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Schmitz, Stephan, Allgemeine Rechtsgrundsätze in der Rechtsprechung des Iran-United States Claims Tribunal, Frankfurt a.M., Berlin, Bern 1992

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Schmitz, Stephan, Allgemeine Rechtsgrundsätze in der Rechtsprechung des Iran-United States Claims Tribunal, Frankfurt a.M., Berlin, Bern 1992
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Table of Contents
Content

1. KAPITEL: DAS ANWENDBARE RECHT

[...]

B. Die Praxis des Tribunal

[...]

II. Rechtswahl durch die Parteien

[...]

3. Überprüfung der vom Tribunal erlassenen Urteile

[...]

66

[...]

Dogmatisch wenig überzeugend ist die Frage der Zinszahlung im Atomic Energy Fall165 gelöst. Ohne Begründung, nur unter Hinweis auf seine bisherige Praxis, hat das Tribunal die USA trotz entgegenstehendem Ver- 67 bot im gewählten amerikanischen Bundesrecht zur Zahlung von Zinsen verurteilt. Welcher Rechtsgedanke dieser Entscheidung zugrunde liegt, läßt sich lediglich vermuten. Selbst wenn das Ergebnis im konkreten Fall gerechtfertigt wäre, käme sie als Präzedenzfall nicht in Betracht.

Schwieriger ist die Bewertung im Fall Reynolds Tobacco166 , wo unter Hinweis auf einen internationalen Grundsatz167 und Präzedenzfälle dem Kläger der vereinbarte Zinseszins nicht gewährt wurde.

Das Tribunal folgt damit der internationalen Schiedsgerichtspraxis, die sich bisher mit nur sehr wenigen Ausnahmen168 grundsätzlich gegen die Gewährung von Zinseszinsen ausgesprochen hat.

Andererseits wird jedoch am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland169 und der Schiedsordnung des London Court of International Arbitration170 deutlich, daß dieser Grundsatz auch Ausnahmen kennt und durch anhaltende internationale Kritik zunehmend an Einfluß ver- 68 liert171 .

Auch das Tribunal selbst ist sich der Allgemeingültigkeit des Zinseszinsverbotes nicht sicher. In der Entscheidung McCollough & Co., Inc. Ministry of Post172 stellt es gerade auch im Hinblick auf die Zinseszinsproblematik fest:

"Most awards allocate only simple interest, but occasionally compound interest has been awarded and sometimes a percentage is added to the interest in consideration of the rate of Inflation. lt ls difficult to draw any distinct conclusions from so diverse a practice. The Tribunal can conclude, however, that no uniform rule of law relating to interest has emerged from the practice in transnational arbitration, ...."173

In einem Sondervotum174 zur Entscheidung Starret Housing Corporation v. Iran175 zeigt der amerikanische Richter Holtzmann am Beispiel der amerikanischen Klägerin die wirtschaftliche und damit auch rechtliche176 Notwendigkeit der Zuerkennung von Zinseszinsen auf. Ein Kläger, der sein Geschäft auf der Basis von Krediten finanziere und wie altgemein üblich177 , Zinseszinsen zu bezahlen habe, sei nur dann voll 69 entschädigt, wenn der Beklagte auch zur Zahlung von Zinseszinsen verurteilt werde178 .

Der in dieser Kritik zum Ausdruck kommende Gedanke ausreichender Kompensation liegt auch einer anderen Einschränkung des Zinseszinsverbotes zugrunde, nämlich der Möglichkeit, Zinseszinsen in Form von Schadensersatz zu erhalten179 .

So ist es dem Gläubiger einer Zinsforderung nach deutschem Recht (§ 289 S. 2 BGB) erlaubt, Verzugszinsen zu beanspruchen, falls er nachweist, daß er infolge des Schuldnerverzuges selbst entsprechende Bankzinsen hat zahlen müssen oder daß er die Zinsen zu einem bestimmten Zinssatz hätte anlegen können180 . Nach Art. 74 des UN-Kaufrechtsübereinkommens hat der Verkäufer über den vermuteten Zinsschaden des Art. 78 hinaus auch Anspruch auf Ersatz des vorhersehbaren weitergehenden Zinsschadens. Dieser kann daraus entstehen, daß der Verkäufer den Kaufpreis nicht gewinnbringend anlegen konnte oder daß er als Folge der Nichtzahlung Kredit aufnehmen mußte181 .

70

Neben dem entscheidenden Aspekt ausreichender Kompensation spricht auch folgende Überlegung für eine an Marktbedingungen orientierte Zinsbemessung: Die Beklagten verfolgen häufig das Ziel, das Verfahren durch prozeßtaktische Manöver hinauszuzögern, um den Kläger auf einen für den Beklagten vorteilhaften Vergleich "einzustimmen"182 . Muß der Beklagte für den Fall späterer Verurteilung lediglich Zinsraten unterhalb des marktüblichen Niveaus befürchten, trägt er wegen eigener Anlagemöglichkeiten kein Verzögerungsrisiko, sondern kann im Gegenteil mit Gewinn rechnen. Er erhält damit einen zusätzlichen Anreiz, das Verfahren zu behindern. Ist er hingegen der Gefahr ausgesetzt, den vom Kläger zu entrichtenden Kreditzins auszugleichen, ist es in seinem eigenen Interesse, das Verfahren so schnell wie möglich abzuschließen, da der von ihm zu erzielende Anlagezins i.d.R. geringer sein dürfte als der später zu erstattende Kreditzins. Hat der Beklagte mangels Kreditaufnahme des Klägers nur den Anlageschaden zu ersetzen, macht sich für ihn wegen fehlender Gewinnerwartung eine Verzögerung wenigstens nicht zusätzlich bezahlt.

