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Abas, Piet, Rebus sic stantibus, Cologne, Berlin, Bonn, Munich 1993

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Abas, Piet, Rebus sic stantibus, Cologne, Berlin, Bonn, Munich 1993
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Kapitel XIII Die Schlussfolgerungen aus der rechtsvergleichenden Untersuchung

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7. Das Kriterium im Vergleich zur Rechtsprechung

Das Kriterium wird im nachfolgenden den auffälligsten ausländischen Urteilen, die schon zuvor erörtert worden sind, gegenübergestellt.

Das Kriterium lässt sich allein schlecht mit den Fällen aus England vergleichen, da in diesen nach common law entweder von Vertragsauflösung oder -erhaltung die Rede ist. Dass das Ergebnis meistens ein »Nein« ist, liegt auf der Hand. Vom Charakter des Sachverhalts her, sind die erörterten Fälle keineswegs typisch englisch. In Kapitel IH legte ich schon dar, dass im Hinblick auf die erschwerte Lage des Schuldners sowohl bei Davis Contractors (1956) und Tsakiroglou (1961) als auch bei Panalpina (1980) für einen Mittelweg Raum gewesen wäre.

Der weitaus größte Einfluss wurde der »Änderung der Umstände« im (Wasser)Fall von Lord Denning (1978) und im Nema-Fall (1981) zuerkannt. In beiden Fällen galt, daß die Erfüllung einer geschuldeten Leistung einen dermaßen großen Nachteil mit sich brachte, dass die Gegenleistung überhaupt nicht mehr als äquivalent angesehen werden konnte.

In Bezug auf Frankreich kann ich mich kurz fassen. Die in Kapitel IV erörterte Rechtsprechung ist, was das Ergebnis betrifft, völlig eigenständig. Das Wesen der Sachverhalte ist nicht einzigartig, die Lösung des Richters hingegen schon. Der Kanal von Craponne ist berüchtigt, der bail á cheptel (1876 bzw. 1921) nicht weniger. Es bedarf kaum einer weiteren Erörterung, dass in den genannten Fällen jedes Gleichgewicht zwischen den gegenseitigen Leistungen weggefallen war. Deswegen verdient der Umweg über das Dogma der »caducité« Zustimmung, weil mit dessen Hilfe beim Wegfall des Gleichgewichts ein Ausweg gefunden werden kann.

Kein Code-Land hat sich der strengen Lehre Frankreichs angeschlossen. In südlicher Richtung gilt dies für Spanien, in nördlicher Richtung für Belgien. In Spanien hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem Urteil von 1957, unter Einhaltung einiger deutlich umschriebener Bedingungen, eine Berufung auf die clausula ins geltende Recht eingeführt. Die wichtigste Voraussetzung ist, dass die »Änderung der Umstände« zu einem exorbitanten Missverhältnis zwischen 301 den gegenseitigen Leistungen führt. Dies ist in fünf Fällen, wie in Kapitel V dargetan, angenommen worden: Erhöhung des Kaufpreises infolge einer »postovermacht«-Situation, Erhöhung des Transportpreises infolge der Steigerung der Bahntarife, Anpassung der Witwenrente nach Geldentwertung, Anpassung eines Stromliefervertrages wegen Steigerung des Erzeugerpreises und einem erhöhten Verbrauch, sowie die Auflösung eines Lizenzvertrages, weil der Verkäufer infolge eines Ausfuhrverbotes für Pesetas den Kaufpreis nicht erhalten konnte (TS 1944, 1951, 1962, 1970 und 1988).

In Belgien ist gutes Vergleichsmaterial vorhanden. Ich meine damit zunächst die von mir in Kapitel VI als klassisch bezeichnete Entscheidung des Cour d'Appel de Bruxelles vom 27. Januar 1970: Der Kaufpreis für ein Grundstück musste bezahlt werden, auch wenn es dem Eigentümer infolge einer neuen Gesetzgebung, die nach der Unabhängigkeit des damaligen Belgisch Kongo erlassen worden war, unmöglich war, daran Eigentum zu erwerben. Dieses Ergebnis ist vollkommen unannehmbar.

