 in der Schweiz ergangene Schiedsspruch erst durch einen Entscheid der Cour d'Appel de Rouen vom 13. November 1984 die Gnade der Vollstreckung.20 Andererseits hat das schweizerische Bundesgericht in einem Urteil aus dem Jahre 1982 erklärt, wenn ein Schiedsspruch nach dem maßgebenden Verfahrensrecht keinem Rechtsmittel unterworfen sei, bestehe unter dem Gesichtspunkt des schweizerischen Ordre public kein Grund, die Vollstreckung im Inland zu verweigern.21

4. Wie steht es mit den lois de police, insbesondere den wirtschaftspolitischen Normen wie etwa Embargos, Boykottmaßnahmen, Regeln des Wettbewerbs- oder des Devisenrechts? Daß solche Vorschriften zum universalen Ordre public zählen könnten, wird niemand ernsthaft behaupten wollen. Was also tut ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz, wenn in einem Streit zwischen einer liechtensteinischen und einer französischen Partei etwa Ungültigkeit einer Vertragsbestimmung wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts plädiert wird und die Parteien das schweizerische Recht gewählt haben? Daß die Rechtswahl mißbräuchlich erfolgt sei, wird man selten nachweisen können. Oder: Hätte ein Schiedsgericht dem englischem Recht unterstehenden Rückzahlungsanspruch der Libyan Arab Foreign Bank gegenüber der englischen Zweigniederlassung der Bankers' Trust Co. nicht stattgeben dürfen bzw. müssen, weil dies der amerikanischen Schuldnerbank durch Anordnung des amerikanischen Präsidenten verboten worden war? In Schiedsgerichtskreisen trifft man bei dieser Frage auf etwelche Ratlosigkeit.21a

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Das Problem ist auch von Schiedsgerichten je nach dem Gegenstand der wirtschaftspolitischen Normen verschieden anzugehen: Das Wettbewerbsrecht ist meines Erachtens abzuheben von devisenrechtlichen Normen und solchen über Embargos und Boykottmaßnahmen.

4.1. Lassen wir das Wettbewerbsrecht zunächst beiseite, so dürfte es einem Schiedsgericht noch erheblich größere Mühe bereiten als einem staatlichen Richter, Eingriffsnormen zu berücksichtigen, welche nicht Teil der lex causae (z. B. des Vertragsstatuts) sind. Das gilt in ganz besonderem Maße dann, wenn die Parteien das anwendbare Recht gewählt haben. Wenn internationale Schiedsgerichte, wie dies in Zukunft auch für die Schweiz zutrifft, von (fast) allen staatlichen Fesseln losgelöst sein sollen, so gilt, was der amerikanische Supreme Court im Falle Mitsubishi vs. Soler 1985 wie folgt formuliert hat: ". . . the international arbitral tribunal owes no Prior allegiance to the legal norms of particular states; hence, it has no direct obligation to vindicate their statutory dictates. The tribunal, however, is bound to effectuate the intentions of the Parties."22 Den gleichen Gedanken bringt schon Niboyet zum Ausdruck, wonach der internationale Richter, "n'a pas en principe à tenir compte de l'ordre public de 1'un des deux pays dont ni l'un ni l'autre ne le concerne".23 Man kann nun die Ironie nicht übersehen, daß ausgerechnet die Vertreter der "Freirechtsschule", die ja dem internationalen Schiedsgericht ein Forum absprechen24 , unter Berufung auf "solidarity" und "comity" "in international economic relations"25 wirtschaftspolitische Maßnahmengesetze als Ordre public berücksichtigen wollen. Abgesehen davon, daß der Begriff "comity" im internationalen Privatrecht zu Recht als "either meaningless or misleading" bezeichnet wurde26 , ist schwer einzusehen, wieso ein forumloses Schiedsgericht "Solidarität" - "allegiance" in den Worten des US Supreme Court - irgendeinem Staat gegenüber schulden sollte. Denn selbst wer wie Meessen dem Begriff der "comitas" für das IPR eine Bedeutung zumißt, erblickt die Grundlage dafür in "ungeschriebenem innerstaatlichem Recht".27 Andreas Bucher treibt dann den Widerspruch auf die Spitze, wenn er schreibt: "Es (sc. das Schiedsgericht) . . . muß die Bedeutung der international zwingenden Bestimmungen all derjenigen Staaten erwägen, welche zum Sachverhalt in einer gewissen engen Beziehung stehen."28