Vor dem Hintergrund dieser Kritik und in Anbetracht der Tatsache, daß der dem Gläubiger entstandene Zinseszinsschaden häufig doch in Form von Schadensersatz erstattet wird, ,kann das Zinseszinsverbot heutzutage183 wohl nicht mehr als grundlegender allgemeiner Rechtsgrundsatz mit der besonderen Bedeutung als Bestandteil eines transnationalen ordre public angesehen werden184 . Unter normalen Umständen wäre 71 die Entscheidung daher insoweit nicht zu rechtfertigen.

Die besondere Situation des Tribunal185 , seine ihm durch Art. V CSD eingeräumte Möglichkeit, von der Rechtswahl der Parteien abzuweichen und die weitere Argumentation hinsichtlich der Zweideutigkeit der vereinbarten Zinsklausel186 machen die Entscheidung jedoch vertretbar. Als möglicher Präzedenzfall scheidet sie jedoch gerade wegen dieser besonderen Bedingungen aus.

[...]

2. KAPITEL: EINE AUSWAHL DER VOM TRIBUNAL ANGEWANDTEN ALLGEMEINEN RECHTSGRUNDSÄTZE

[...]

A. Nachträgliche Leistungshindernisse und Entlastungsgründe

[...]

I. Überblick über das deutsche, französische (iranische), englische und amerikanische Recht

[...]

4. Die internationale Vertragspraxis

[...]

139

[...]

b) "Hardship" Klauseln
aa) Voraussetzungen

Selbständige "hardship" Klauseln finden zunehmend Eingang in die internationale Vertragspraxis155 . Neuere Empfehlungen internationaler Organisationen sprechen sich ausdrücklich für eine deutliche Trennung zu den "force majeure" oder "exemption clauses" aus156 . Eine klarstellende Definition und Abgrenzung enthält der UNCITRAL Legal Guide:

"1. The term "hardship"... means a change in economic, financial, legal or technical factors that causes serious adverse economic consequences to a contracting party, thereby rendering more difficult the performance of his contractual obligations...

2. Hardship clauses are to be distinguished from exemption clauses .... A hardship clause as conceived in the Guide would apply when a change of circumstances makes the performance of a party's obligations more onerous, but does not prevent that performance. An exemption clause as conceived in this Guide would apply only when a change of circumstances prevents performance..."157 .

Entscheidend ist danach, daß durch die Ereignisse die Ausgewogenheit des Vertrages grundlegend geändert wird und dadurch für die sich auf die Klausel berufende Partei eine übermäßige wirtschaftliche Belastung bei der Erfüllung ihrer Vertragspflichten entsteht158 . Die Betonung liegt dabei eindeutig auf den wirtschaftlichen Auswirkungen, nicht auf den sie verursachenden Umständen. Damit sich eine Partei nicht schon bei der 140 Verwirklichung eines bloßen Geschäftsrisikos auf "hardship" berufen kann, wird empfohlen, die Schwere der wirtschaftlichen Konsequenzen in einer allgemeinen Formel zu definieren159 oder besser, prozentual zu bestimmen, wann, gemessen am Preis, Kostensteigerungen den Grad von "hardship" erreichen160 . Eine andere Möglichkeit der Präzisierung ist das Anfügen einer Liste von "hardship"-Situationen. Der UNCITRAL Legal Guide nennt beispielhaft schwerwiegende Fehlentscheidungen des von den Parteien vorausgesehenen Marktes oder einen deutlichen Preisanstieg für Rohstoffe mit entsprechenden Einbußen beim Verkauf der Fertigprodukte161 . Im Einzelfall dürfte es aber sehr schwierig sein, Ereignisse, mit denen man nicht rechnet, auf diese Weise zu bestimmen. Eine für alle Fälle konkretisierte Trennlinie zwischen "hardship" auf der einen und allgemeinem Geschäftsrisiko auf der anderen Seite dürfte wohl kaum zu finden sein. Nicht zuletzt deshalb hat die Internationale Handelskammer bewußt auf eine "hardship"-Standardklausel verzichtet und statt dessen lediglich Entwurfsvorschläge in ihre Empfehlungen aufgenommen.

Weitere Voraussetzungen in "hardship" Klauseln sind teilweise die Unvorhersehbarkeit162 und Unbeherrschbarkeit163 der Änderung der Umstände für die Parteien. Nach den Erläuterungen der Internationalen Handelskammer zu den Vorschlägen über "hardship" dürfen die Parteien bei Vertragsabschluß nicht mit dem Ereignis gerechnet haben. Es muß aber kein Ereignis sein, daß die Parteien nicht hätten in Betracht ziehen 141 können164 . Mit diesen Einschränkungen soll verhindert werden, daß sich jemand auf Umstände beruft, die er selbst herbeigeführt oder durch entsprechende Vorsorge hätte verhindern können165 .