Die umstrittene Entscheidung der Brüsseler Rechtbank van Koophandel vom 16. Januar 1979 verdient eine nähere Erörterung. Wegen einer Bauverzögerung, die eingetreten war, weil die vereinbarte Frist infolge des Inkrafttretens eines neuen Gesetzes über die Handelsniederlassung nicht eingehalten werden konnte, wurde zur Zahlung eine Vertragsstrafe gefordert. Meiner Meinung nach gehören u.a. die Witterungsverhältnisse und die Schwankungen der Rohstoffpreise der Zulieferungsbetriebe zur Risikosphäre eines Bauunternehmers, jedoch bestimmt nicht das Inkrafttreten eines Gesetzes, das eine längere Verwaltungsprozedur vorschreibt. Derartige Umstände sollte ein Bauunternehmer keineswegs berücksichtigen müssen. Eine Verweisung auf den »Spiritusfall« vom RG aus dem Jahr 1888 dürfte diesbezüglich genügen. Die Brüsseler Rechtbank war offensichtlich der gleichen Ansicht. Einer Berufung auf die »imprevision« wurde daher stattgegeben. Diese Auffassung vertrat die Rechtbank auch im Jahr 1981, sowie der Cour d'Appel Mons im Jahr 1982.

Die Annahme der beschränkenden Wirkung des Grundsatzes von Treu und Glauben durch die höchstrichterliche Rechtsprechung im Jahre 1983 war somit keine völlige Überraschung. Hierdurch wurde der »imprevisie«-Rechtsprechung der ordentlichen Instanzen ein Fun- 302 dament gegeben. Auf die Bestätigung dieser Rechtsprechung durch den Hof van Cassatie muss jedoch noch gewartet werden.

Das umfangreichste Kapitel (VII) ist Deutschland gewidmet. Dieses Land bietet eine Fülle von Vergleichsmaterial.

Zunächst gibt es dort zahlreiche Fälle zum Nominalismus, insbesondere bezüglich Rentenvereinbarungen und Erbbaurechtsvergütungen. Die "neue Leistung" wird durch die Minderung des gleichen Nominalbetrages, dessen Kaufkraft verringert ist, dargestellt, so dass der Empfänger mit dem Geld weniger tun kann. Es erhob sich die Frage, ob die Kontrahenten in den Jahren 1950-1955 hätten vorhersehen müssen, dass sich die Konjunktur im Zeitabschnitt von 25 bis 30 Jahren in dem Maße ändern würde, wie sie es getan hat. Ich glaube nicht.

Der BGH urteilte anders. Im Grunde enthält sich das Gericht - mit Ausnahme der Unterhaltsfälle - eines abschließenden Urteils. Ich kann mir vorstellen, dass der Richter lieber auf den Gesetzgeber warten möchte. Mutig ist diese Haltung aber nicht.

Eine ähnliche Erkenntnis trifft für die Entscheidungen anlässlich der Ölkrise zu. Das Urteil des BGH v. 25. Mai 1977 ist mir weniger klar, als das spätere Urteil vom 8. Februar 1978. Dem Bauunternehmer, der auch Heizungen lieferte, wurde ohne weiteres gesagt, dass die Folgen der Krise offensichtlich in seine Risikosphäre fielen. Dies leuchtet mir nicht ein. Im Urteil aus dem Jahr 1978 war dies schon deswegen anders, weil die Gemeinde selbst einen Fixpreis für das nächste Jahr beantragt hatte.

Auch der Hotelier auf Juist musste seine falsche Kalkulation ausbaden. Ob 1964 vorherzusehen war, dass die Hotelgäste in späteren Jahren höhere Anforderungen an die sanitären Einrichtungen der Hotelzimmer stellen würden - wie der BGH im Urteil, vom 19. April 1978 annahm - bezweifele ich. Dennoch ist zu verstehen, dass der BGH urteilte, eine solche Entwicklung gehe zu Lasten des Hoteliers. Es wäre anders gewesen, wenn z.B. der Fährdienst zur Insel beendet worden wäre, der Strand durch eine Umweltkatastrophe eingetreten oder die Insel für die Stationierung von Atomwaffen bestimmt worden wäre.

Mit dem belgischen Verfahren hinsichtlich der kongolesischen Unabhängigkeit vergleichbar ist das deutsche Urteil anlässlich der iranischen Revolution. Wo der Brüsseler Cour d'Appel 1970 versagte, handelte der BGH in seinem Urteil vom 8. Februar 1984 korrekt. Politische oder staatliche Umwälzungen führen nahezu immer zu großen 303 Nachteilen, die keiner berücksichtigen kann: in diesen Fällen ist ein Eingriff erforderlich. Wohlgemerkt, es soll sich dabei um einen Umbruch handeln, der die gesellschaftlichen Grundmanifeste erschüttert; das ist etwas anderes als ein Regierungswechsel von der Linken zur Rechten. Das Erfordernis »tiefgreifend« ist sowohl im kongolesischen als auch im iranischen Fall erfüllt worden. Gleiches kann ebenfalls vom spanischen Bürgerkrieg und der Unabhängigkeit Angolas und Mosambiks gesagt werden. In diesem Zusammenhang erscheint die portugiesische Nelkenrevolution problematisch (siehe näher S. 307).