Transponiert man bekannte Fälle der letzten Jahre, in denen wirtschaftspolitische Eingriffsnormen von Drittstaaten geltend gemacht (jedoch von den angerufenen staatlichen Gerichten nie berücksichtigt) wurden, in ein Verfahren vor Schiedsgericht, so hätten nach dieser Auffassung die betroffenen Privatpersonen stets das Nachsehen gehabt; denn "eine gewisse enge Beziehung" zum Eingriffsstaat bestand allemal. Als Beispiel diene ein vom Zürcher Obergericht im Jahre 1983 entschiedener Fall.29 Eine schweizerische Bank hatte einer

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türkischen Bank ein Darlehen in US-Dollars gewährt; der Vertrag unterstand schweizerischem Recht. Bei Fälligkeit der Rückzahlung gab die türkische Zentralbank die Devisen nicht frei. Nachdem die Schweizer Bank ihre Forderung mittels Verarrestierung von Guthaben der türkischen Schuldnerin in der Schweiz zu befriedigen suchte, drang diese mit ihrer Berufung auf die türkische devisenrechtliche Maßnahme nicht durch. Richtigerweise hat denn auch ein Schiedsspruch der ICC aus dem Jahre 1971 - er soll von Pierre Lalive als Einzelschiedsrichter stammen - eine pakistanische Bank nicht von ihrer indischem Recht unterstehenden Garantieverpflichtung befreit, weil deren Erfüllung (in Indien) nach pakistanischem Notrecht unerlaubt war.30 Ebensowenig hat kürzlich ein in Genf ergangener Schiedsspruch auf einen wirtschaftspolitischen "ordre public étranger" Rücksicht genommen31 : In einem Streit zwischen einer englischen und einer französischen Partei stellte sich u. a. die Frage nach der Gültigkeit des dem schweizerischen Recht unterstellten Vertrages, welcher die Vermittlung von Geschäften in Algerien zum Gegenstand hatte; nach algerischem Recht war indessen die Einschaltung von Mäklern für vom Staat oder seinen Organisationen abgeschlossenen Verträgen verboten. Das Schiedsgericht führte u. a. aus:

"En l'èspece, la disposition du droit algérien n'a pas pour but la protection de biens privés, mais ressortit uniquement à la politique économique du pays découlant de son système social. En tant que telle, elle ne saurait influer sur la validité d'un contrat soumis au droit suisse."

Der Verfasser dieser Zeilen hat stets die Auffassung vertreten, daß es nicht angeht, auf dem Rücken privater Parteien mit Beihilfe des Zivilrichters ausländischen wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Durchsetzung zu verhelfen.32 Andererseits kann die Berücksichtigung solcher Zwangsmaßnahmen durchaus im Interesse einer Partei liegen. Dementsprechend wurde der (mit Art. 7 der Römer EG-Konvention über das internationale Vertragsrecht von 1980 übereinstimmende) Art. 18 durch das Parlament dahin abgeändert, daß eine solche Berücksichtigung dann erfolgen könne, "wenn nach schweizerischer Rechtsauffassung schützenswerte und offensichtlich überwiegende Interessen einer Partei33 es gebieten" (jetzt Art. 19 IPRG). Gewiß bleibt es einem Staat unbenommen, sich staatsvertraglich zu "Rechtshilfe" für ausländische wirtschaftspolitische Maßnahmen zu verpflichten. Daß dies aber niemals ein Anliegen eines privaten internationalen Schiedsgerichtes sein kann, versteht sich von selbst. Mit dieser Auffassung müßten sich die "Freirechtler" schon deshalb identifizieren, weil ja nach ihrer Meinung ein internationales Schiedsgericht nicht über ein Forum verfügt. Konsequenterweise hat ein solches Schiedsgericht auf den wirtschaftspolitischen Ordre public eines Staates selbst dann keine Rücksicht zu nehmen, wenn das Forum durch Staatsvertrag dazu verpflichtet wäre.