bb) Rechtsfolgen

Grundlegende Zielrichtung aller "hardship" Klauseln ist es, den Parteien ausreichend Gelegenheit für Verhandlungen und einverständliche Vertragsanpassungen zu geben166 , um die Ausgewogenheit des Vertrages wiederherzustellen. Scheitern diese Bemühungen innerhalb einer bestimmten Frist167 , so wird empfohlen168 , mit Hilfe von dritten Stellen die erforderliche Vertragsanpassung zu erreichen169 . Bei dieser dritten Stelle handelt es sich entweder um ein Gericht, Schiedsgericht oder neuerdings einen sog. "third Party intervener"170 . Letzterer hat weder richterliche noch schiedsrichterliche Kompetenzen. Seine Entscheidung ist kein Urteil über den Vertrag, sondern fließt unmittelbar in den Vertrag 142 ein171 . Die Anpassung des Vertrages erfolgt somit letztlich aus dem Willen der Parteien heraus. Die Parteien können vereinbaren, ob die Entscheidung des Dritten eine Empfehlung172 oder eine bindende Entscheidung173 sein soll174 . Bei ihren Überlegungen, wer als dritte Stelle für die Vertragsanpassung zuständig sein soll, haben die Parteien zu berücksichtigen, daß viele nationale Rechte weder Richter noch Schiedsrichter die Befugnis hierzu einräumen175 . Falls eine Partei um die Anerkennung oder Vollstreckung eines durch Schiedsspruch abgeänderten Vertrages nachsucht, könnte diese nach einem solchen Recht versagt werden. Eine Vertragsänderung durch "hardship Intervention" dürfte hingegen überall dort akzeptiert werden, wo die Parteien einen Dritten mit dem Schließen von Vertragslücken beauftragen dürfen, wie z.B. im englischen Recht176 . Anstelle der Vertragsanpassung durch einen Dritten können die Parteien, falls eigene Verhandlungen fehlgeschlagen sind, auch vereinbaren, den Vertrag aufzulösen177 oder den ursprünglichen Vertrag in Kraft zu lassen178 . Beide Alternativen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß in den Fällen wirtschaftlicher Leistungserschwerung eindeutig das Konzept der Anpassung der Verträge dominiert.

[...]

146

II. Die Rechtsprechung des Tribunal

1. Force Majeure

Das Tribunal hatte sich in einer Vielzahl von Klagen mit den Voraussetzungen und Folgen vertraglicher Nichterfüllung zu beschäftigen. Wie angesichts des revolutionären Umschwungs im Iran nicht anders zu erwarten war, beriefen sich die Parteien dabei sehr häufig auf "force majeure" als Befreiungsgrund. Entsprechend der zwischen Iranern und Amerikanern vorherrschenden Vertragskonstellationen begehrten die Amerikaner regelmäßig Freistellung von der Erbringung der vertragscharakteristischen Leistung, während die Iraner "force majeure" häufig als Grund für die Nichterfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen und vorzeitige Vertragsauflösung anführten.

In nahezu allen Streitigkeiten enthielten die Verträge sog. "force majeure" Klauseln, die in ihrer Präzision und Reichweite allerdings sehr unterschiedlich waren. Soweit möglich versuchte das Tribunal, seine Lösungen den Vertragsbestimmungen selbst zu entnehmen und darauf zu beschränken. Voraussetzungen für die Anwendung der "force majeure" war das Vorhandensein einer entsprechenden Vertragsbestimmung jedoch nicht. Das Tribunal hat diese Rechtsfigur vielmehr als einen allgemeinen Rechtsgrundsatz anerkannt und auch dann zur Falllösung herangezogen, wenn der Vertrag keine entsprechende Vereinbarung enthielt1 oder sich keine der Parteien darauf berufen hatte2 .

147
a) Die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung

Faktische Grundlage für eine Anwendung der "force majeure" ist die Unmöglichkeit der Leistungserbringung durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis.

aa) Art und Schwere des Leistungshindernisses
(1) Revolutionäre Ereignisse

Das Tribunal hat schon sehr früh entschieden und wiederholt bestätigt, daß die im Iran ab Dezember 1978 vorherrschenden revolutionären Bedingungen als "force majeure" anzusehen seien. Dabei hat es die Frage, welche Umstände "force majeure" begründen, sehr weitgehend beantwortet. In der Entscheidung Gould Marketing, Inc. v. Ministry of National Defense erfolgte erstmalig eine Definition des Begriffs der "force majeure" im Zusammenhang mit der Revolution. Ihre spezifischen Auswirkungen auf die Möglichkeit der Leistungserbringung wurden jedoch zunächst auf die größeren Städte beschränkt

"By December 1978, strikes, riots and other civil strife in the course of the Islamic Revolution had created classic force majeure conditions at least in Irans major cities. By "force majeure" we mean social and economic forces beyond the power of the state to control though the exercise of due diligence. Injuries caused by the operation at such forces are therefore not attributable to the state for purposes of its responding for damages. Similarly, as between private parties, one party cannot claim against the other for injuries suffered as a result of delays in or cessation of performance during the time force majeure conditions prevail, unless the existence of the conditions is attributable to the fault of the Respondent party"3 .

Später wurden "force majeure" Bedingungen auch in abgelegeneren und 148 dünn besiedelten Gebieten gegen den Widerspruch der iranischen Schiedsrichter anerkannt. Es erfolgte allerdings der ausdrückliche Hinweis, daß die Zustände in diesen Gebieten nicht dieselben waren, wie in den größeren Städten:

"Considering the evidence as a whole, the Tribunal is convinced that the invocation of force majeure was proper and that the departure of the Tromberg-Carlson personnel from Iran was warranted on the basis of threats and preceived threats to their safety. Although the conditions at these more isolated locations, particularly Chahbahar, were not the same as those in the major cities of Iran, the evidence as a whole clearly establishes that Tromberg-Carlson's apprehension for the personal safety of its employers was real and understandable. The Tribunal, therefore, holds that Contract No. 105 was terminated by reason of force majeure..."4

Worin diese Unterschiede qualitativ bestanden, läßt sich den Entscheidungsgründen allerdings nicht entnehmen.