Eine gesonderte Erwähnung verdient die Entscheidung des BGH v. 3. Juli 1981 ("Roggenklausel"), da der BGH die Lehre des Geschäftsgrundlagenwegfalls dort nicht nominatim anwandte, sondern über die ergänzende Vertragsauslegung zu einem inhaltlich gleichen Ergebnis gelangte.

Die Bundesrepublik Deutschland weist in den letzten 15 Jahren viele Sachverhalte auf, in denen man sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen hatte. Da diese Fälle oft nicht zwingend waren, führte eine solche Berufung meistens zu nichts. Die strengere Auffassung in der Literatur steht damit im Einklang.

Die ältesten Fälle in der Schweiz, mit denen ich Kapitel VIII eröffnete, haben einen zwingenden Charakter. Die Folgen, die der Erste Weltkrieg nach sich zog, treten in den Entscheidungen aus den Jahren 1919 und später zutage.

Von der Einordnung als »schwach« ist erst im Fall Rogenmoser die Rede, der 1933 vom BG abgewiesen worden ist. In der Folge sind die meisten Verfahren recht wenig aussagekräftig geblieben. Deswegen kann man es der höchstrichterlichen Rechtsprechung eigentlich nicht verübeln, dass sie sich diesbezüglich nicht entgegenkommend gezeigt hat. Eine klare Ausnahme sollte jedoch für den Fall des BG v. 7. Dezember 1971 gemacht werden. Aufgrund eines Vergleiches aus dem Jahr 1897 hatte die Fa. Neumühle jährlich Sfr 1000,- für eine bestimmte Strommenge zu zahlen. Diese Vergütung stand mit der Realität des Jahres 1967 durchaus nicht mehr im Einklang. Die lieferungspflichtige Gemeinde erlitt einen erheblichen und ungerechtfertigten Nachteil, der nicht zu ihrer eigenen Risikosphäre gehörte. Durch den bloßen Zeitverlauf war ein Missverhältnis entstanden; ein Schulbeispiel für die Anwendbarkeit der clausula. Das BG kam hier zwar zum, ge- 304 wünschten Resultat, merkwürdigerweise jedoch nicht mit Hilfe der clausula.

Auch Österreich liefert aufschlussreiche Materialien.

Die Geschichte der Rechtsprechung Österreichs beginnt in gleicher Weise wie die in der Schweiz. Der Kronensturz brachte das OGH im Jahr 1925 sogleich zur Annahme der clausula.

Danach hat sich die Rechtslage in den beiden Ländern nicht parallel entwickelt, weil sich in Österreich eine erweiterte Rechtsprechung eröffnet hat, in der wichtige Aspekte zutage getreten sind. Der OGH hat einerseits die clausula häufig angewandt; zugleich hat jedoch kein anderer Richter das Kriterium der eigenen Sphäre so häufig zum Einsatz gebracht wie der österreichische. Dazu gehört das Bedauern, mit den Nachbarn einen Vergleich eingegangen zu sein, da die Gaststätte mittlerweile so gut geht (OGH 30. August 1974), das Verweigern einer Genehmigung, Getränkeautomaten in einer Schule aufzustellen (OGH 23. Januar 1975), die Ausübung des Wiederkaufrechts zum bezahlten Preis (OGH 15. März 1979), das nicht Erhalten einer erwarteten Finanzierung (OGH 12. April 1978 und OGH 15. Juni 1988) oder Bausubvention (OGH 14. Januar 1981), die Geschmacksänderung des biertrinkenden Teils der Nation (OGH 1. September 1982) sowie die sich nachträglich herausstellende Notwendigkeit, ein Bauwerk mittels einer Zufahrtsstraße erschließen zu müssen (OGH 14. März 1989).