4.2. Gewiß ist nicht zu übersehen, daß die Nichtbeachtung einer Eingriffsnorm zur Verweigerung der Vollstreckung im betreffenden Staat führen kann. Nun haben bekanntlich nach Art. 26 der Verfahrensordnung des Schiedsgerichtshofes der ICC die Schiedsrichter "mit

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allen Mitteln" darauf hinzuwirken, daß die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches gesichert ist. Dieses Ziel wäre aber gerade dann oft nicht zu erreichen, wenn sich die Schiedsrichter als Hüter staatspolitischer Maßnahmen aufspielen und dadurch die Durchsetzung des Anspruches der obsiegenden Partei in anderen Staaten im vornherein vereiteln wollten; ganz abgesehen davon, daß dies, wie erwähnt, auch im Widerspruch zu der im 12. Kapitel verankerten (fast) absoluten Autonomie der Parteien stünde.

4.3. Wie schon angetönt, können Gesetze zum Schutz des freien Wettbewerbes nicht gleich behandelt werden wie wirtschaftspolitische Normen von der bereits besprochenen Art. Jene verfolgen zwar ebenso ein wirtschaftspolitisches Ziel, wollen jedoch auch die Marktteilnehmer vor Wettbewerbsbehinderungen schützen; insofern stellt die Wettbewerbsbehinderung eine unerlaubte Handlung dar. Verpflichtet sich nun eine Partei in einem Vertrag zu einem wettbewerbshindernden Verhalten, welches nach dem Vertragsstatut erlaubt, nach dem Deliktsstatut jedoch widerrechtlich ist, so ist die Anordnung dieser Widerrechtlichkeit in das Vertragsstatut, welches über die Gültigkeit einer solchen vertraglichen Absprache zu befinden hat, zu übernehmen. Wenn also in dem zu Beginn von Ziff. 4 hiervor erwähnten Beispiel sich der französische gegenüber dem liechtensteinischen Vertragspartner verpflichtet hat, die unter Lizenz hergestellten Produkte nicht aus Frankreich zu exportieren, so stellt dieses Re-Exportverbot für den Franzosen auf dem EG-Markt eine Wettbewerbsbehinderung dar, die nach EG-Recht bekanntlich rechtswidrig ist. Diesem Recht aber unterstehen gemäß Art. 137 Abs.1 IPRG (außervertragliche) Ansprüche aus Wettbewerbsbehinderung; denn diese Kollisionsnorm verweist auf das "Recht des Staates, auf dessen Markt der Geschädigte von der Behinderung unmittelbar betroffen ist". Wenn nun die Parteien in unserem Beispiel das schweizerische Recht auf ihren Lizenzvertrag als anwendbar erklärt haben, so kann meines Erachtens die Rechtswidrigkeit der Wettbewerbsbehinderung, welche aufgrund der außervertraglichen Anknüpfung festzustellen wäre, im Hinblick auf die Gültigkeit der kritischen Vertragsklausel nicht einfach ignoriert werden. Das aber ist die Folge einer Harmonisierung der Anknüpfungen privatrechtlicher Ansprüche und hat mit dem Ordre public der EG-Gesetzgebung primär nichts zu tun. Eine ganz andere Frage ist es, ob ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz besagte Anknüpfung gemäß Art. 137 IPRG befolgen würde; die Formulierung von Art. 187 Abs. 1 läßt uns hierüber im dunkeln: "Das Schiedsgericht entscheidet die Streitsache nach dem von den Parteien gewählten Recht oder, bei Fehlen einer Rechtswahl, nach dem Recht, mit dem die Streitsache am engsten zusammenhängt." Eine Verpflichtung zur Anwendung einer Bestimmung wie derjenigen des Art. 137 IPRG besteht m. E. nicht. Auf keinen Fall wäre die Nichtanwendung dieser Kollisionsnorm eine Verletzung des Ordre public i. S. von Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG. Überhaupt ist es kaum vorstellbar, daß ein Schiedsgericht durch eine auch noch so ungerechtfertigte Anknüpfung das genannte Ordre-public-Konzept verletzen könnte. Selbst eine willkürliche Anknüpfung tangiert diesen Ordre public ebensowenig wie eine willkürliche Anwendung des berufenen Rechts. Mit solchen und anderen Nachteilen müssen sich Parteien, die es nach der Freiheit des neuen schweizerischen Schiedsgerichtsrechtes gelüstet, abfinden: volenti non fit iniuria!