Auch in der Entscheidung Lockheed Corp. v. Iran5 bezog sich das Tribunal in erster Linie auf die allgemeinen revolutionären Ereignisse im Iran und die damit verbundenen Befürchtungen für die Sicherheit des Personals als Grund für die Evakuierung der Angestellten:

"33. Lockheed alleges that during December it became increasingly concerned about the safety of the Bandar Abbas employees and their dependents because of the revolutionary events occur[r]ing in Iran. Although the Tribunal cannot assess the seriousness of the threats and risks that Lockheed alleges its personnel encountered, it is satisfied that these threats, coupled with growing revolutionary violence elsewhere in the country, raised a reasonable perception of danger and directly led the Lockheed program director to evacuate the team from Iran6 .

40. On the basis of the terms of the Contract, the behavior of the Parties, and the other relevant evidence, the Tribunal finds that Lockheed's non-performance of the Contract after its departure from Bandar Abbas on 2 January 1979 was excusable non-performance under Article 11 of the Contract. The threats encountered locally, and the perception of imminent danger due to the upheaval in the country generally were sufficient reasons to justify the evacuation, and thus excuse the delay in the performance of the Contract"7 .

149

Die iranischen Schiedsrichter sahen es in beiden Entscheidungen von Seiten der Kläger als nicht bewiesen an, daß die revolutionären Unruhen auch diese abgelegenen Regionen erfaßt und als Folge die Sicherheit des Personals konkret gefährdet hatten. Die Zustände dort hätten es den Klägern vielmehr erlaubt, den Vertrag fortzusetzen8 .

Die Entscheidungsgründe lassen nicht eindeutig erkennen, ob die Kläger bezogen auf die jeweilige Vertragsverpflichtung9 tatsächlich aktuellen revolutionären Bedingungen ausgesetzt waren. Vielmehr scheint es nach Ansicht der Mehrheit der Schiedsrichter ausreichend zu sein, wenn im Hinblick auch auf entfernter stattfindende Unruhen ein allgemeines Gefühl der Bedrohung vorherrscht. Sicherheitsüberlegungen können deshalb bereits im Vorfeld konkreter Beeinträchtigungen den Abzug von Personal mit seinen Konsequenzen für die Leistungserbringung rechtfertigen. Ein wirkliches Leistungshindernis muß noch nicht vorliegen. Es genügt, wenn nachvollziehbare Gründe eine Gefährdung mit hinreichender Sicherheit in absehbarer Zeit erwarten lassen. Während der Zeit des revolutionären Umbruchs sahen die Richter diese Voraussetzung wohl in allen Teilen des Irans als erfüllt an, ohne daß hierzu detailliertere Ausführungen in den Entscheidungsgründen notwendig erschienen.

Für eine solche Auffassung spricht, daß es im Einzelfall für den Schuldner unzumutbar sein kann, im Anblick von Gefahr solange abzuwarten, bis Menschenleben tatsächlich gefährdet oder vernichtet werden. Bei einer weniger generalisierenden Betrachtungsweise dürfte es darüber 150 hinaus schwierig sein zu bestimmen, wann ein solcher Grad von Gefahr erreicht ist, daß das weitere Verbleiben am Ort und damit die weitere Leistungserfüllung als unmöglich angesehen werden muß.

In der Entscheidung Touche Ross v. Iran10 stellte sich die Frage der "force majeure" nicht im Zusammenhang mit einer direkten Gefährdung eigenen Personals im Iran, sondern mit der Unmöglichkeit, von dem iranischen Vertragspartner die zur Leistungserbringung notwendigen Informationen zu erhalten. Die Klägerin, eine amerikanische Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, hatte mit der iranischen Luftwaffe einen Vertrag geschlossen, in dem sie sich verpflichtete, Prüfungsaufgaben im Rahmen des sog. IBEX Projektes zu übernehmen. Nahezu sämtliche Arbeiten mußten in den USA ausgeführt werden, um die erforderlichen Unterlagen und Informationen der am IBEX Projekt beteiligten amerikanischen Firmen prüfen zu können. Mit Beginn der Revolution wurde es immer schwieriger, die für die Arbeiten notwendigen Anweisungen von der iranischen Regierung zu erhalten. Anfang 1979 war die weitere Vertragsausführung nicht mehr möglich, da ein zuständiger Ansprechpartner für die notwendigen Instruktionen nicht mehr zur Verfügung stand. Das Tribunal sah die Klägerin daraufhin als berechtigt an, den Vertrag entsprechend einer "force majeure" Klausel zu kündigen. Gleichzeitig wurde der von der iranischen Seite erhobene Vorwurf des Vertragsbruches zurückgewiesen11 .

Eine Befreiung von der Leistungsverpflichtung wird somit nicht nur in den Fällen anerkannt, in denen eine Partei unmittelbar und direkt von den Auswirkungen der "force majeure" getroffen wird, sondern auch dann, wenn indirekt über dritte Personen, die ihrerseits "force majeure" begründenden Ereignissen ausgesetzt sind, die Erfüllung eingegangener Leistungsverpflichtung unmöglich wird.

151
(2) Sonstige Ereignisse

Der Einwand der "force majeure" ist nicht nur im Zusammenhang mit der iranischen Revolution sondern auch im Hinblick auf amerikanische Exportverbote und andere Ereignisse erhoben worden.

In den Entscheidungen Gould Marketing, Inc. v. Ministry of Defense12 und Avco Corp. v. Iran13 entschuldigten die amerikanischen Parteien die unterlassene Rücksendung von militärisch sensiblen Gütern, die ihnen von den Iranern zur Reparatur überlassen worden waren, mit dem Hinweis auf entgegenstehende Exportbestimmungen der amerikanischen Regierung. Das Tribunal erkannte in beiden Fällen auf "force majeure"14 und befreite die amerikanischen Unternehmen von ihrer Rücksendungspflicht mit der Folge, daß sie keinen Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten hatten'15 .

