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OLG Hamburg, Urt. v. 8.2.1991 - 1 U 134/87, NJW 1992, at 635 et seq.

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OLG Hamburg, Urt. v. 8.2.1991 - 1 U 134/87, NJW 1992, at 635 et seq.
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635

[...]

14. Einflußnahme auf ausländische Amtsträger und deutscher ordre public

[...]

Aus den Gründen:

[...]

Demgegenüber kommt es entgegen der Auffassung des LG in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Vertrag der Parteien auf die Bestechung syrischer Amtsträger gerichtet war, weil dann der Vertrag zwar nach syrischem Recht, nicht aber - so das LG - nach deutschem Recht nichtig sei und davon auszugehen sei, dass die Parteien einen wirksamen Vertrag gewollt hätten. Auch nach deutschem Recht (§ 138 BGB) ist ein Vertrag sittenwidrig und damit nichtig, der auf die Bestechung ausländischer Amtsträger gerichtet ist. Ungeachtet der immer wieder zu hörenden Erfahrung, dass es in gewissen Ländern der Welt "anders gar nicht geht", verstößt ein solches Verhalten nach der Auffassung aller billig und gerecht Denkenden nicht nur in Deutschland gegen die guten Sitten. So hat der BGH entschieden (vgl. BGH, NJW 1985, 2405). Das ist auch in der - gewiß pragmatischem Denken nicht verschlossenen - internationalen Handels-Schiedsgerichtsbarkeit anerkannt. Ein Beispiel dafür ist der 1982 gefällte Schiedsspruch im Streitfall Nr. 3916 des Schiedsgerichtshofs der Internationalen Handelskammer (Schriftenreihe des Deutschen Instituts für Schiedsgerichtswesen, Bd. 6, S. 30 mit zust. Anm. Jarvin). Es handelte sich dort um einen mit dem vorliegenden Fall nahezu gleichen Sachverhalt. Das Schiedsgericht erachtete es als ein "Rechtsprinzip .... das im allgemeinen von den zivilisierten Nationen anerkannt wird", wonach Verträge "die ernsthaft die Sitten oder die internationale öffentliche Ordnung verletzen, ungültig sind oder zumindest nicht ausgeführt werden können". Weiter heißt es in dem Schiedsspruch: "Selbst wenn in bestimmten Ländern und zu bestimmten Zeitpunkten Beamtenbestechung in Geschäftsbeziehungen eine allgemein akzeptierte Methode ist, kann man nicht die Augen schließen vor der schädlichen Wir-636kung solcher Praktiken, weder vom Standpunkt einer guten Verwaltung noch von dem der Geschäftsmoralität aus."

Ganz abgesehen davon ist die Nichtigkeit eines Vertrages nach einer bestimmten Rechtsordnung kein sicheres Indiz dafür, dass ihn die Parteien einer anderen, ansonsten nicht einschlägigen Rechtsordnung unterstellen wollten. Es ist schließlich davon auszugehen, dass die Parteien bei Abschluß des Vertrages zunächst darauf vertrauten, dass der jeweils andere Teil ihn freiwillig erfüllen werde (so auch BGHZ 53, 189 = NJW 1970, 999 = LM Nr. 35 zu Art. 7ff. EGBGB L). Auch der Gerichtsgutachter Dr. E und der Privatgutachter des Kl. Prof. Dr. S. stimmen im übrigen darin überein, dass auf den vorliegenden Fall syrisches Recht anzuwenden sei.

Nach syrischem Recht ist der Vertrag der Parteien wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig. Das folgt zur Überzeugung des erkennenden Senats aus dem ersichtlich mit großer Sorgfalt, unter umfassender Verwertung von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum erstatteten Gutachten von Dr. E [ ... ] Dem hat das Privatgutachten von Prof. Dr. S [ ... ] nichts Wesentliches entgegengesetzt. (Wird ausgeführt.)