Mehrmals ist die clausula angewandt worden. Ich zitierte in Kapitel IX kurz den OGH, ÖRZ 1968, S. 94, der einer Gesetzgebungsänderung Bedeutung beimaß, durch die eine gepachtete Betriebsgenehmigung erheblich an Wert verlor. In die gleiche Richtung ging der OGH in einer Entscheidung v. 17. März 1970, wo er der Änderung des Wohnhauswiederaufbaugesetzes 1948 zugunsten des Käufers, dessen Finanzierung in erheblichem Maße erschwert wurde, Bedeutung zumaß. Diese Entscheidungen sind aus demselben Grunde richtig, aus dem auch die Rechtbank van Koophandel in Brüssel - bereits wiederholt zitiert - das Recht auf ihrer Seite hatte.

Ferner ist es unannehmbar, auf einem vereinbarten Tarifverhältnis zu beharren, wenn nicht vorherzusehen war, dass sich dieses Verhältnis im Lauf der Jahre genau gegenteilig entwickeln würde. Dies führt zu einem großen Nachteil, der nicht zum normalen Geschäftsrisiko gehört (OGH 22. Dezember 1971). Selbstverständlich muss das Ergeb- 305 nis anders lauten, wenn der Vertrag eine Anpassungsklausel enthielt (OGH 27. April 1988).

Schwerer zu beurteilen ist der Fall, in dem die Rückgängigmachung eines Kaufvertrages gefordert wurde, obwohl die Sache infolge der Ausübung eines Sicherungsrechts durch einen Dritten, nicht mehr zurückgegeben werden konnte. Für einen Kommentar stehen zu wenig Tatsachen zur Verfügung (HS 5434/24).

Gleiches trifft für die Entscheidung des OGH v. 14. Dezember 1979, die die Stornierung einer Hotelzimmerreservierung betraf, zu. Die wichtigste Gegebenheit fehlt: warum wurde die Stornierung vorgenommen?

Das Ergebnis des Verfahrens in der Sache der Pensionszusage von VÖEST (OGH 11. Januar 1989) ist nicht selbstverständlich. Seine Richtigkeit lässt sich schwer einschätzen.

Wie schon gesagt, ist die österreichische Rechtsprechung die Mühe der Untersuchung wert, weil man sich wiederholt auf die clausula beruft und das mit wechselndem Erfolg.

In den beiden untersuchten Ländern mit einer gesetzlichen Regelung für die »Änderung der Umstände« findet man kühne Entscheidungen. Die Annahme, die Entscheidungen könnten nur so lauten, wie sie lauten, weil es ja eine gesetzliche Regelung gebe, wird durch den Lauf der Geschichte widerlegt. Dies gilt ganz gewiss in Italien, wo clausula und die »presupposizione« der neuen Kodifikation Jahrzehnte vorauseilten. Gleiches gilt etwas weniger für die portugiesische Rechtsprechung unter dem alten, aus dem Jahre 1867 stammenden Gesetz.

In Kapitel X (Italien) schilderte ich eine Reihe bemerkenswerter Vertragsauflösungen, bei denen von einem Fehlen des »Vorausgesetzten« bzw. der »eccessiva onerosita« die Rede war. Ich möchte auf das aufsehenerregende Urteil der Cass. v. 23. Januar 1948 verweisen, in dem ein Kaufvertrag wegen Währungsverfalles aufgelöst wurde. Diese Entscheidung war in den fünfziger und sechziger Jahren richtungweisend und hat in den darauffolgenden Jahren zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten erschlossen. So löste z.B. die Cass. vom 17. September 1970 einen Kaufvertrag bezüglich einer Liegenschaft, als sich herausstellte, dass durch den Straßenplan eine Enteignung des Gutes notwendig wird. Cass. 17. Mai 1976 handelte gleichermaßen, als sie einen Tauschvertrag bezüglich eines Geländes aufhob, dessen Bebauung un- 306 möglich geworden war, weil die Provinzialbehörde es als Grünfläche bestimmt hatte.

Die Cass. v. 4. November 1980 zeigte aufs neue, dass Inflation ein Grund zu der Annahme sein kann, dass eine unveränderte Vertragserfüllung ein besonderes Maß von Unzumutbarkeit mit sich bringt. Die jüngste Rechtsprechung der achtziger Jahre schränkt die Tragweite dieses Urteils in zunehmendem Maße ein: Preisschwankungen und Inflation werden als zum Vertragsrisiko gehörend bzw. als vorhersehbarer Umstand verstanden.