152

Um eine vergleichbare Situation ging es im Fall Teichmann, Inc. v. Hamadan Glass Co.'16 . Auch hier war die Klägerin nicht in der Lage gewesen, bestimmte Güter an die Beklagte zu liefern. Im Unterschied zu den beiden vorher besprochenen Entscheidungen handelte es sich diesmal jedoch nicht um mit einem Exportverbot belegte militärisch nutzbare Ware, sondern um Lieferungen im Zusammenhang mit der Errichtung einer Glasfabrik, und Ursache für die unterlassene Versendung war hier die Unmöglichkeit

"to load them on board ship as the state of congestion in the ports of Iran at that time was such that cargo destined for Iran was not being accepted"17 .

Das Tribunal betrachtete diesen Zustand als "force majeure" und erklärte den von Teichmann durchgeführten Deckungsverkauf für gerechtfertigt18 .

Die leistungsbefreiende Wirkung der "force majeure" wurde auch für Zustände vor der Revolution bemüht. Im Fall Blount Brothers Corp. v. Iran19 kam es infolge einer dramatischen Zunahme der Bautätigkeit zu einer allgemeinen Verknappung von Zement. Die iranische Regierung sah 153 sich deshalb gezwungen, einen Verteilungsplan aufzustellen, der den Bedarf jedoch bei weitem nicht befriedigen konnte und sogar zu einem teilweisen Stillstand der Bautätigkeit führte. Die amerikanische Vertragspartei verlangte daraufhin die durch die Verzögerung des Projekts entstandenen zusätzlichen Kosten ersetzt. Das Tribunal erkannte,

"that the shortage of cement in Iran at that time presents all the classic features of a case of force majeure20 .... for which INC should not be held responsible".21 .

Mit der Frage, ob auch ein Arbeitsstreik "force majeure" begründet, hatte sich das Tribunal im Fall Sedco, Inc. v. NIOC22 zu befassen. Eine Tochtergesellschaft der Klägerin (SEDIRAN) mußte wegen eines Streiks zwei von ihr betriebene Ölplattformen in der Zeit vom 7. November bis 1. Dezember 1978 stilllegen und verlangte von der Beklagten für diesen Zeitraum eine sog. "force majeure with crew rate". Die Beklagte widersetzte sich diesem Anspruch mit dem Argument, SEDIRAN habe den Streik verursacht, da sie "contrary to other contractors refrained from increasing (workers) wages"23 . Das Tribunal folgte diesem Einwand nicht und erkannte statt dessen, daß

"the strike by SEDIRAN's workers is a classic situation calling for force majeure rates. It is unreasonable for NIOC to blame SEDIRAN for the strike by stating that it refused to increase the workers' wages. Therefore the Tribunal determines that SEDlRAN properly billed at the force majeure with crew rate during the strike period, and finds the full amount invoked for strike time to be payable"24 .

(bb) Der zeitliche Rahmen

Entsprechend der spezifischen Situation im Iran hat das Tribunal die "force majeure" nur für eine begrenzte Dauer anerkannt. Der Zeitraum 154 während der Revolution Anfang Dezember 197825 bis 15. Februar 1979, an diesem Tag wurde die Islamische Republik Iran proklamiert, wird in allen einschlägigen Entscheidungen grundsätzlich bestätigt. Nach der eigentlichen Revolutionsphase orientiert sich die Festlegung nach dem erstmalig in der Entscheidung Sylvania Technical Systems, Inc. v. Iran26 aufgestellten Grundsatz, daß:

"(t)he invocation of force majeure as an excuse for failure to perform under a contract must always be analyzed in the context of the circumstances causing the force majeure, taking into account the particular party affected by those circumstances and the specific obligations that party is prevented from performing"27 .

Das Tribunal selbst bezweifelte, daß auf dieser Grundlage eine allgemeine Festlegung der Fortdauer der "force majeure" möglich sei28 . Entsprechend unterschiedlich fielen die Ergebnisse über die Fortdauer der "force majeure" aus.

Deutlich wird die durch die betroffene Partei und spezifische Vertrags- 155 pflicht hervorgerufene Unterschiedlichkeit der Bewertung in folgenden, beispielhaft angeführten Fällen:

In Sylvania und Questech war die iranische Beklagte jeweils ihrer vertraglichen Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen. Die 1. Kammer widersprach der Behauptung der Beklagten, die "force majeure" Bedingungen hätten bis zum 16. Juli 1979 und darüber hinaus angehalten und entschied stattdessen:

"that there is insufficient proof in this case to support the Respondent's contention that conditions over which it had no control continued to and beyond 15 July 1979 and still prevent it even from making contractual payments and releasing letters of credit"29 .

Anders im Fall Touche Ross v. Iran30 . Hier sah es die 1. Kammer als erwiesen an, daß die amerikanische Klägerin an der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung (Prüfungsaufgaben) durch "force majeure" wenigstens bis zum 17. Juli 1979 gehindert war31 .

Hing die Vertragserfüllung von der Anwesenheit amerikanischen Personals im Iran ab, war die amerikanische Partei wenigstens bis zum 31. Mai 1979 von ihrer Leistungsverpflichtung befreit32 .