Nach diesem Gutachten ist der Vertrag der Parteien - ohne dass es eines Eingehens darauf bedarf, ob der Kl. in Syrien bestimmte berufliche Registrierungspflichten erfüllt hat - schon deshalb nach Art. 136, 137 des syrischen Zivilgesetzbuches nichtig, weil er gegen Art. 347 des syrischen Strafgesetzbuches verstößt. Diese Vorschrift lautet in der Übersetzung des Gutachters:

"Wer eine Vergütung annimmt oder verlangt, ohne dass er die Berechtigung dazu hat, oder ein Versprechen dazu entgegennimmt, sei es für sich selbst oder für einen anderen, in der Absicht, eine öffentliche Anstellung, eine Arbeit, einen Werkvertrag, ein Projekt oder einen anderen Gewinn oder Vorteil vom Staat oder einer Stelle der öffentlichen Verwaltung zu verschaffen oder sich darum zu bemühen, oder in der Absicht, öffentliche Entscheidungen in irgendeiner Weise zu beeinflussen, der wird mit Freiheitsentzug von zwei Monaten bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe bestraft, deren Höhe mindestens das Doppelte des Wertes dessen beträgt, was er erlangt oder sich hat versprechen lassen." Die Vorschrift richtet sich - wie der Sachverständige im einzelnen dargelegt hat - gegen den Handel mit Einfluß. Es kommt nicht darauf an, dass der Versprechensempfänger Träger eines öffentlichen Amtes ist. Es ist nicht einmal erforderlich, dass er tatsächlich Einfluß besitzt. Es genügt die Behauptung von Einfluß. Nur weil der Kl. gegenüber der Bekl. den Eindruck erweckt hat, dass er selbst oder die von ihm anzusprechenden syrischen Privatpersonen Einfluß auf die Amtsträger nehmen könnten, welche über die Auftragsvergabe zugunsten der Bekl. zu entscheiden hatten, ist dem Kl. - selbstverständlich - von der Bekl. eine Gesamtvergütung in solcher Höhe versprochen worden, dass er darauf jene 470.000 DM zahlen konnte. Damit ist der Tatbestand des Art. 347 des syrischen Strafgesetzbuches erfüllt. Auch die Teilnahme in Form der Anstiftung oder Beihilfe zur Vorteilsannahme durch den Einflussinhaber ist nach syrischem Recht strafbar, wie der Sachverständige Dr. E [ ... ] mitgeteilt hat.

Der erkennende Senat hat keine Bedenken, diese Vorschrift, welche in Ihrer Anwendung im deutschen Recht keine Entsprechung hat, anzuwenden.

Art. 347 syrisches Strafgesetzbuch verstößt nicht gegen den deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB). Die Anwendung dieser Bestimmung ist mit keinem deutschen Grundrecht unvereinbar. Ihre Anwendung führt auch nicht - auch und gerade nicht im vorliegenden Falle - zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre. Im Gegenteil, es ist seit jeher das Ziel deutscher Gesetzgeber gewesen, und man hat sich dabei stets in Übereinstimmung mit allen billig und gerecht denkenden Rechtsgenossen befunden, die Entscheidungen der Träger öffentlicher Ämter von - sachfremden - Einflüssen Dritter freizuhalten. Dem dienen nicht nur die deutschen Strafvorschriften gegen aktive und passive Bestechung. Dem dient in erster Linie das Institut des deutschen Berufsbeamtentums mit seiner persönlich unabhängigen Beamtenschaft. So betrachtet ist die vom Sachverständigen wiedergegebene syrische Regelung eher nachahmenswert denn wegen der Weite des Tatbestandes zu mißbilligen. Das Verbot des Handels mit Einfluß bedeutet - so der Sachverständige - "eine Vorverlagerung der Strafbarkeit in Bestechungsfällen und wird gerade dann bedeutsam, wenn die Bestechung ... nicht mehr nachweisbar ist".

Das Verbot des Handels mit Einfluß ist im übrigen keine - sozusagen exotische - Eigenheit des syrischen Rechts. Das Verbot gilt auch in mehreren anderen arabischen Staaten und findet beispielsweise auch im französischen Recht seine Entsprechung, wie der Sachverständige mit Nachweisen dargelegt hat.

[ ... ] (Mitgeteilt von Richter am OLG Dr. C.-D. Schumann, Hamburg)

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