* Die nachfolgende Skizze wurde nicht zuletzt durch Gespräche des Verfassers mit seinem verehrten Fakultätskollegen Walther Habscheid veranlaßt. Kurz vor Ablieferung des Manuskriptes gewährte ihm dieser Einblick in seinen Beitrag zur FS Max Keller, welche Anfang 1989 erscheint: "Die Schiedsgerichtsbarkeit und der Ordre public". Hinweise auf diesen sehr interessanten Aufsatz konnten daher im folgenden nur rudimentär und ohne Angabe der Seitenzahl vorgenommen werden.
1 Das Gesetz wird wahrscheinlich am 1. Januar 1989 in Kraft treten.
2 Art. 190 Abs. 2: "Der Entscheid kann nur angefochten werden: a) wenn der Einzelschiedsrichter vorschriftswidrig ernannt oder das Schiedsgericht vorschriftswidrig zusammengesetzt wurde; b) wenn sich das Schiedsgericht zu Unrecht für zuständig oder unzuständig erklärt hat; c) wenn das Schiedsgericht über Streitpunkte entschieden hat, die ihm nicht unterbreitet wurden, oder wenn es Rechtsbegehren unbeurteilt gelassen hat; d) wenn der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien oder der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt wurde; e) wenn der Entscheid mit dem Ordre public unvereinbar ist."
3 Lit. e des vorerwähnten Artikels 190 Abs. 2.
4 Habscheid will indessen, wenn ich ihn richtig verstehe, auch von den litt. a-d nicht erfaßte grundlegende prozessuale Fehler in den Ordre public verlagern, s. "Die Schiedsgerichtsbarkeit und der Ordre public".
5 Brandeis Instel Ltd. v. Calabrian Chemical Corp., 656 F. Supp. 160 (S.D.N.Y. 1987).
6 StenBull Nationalrat 1986, 1368. Die Frage allerdings bleibt - und Habscheid scheint sie ("Die Schiedsgerichtsbarkeit und der Ordre public") zu bejahen -, ob es nicht (andere) Fälle von Willkür gibt, welche die "Schallgrenze" des Ordre public erreichen; in diesem Sinne auch Knoepfler/Schweizer, Mélanges Flattet 506 (Lausanne 1985).
7 So erklärte etwa Frau Josi Meier im Ständerat: "Ordre public bedeutet grob gesagt jene fundamentalen Grundsätze einer nationalen Rechtsordnung - verschieden von einem Staat zum andern (sic!) -, die dem betreffenden Staat absolut unverzichtbar erscheinen." StenBull Ständerat 1987, 197.
8 Vgl. etwa die bei Poudret im Bulletin ASA (Association Suisse de l'Arbitrage) 1988/1, 62 aufgezählten Beispiele ("pacta sunt servanda, la bonne foi, l'interdiction de l'abus de droit, la prohibition de mesures discriminatoires ou de spoliation sans indemnité").
9 Gutzwiller, Internationales Jahrbuch für Schiedsgerichtswesen in Zivil- und Handelssachen 3, 152 (1931).
10 Vgl. den Beitrag zum ICCA-Kongreß in New York 1986 von Lalive, Transnational (or Truly International) Public Policy and International Arbitration 259-317 mit weiteren Literaturangaben.
11 S. u. a. Heini, ZSR 100 (1981) I 82 mit Fn. 65.
12 (1889) 42 Ch. D. 321, 336.
13 Mann, Foreign Affairs in English Courts 155 (Oxford 1986) unter Bezugnahme auf Ralli Bros. v. Compania Naviera Sota y Aznar (1920) 1 K. B. 614.