Der Grund für das Ende der "force majeure" ist wohl darin zu sehen, daß sich die Zustände nach dem 15. Februar 1979 allmählich besserten33  und die islamische Regierung zunehmend an politischem und administra- 156 tivem Einfluß gewann34 . Zumindest an der Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen war sie nicht mehr aufgrund außerhalb ihrer Kontrolle liegender Ereignisse gehindert35 .

b) Vorhersehbarkeit, Beherrschbarkeit, Schuld

Die Partei, die sich auf "force majeure" beruft, wird nach allgemeiner Auffassung nur dann von ihrer Leistungspflicht befreit, wenn die Nichterfüllung auf Umständen beruht, die außerhalb ihres Einflußbereichs liegen und nicht vorhersehbar waren. Sie darf keine Schuld am Eintritt des "supervening event" treffen. In den meisten Schiedssprüchen, die 157 sich mit "force majeure" beschäftigen, sind diese Voraussetzungen nicht erwähnt bzw. näher untersucht worden. Dies läßt den Schluß zu, daß sie in der Regel als ohne weiteres erfüllt angesehen wurden36 . Die in der Entscheidung Gould Marketing37 entwickelte und häufig zitierte Definition des Begriffs "force majeure" enthält und beschreibt kurz die einzelnen Voraussetzungen. Eine Subsumtion erfolgte, was die hier interessierenden Grundlagen angeht, jedoch nur ausnahmsweise.

Von zentraler Bedeutung waren die Kriterien Vorhersehbarkeit und Beherrschbarkeit in der Entscheidung Queens Office Tower Associates v. Iran Air38 . Die Beklagte, ein iranisches Staatsunternehmen, hatte am 1. August 1979 von der Klägerin Büroräume in New York gemietet. Der Mietvertrag sollte am 24. November 1979 in Kraft treten. Infolge der Botschaftsbesetzung erließ der amerikanische Präsident nacheinander 3 "Executive Orders" INo. 12170, 12205, 12211 - sog. Asset Regulations), die es Iran Air unmöglich machten, weiterhin geschäftlich in den USA tätig zu sein. Iran Air weigerte sich daraufhin, wegen "frustration of the lease" den Mietzins für die bis zum 30.6.1980 in ihrem Besitz befindlichen Büroräume zu zahlen. Aufgabe der Kammer war es, auf der Grundlage des Rechts von New York zu bestimmen,

"whether the purpose of the lease was frustrated or its Performance made impossible by the Asset Regulations"39 .

.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Beklagte als Staatsunternehmen "frustration and impossibility" einwenden konnte, weil es sich bei den amerikanischen Maßnahmen um eine Reaktion auf die Geiselnahme handelte und deshalb nach Ansicht der Kläger

"the supervening events were attributable to the fault of the Party alleging frustration"40 .

158

Das Tribunal ging auf das Problem des funktionellen Durchgriffs41 , d.h. ob das Staatsunternehmen mit dem dahinterstehenden Staat gleichgesetzt werden darf, nicht ein, sondern stellte allein auf die Verursachung der "frustration" ab. Nicht die Geiselnahme sondern die Gegenmaßnahmen der amerikanischen Regierung als souveräner politischer Akt habe die Durchführung des Mietverhältnisses wegen Fortfall des Zwecks unmöglich gemacht42 . Lag somit die unmittelbare Ursache für die Vertragsstörung bei den USA und nicht beim Iran, erübrigte sich die Beantwortung der Frage, ob Iran Air sich die Geiselnahme zurechnen lassen mußte.

Bei der Frage nach der Vorhersehbarkeit kam das Tribunal zu dem Schluß, daß weder die amerikanischen Eigentümer des Bürogebäudes noch die im Eigentum Irans stehende Iran National Airlines Corporation die Verschlechterung der amerikanisch-iranischen Beziehungen in Folge der Geiselnahme hätten vorhersehen können43 .

Deutliche Kritik erfuhr diese Argumentation von dem amerikanischen 159 Richter Holtzmann. In seiner "dissenting opinion"44 wiederholte er zunächst die bereits von den Klägern vertretene Auffassung,

"that the fault Iran's illegal act in holding the hostages in Tehran was the root cause of the difficulties that its national airline encountered in conducting operations in New York"45 .

Der eigentliche Fehler der Mehrheitsentscheidung liege aber darin, nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt zu haben,

"that under international law the hostage-taking was illegal whereas the economic countermeasures were entirely legitimate"46 .

Als reines Staatsunternehmen könne sich Iran Air auch nicht der Verantwortung für die Konsequenzen aus der Geiselnahme entziehen. Es sei daher nicht berechtigt gewesen, die, "doctrine of frustration" einzuwenden.

Gelegentlich hat das Tribunal ausdrücklich bestätigt, daß das jeweilige Leistungshindernis "beyond the control" der Parteien war, auch wenn die iranische Regierung oder ein von ihr kontrolliertes Unternehmen Vertragspartner war47 . In der Entscheidung Houston Contracting Co. v. NIOC wurde zusätzlich noch die Unvorhersehbarkeit des Ereignisses für beide Parteien erwähnt48 .

Die staatliche Vertragspartei wurde allerdings dann nicht von ihrer Vertragsverpflichtung befreit, wenn das Tribunal die Vertragsauflösung 160 für eine politische Entscheidung hielt, da es hier an der Voraussetzung "beyond the control" fehle49 . Nach der Besetzung der amerikanischen Botschaft wurde der "force majeure" Einwand nicht mehr akzeptiert, wenn dieses Ereignis als Ursache für die Leistungsverhinderung auf iranischer Seite festgestellt wurde:

"Also, in this case the Tribunal determines that the risks for American citizens connected with the situation which started in November 1979 could not be characterized as force majeure in the sense of events excusing both Parties, as was the case in December 1978, but gave Claimants a valid reason not to perform despite AFIRI's above-mentioned letter. In the new situation AFIRI (Air Force of the Islamic Republic of Iran, d. Verf), on the other hand, was precluded from invoking force majeure in its contractual relationship with ITP Export"50 .