Die aufsehenerregendste Entscheidung ist gewiss die der Cass. vom 29. Juni 1981, in welcher der Liefervertrag über petrochemische Produkte nach der Ölkrise 1973 aufgrund außerordentlicher Unzumutbarkeit aufgelöst wurde, und zwar trotz der Tatsache, dass der Vertrag eine ausführliche und detaillierte Anpassungsklausel enthielt. Diese Entscheidung zeigt, dass »das Vorhergesehensein« einer zukünftigen Entwicklung nicht immer eine Anpassung ausschließt. Vgl. das BGH-Urteil hinsichtlich der Roggenklausel von 1981 und dazu diesbezüglich näheres, unten auf S. 313 ff.

Bemerkenswert bleibt die Hartnäckigkeit, mit der die Cass. die Lehre der »presupposizione« handhabt, obwohl sie damit auf heftige Kritik der Literatur stößt. Als offenbarer Beweis für die Anwendung sowohl der »onerositä« als auch der »presupposizione«, wurde das Urteil vom 11. November 1986 erörtert.

Weitreichende Vertragsauflösungen sind auch in Portugal durchgeführt worden, siehe Kapitel XI.

Der STJ v. 17. März 1972 löste den Verkauf von Grundstücken in Lissabon auf, als der Gemeinderat die Bebauung nachträglich unmöglich machte und für die Käufer ein beträchtlicher Verlust drohte.

Die Entscheidung des STJ v. 15. April 1975 ist von großer Bedeutung. Jedoch nicht so sehr, weil die Entscheidung die erste Auflösung nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes enthält, sondern vielmehr, weil hier eine an den Wert des Goldes geknüpfte vertragliche Anpassungsklausel beiseite geschoben wurde mit der Begründung, dass der Wert des Goldes viel schneller gestiegen sei als die Kosten für den Lebensunterhalt. Dass der Schuldner einen erheblichen Nachteil erleiden würde, wenn auf der vertraglichen Anpassungsklausel beharrt werden würde, war klar.

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Bei den Urteilen des STJ v. 6. April 1978 und v. 12. März 1981 war die gleiche Gesetzesänderung bezüglich der Aussetzung des Abbruchrechts von Liegenschaften ein ausreichender Grund zur Annahme, dass ein Kaufvertrag mit dem Zweck, Immobilien abzubrechen, wieder aufzubauen und weiterzuverkaufen, aufgelöst werden konnte. Die nach dem Kauf erlassene neue Gesetzgebung verursachte eine erhebliche Wertminderung der Gebäude.

Vielleicht ging der STJ in seiner Entscheidung v. 20. Januar 1977 zu weit. Soll ein Kaufvertrag über Konservendosen aufgelöst werden, wenn der Käufer durch Umstände, die außerhalb seiner Schuld liegen, keine Fische geliefert bekommt, mit denen er die Konservendosen zu füllen beabsichtigte? Der STJ bejahte dies. Ich hege Zweifel.

Schwerer einzuschätzen ist die Ablehnung der Berufung auf die "Änderung der Umstände", welche durch die Revolution von 1974 verursacht worden war. Während zahlreiche andere Umbrüche als ausreichend erachtet wurden, um das Vertragsband aufzulösen, hatte der STJ die Revolution von 1974 als nicht ausreichend annehmen wollen. Ich weise nochmals darauf hin, dass die Benachteiligten der Revolution wahrscheinlich wenig Respekt verdienen: es handelte sich um Spekulanten, die sich haben bereichern wollen und die stattdessen ihr »Fett weg« bekamen.

Dass der STJ v. 10. Oktober 1984 die Ölkrise als einen unvorhersehbaren Umstand ansah, erweckt kein Erstaunen. Dennoch ist die Entscheidung erwähnenswert, weil der Anpassungsgegenstand ein Werkvertrag mit einem im voraus festgesetzten Preis war und damit eine Rechtsfrage stellte, die ohne eine ausdrücklich kodifizierte gesetzliche Bestimmung viele Richter zu verschiedenen Urteilen kommen ließ.

Eine neue Entscheidung des STJ v. 13. Februar 1986 ist durchweg spektakulär! Nirgends sonst gibt es ein Urteil, in dem der Richter ein Risikogeschäft wegen der »Änderung der Umstände« anpasst. Sogar das italienische Gesetzbuch schließt diese Form des Rechtsgeschäftes in Art. 1469 ausdrücklich aus.

Man kann feststellen, dass auch Portugal eine Reihe von Möglichkeiten bietet, den Vertrag wegen nach Vertragsschluss eingetretener besonderer Leistungserschwerung aufzulösen.

Referring Principles
A project of CENTRAL, University of Cologne.