14 S. Business Law Brief 15 (1986). Völlig unhaltbar demgegenüber das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichtes i. S. Société des Grands Travaux de Marseille contre République Populaire de Bangladesh . . . BGE 102 I a (1976) 574; es dürfte sich um einen einsamen "Ausreißer" handeln.
15 S. etwa Clunet 1986, 1106.
16 StenBull Nationalrat 1986, 1368.
17 So auch wieder in dem vorne erwähnten Aufsatz. Vgl. ferner Habscheid, Das internationale Schiedsverfahren mit Rechtsmittelverzicht nach dem IPRG, in: Veröff. d. Vereinigg. Rechtsstaat und Individualrechte (Solothurn 1988).
18 Die Möglichkeit eines vollständigen Rechtsmittelverzichtes bei rein ausländischen Parteien findet sich bereits in Art. 178 der bundesrätlichen (von der jetzt Gesetz gewordenen erheblich abweichenden) Fassung des Kapitels über die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Auch der Verfasser dieses Beitrages ist als Mitglied der Expertenkommission für einen solchen Rechtsmittelverzicht eingetreten; er muß aber heute zugeben, daß es schlicht unhaltbar ist, wenn nicht einmal die Verletzung des universellen Ordre public korrigiert werden kann. Wenn seinerzeit die Möglichkeit des vollen Rechtsmittelverzichtes mit dem Hinweis begründet wurde, eine Ordre public-Kontrolle finde ja noch im Vollstreckungsstaate statt (Botschaft zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht vom 10. Nov. 1982 Nr. 2101.27), so wird dabei übersehen, daß es z. B. in den Fällen, in denen die Klage abgewiesen wird, nichts zu vollstrecken gibt. Vgl. überdies die kritischen Bemerkungen von Knoepfler/Schweizer (Fn. 6) 506.
19 So etwa Lalive (Fn. 10) 271.
20 Klein, FS Mann 617 ff. (1977); zum Entscheid der Cour d'Appel de Rouen s. I.L.M. 1985, 347.
21 BGE 108 I B (1982) 89.
21a Vgl. neuestens Drobnig, FS Kegel 95 (1987).
22 S. I.L.M. 1985, 1064 ff., 1075.
23 In RdC 40 (1932) II 178.
24 So etwa Lalive (Fn. 10) 271.
25 Lalive (Fn. 10) 283.
26 Cheshire and North, Private International Law (Fn. 10) 4 (1979); vgl. auch Mann (Fn. 13) 135.
27 Meessen, Archiv des öffentlichen Rechts 1985, 413.
28 Bucher, FS Moser 216/217 (Zürich 1987). Ähnlich absurd ist die Argumentation eines anderen Vertreters der "Freirechtsschule": Derains, Rev. suisse du droit international de la concurrence 1982, 56 ch. 19.
29 Blätter für Zürcherische Rechtsprechung 1984 Nr. 14.
30 ICC Award 1971 No. 1512, zusammengefaßt in: Yearbook Comm. Arbitr. I 128-130 (1976) , und in Clunet 1974, 905-909.
31 Teilw. abgedr. in: Bulletin ASA 1988/2, 136-142, insbes. 141.
32 Z. B. in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht H. 22, 44; vgl. auch Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht 1985, 98.
33 Hervorhebung durch den Verfasser.

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