Da sich auf "force majeure" nur derjenige erfolgreich berufen kann, für den das Ereignis nicht beherrschbar ist, bringt das Tribunal durch diese Differenzierung zum Ausdruck, daß die Verantwortung für die Geiselkrise bei der iranischen Regierung lag.

War die Geiselkrise nach Auffassung des Tribunals nicht Ursache für die konkrete Leistungsverhinderung, bleibt der Einwand für die iranische Partei auch nach dem 4. November 1979 erfolgreich.

161

Insgesamt deuten die Feststellungen des Tribunal darauf hin, daß sich eine Regierung, die aus einer erfolgreichen Revolutionsbewegung hervorgegangen ist, solche Vertragsunterbrechungen und -auflösungen nicht zurechnen lassen muß, die ihren Grund in den Zuständen des revolutionären Umschwungs haben. Für die erfolgreichen Revolutionäre sind die Konsequenzen der Revolution auf vertragliche Beziehungen danach ebenso unvorhersehbar und unkontrollierbar wie für die andere Partei, die zu den revolutionären Bedingungen nichts beigetragen hat51 . Eine Begründung für diese Gleichstellung läßt sich den Entscheidungen leider nicht ausdrücklich entnehmen.

Von Bedeutung dürfte jedoch sein, daß sich in den besprochenen vertragsrechtlichen Fällen, anders als z.B. bei Enteignungen oder bei der Geiselnahme, kein den Revolutionären konkret zurechenbares Handeln feststellen ließ, das unmittelbar auf die Vertragsbeziehungen gerichtet war. Die Vertragsstörungen waren vielmehr eine allgemeine Konsequenz von Umständen, die zwar ihren Ursprung in der Revolution hatten, in der weiteren Folge jedoch eine Eigendynamik entwickelten, so daß sie von den Revolutionären weder vorhergesehen noch beherrscht werden konnten.

c) Zurechenbarkeit von Hoheitsakten

Mit der Frage der Zurechenbarkeit von Hoheitsakten beschäftigte sich das Tribunal im Fall Blount Brothers, Corp. v. Iran52 . Zu entscheiden war, ob die unter der Kontrolle des Staates stehende iranische Vertragspartei für eine von der Regierung gesteuerte Zementverknappung, die als "force majeure" angesehen wurde, verantwortlich gemacht werden konnte. Ausgehend von dem Grundsatz,

"that the separation between a state enterprise and the state itself should be respected, with the result that acts of public

162

authority by the state may operate as force majeure and excuse the state enterprise from liability. In examining the facts in any given case to determine whether they do, the state enterprise generally must be neither privileged nor discriminated against in comparison with the private enterprise"53 .

erkannte das Tribunal die unter der Regie der Regierung erfolgte Zementverteilung mit der Folge der drastischen Verknappung im konkreten Fall als

"a response to a widespread Problem of general application, and that IHC was only one of a number of enterprises affected by them. The Tribunal therefore accepts the cement shortage as a circumstance of force majeure and one for which IHC should not be held responsible."54 .

Das Tribunal folgt damit weitgehend der von Böckstiegel entwickelten funktionellen Lehre vom "Durchgriff kraft Einflußphäre55 .
d) Rechtsfolgen

Während das Tribunal die revolutionären Bedingungen im Iran für einen begrenzten Zeitraum durchweg als "force majeure" anerkannte, war die Rechtsprechung hinsichtlich der Rechtsfolgen weniger einheitlich.

(aa) Auswirkungen auf den Vertrag

In Betracht kommen grundsätzlich zwei Alternativen mit unterschiedlichen Konsequenzen für die Parteien. Entweder wird die Vertragsabwick- 163 lung für den Zeitraum des Vorliegens der "force majeure" Bedingungen nur suspendiert oder die "force majeure" führt zur Auflösung des Vertrages. Relevant werden diese unterschiedlichen Auswirkungen auf den Vertrag insbesondere dann, wenn nach Beendigung der die "force-majeure" auslösenden Bedingungen die Vertragserfüllung nicht fortgesetzt wird. Wurde der Vertrag nur unterbrochen und liegen keine sonstigen Gründe für seine Auflösung vor, wie z.B. eine Vereinbarung über die Vertragsbeendigung, begeht die vertragsuntreue Partei einen Vertragsbruch. Führt hingegen die "force majeure" allein schon zum Ende des Vertrages, ist ein Vertragsbruch mit seinen Haftungskonsequenzen ausgeschlossen.

Das Tribunal folgt grundsätzlich der Suspendierungsalternative, hält eine Vertragsauflösung aber ausnahmsweise für möglich, wenn die Vertragspartei endgültig oder für lange Zeit an der Vertragserfüllung gehindert ist:

"When there is a situation of force majeure, the performance of contractual obligations will, partially or totally, be suspended. Force majeure also can have the effect of terminating a contract if force majeure renders performance of the contract impossible in a definitive way or for a prolonged period of time"56 .

Die praktische Anwendung dieser Regel führte zu unterschiedlichen Ergebnissen, obwohl die faktische Grundlage - die revolutionären Ereignisse im Iran - in allen Fällen im wesentlichen die gleiche war.

164
(1) Suspendierung des Vertrages

In der Mehrzahl der Fälle war das Tribunal der Auffassung, die "force majeure" Zustände hätten nur einen zeitlich begrenzten Einfluß auf die Vertragsdurchführung. Der Vertrag blieb dann bestehen und nach Ende der "force majeure" Bedingungen, deren Dauer wesentlich von der konkreten Vertragspflicht abhing, lebten die zeitweilig unterbrochenen Rechte und Pflichten des Vertrages wieder auf, wenn der Vertrag nicht bereits vorher gekündigt oder einverständlich aufgehoben worden war.

Beispielhaft57 für diese Betrachtungsweise ist die Sylvania-Entscheidung58 . Beide Parteien waren während des Andauerns der "force majeure" von ihren Leistungspflichten befreit. Die Behauptung der Beklagten, bezüglich ihrer Zahlungsverpflichtung habe die "force majeure" bis Mitte Juli und darüber hinaus angedauert, sah das Tribunal als nicht erwiesen an. Die Beklagte wäre daher nach Ansicht des Tribunals verpflichtet gewesen, ihre Zahlungen wieder aufzunehmen. Durch die "force majeure" wurde jedoch der Beginn des Zahlungsverzuges hinausgeschoben und der Zeitraum für Zinszahlungen entsprechend verkürzt. Daß der Vertrag schließlich doch endete, sei keine Folge der vorangegangenen "force majeure", sondern Ergebnis einer bewußten politischen Entscheidung der iranischen Regierung gewesen, Verträge über die Durchführung von Rüstungsprogrammen zu beenden59 . Folgerichtig wurde der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Vertragsbruch bzw. Erfüllungsverweigerung zuerkannt60 .

165
(2) Auflösung des Vertrages

Vertragsauflösende Wirkung hatte die "force majeure" im Fall Gould Marketing, Inc, v. Ministry of National Defense61 . Nach der Erklärung, daß

"a suspension of both Hoffman's and the Ministry's performance obligations could not continue indefinitely without having some effect an the viability of the contract"62 ,

kam die 2. Kammer zu dem Ergebnis,

"that the continued existence of force majeure conditions had by mid-1979 ripened into a termination of the Hoffman-Ministry contract. Performance had become essentially impossible"63 .

Noch früher, nämlich bereits am 1. Januar 1979, endete der Vertrag durch "force majeure" im Fall International Schools Services, Inc. v. NICIC64 (National Iranian Copper Industries Company). Die Klägerin war vertraglich berechtigt, auf dem Gelände des Beklagten eine Grundschule für die Kinder der amerikanischen Angestellten der Beklagten zu betreiben. Der Vertrag sollte bis zum 1. September 1979 laufen, um dann neu verhandelt zu werden. Aufgrund der revolutionären Ereignisse hatten die Schüler und das Personal Iran bereits eine Woche vor den regulären Weihnachtsferien im Dezember 1978 verlassen. Da sich keine Veränderung der Verhältnisse abzeichnete, kehrten die Kinder und ihre Familien nach Ende der Ferien nicht zurück. Die Klägerin beschloß daraufhin Anfang Januar 1979, die Schule nicht wieder zu eröffnen.

"It was apparent that the children, who presumably were being controlled elsewhere for the balance of the school year, would not be returning before the Contract was scheduled to expire on 1 September 1979. The force majeure situation thus amounted to a frustration of the Contract. In view of the foregoing the

166

Tribunal finds that the Contract was frustrated in early January 1979. Because there is little proof as to the specific date when the Contract came to an end, and for purposes of convenience, the Tribunal determines that such date was 2 January 1979"65 .

Um einen ähnlichen Sachverhalt ging es im Fall International Schools Services, Inc. v. Iran66 . Hier hatte der dem Schulbetrieb zugrundeliegende Vertrag eine Laufzeit bis zum 30. Juni 1979. Nachdem die meisten Schüler im Januar 1979 nicht an die von der Klägerin betriebene Schule zurückgekehrt waren, wurde zunächst versucht, die Tätigkeit auf einem reduzierten Niveau fortzuführen. Da sich die Sicherheitslage zusehends verschlechterte, evakuierte die Klägerin das verbliebene Personal im Februar 1979 auf Anraten der Beklagten. Im Unterschied zu den Parteien sah die 1. Kammer in diesem Verhalten weder ein gegenseitiges, auch nicht stillschweigendes Einverständnis, den Vertrag aufzuheben, noch einen einseitigen Vertragsbruch der Klägerin. Der Vertrag sei vielmehr durch "force majeure" beendet worden. Als Zeitpunkt bestimmte es den 28. Februar 1979, nachdem auch die letzten Angestellten das Land verlassen hatten67 .

Insbesondere die beiden Schulfälle zeigen, daß die "force majeure" bereits nach kurzer Zeit eine Vertragsbeendigung zur Folge haben kann, wenn für die vorgesehene Vertragsdauer ein Aufleben des Vertrages nicht mehr in Betracht kommt. Der Vertrag endet dann mit der endgültigen Einstellung der Vertragsdurchführung.

167

Als Ergebnis wird man festhalten können, daß das Tribunal ein flexibles Instrumentarium hinsichtlich der Auswirkungen der "force majeure" auf den Vertrag entwickelt hat, das im Einzelfall sachgerechte Entscheidungen ermöglicht. Der Suspendierung des Vertrages als Regelfall steht ausnahmsweise die Vertragsbeendigung gegenüber, wenn die Vertragserfüllung endgültig oder für längere Zeit unmöglich ist. Wie die Entscheidung zwischen diesen beiden Alternativen ausfällt, hängt davon ab, welche Partei von der "force majeure" betroffen ist und wie sich die leistungshindernden Umstände auf die jeweilige Vertragsverpflichtung auswirken. Dabei können die Ergebnisse, trotz annähernd gleicher faktischer Grundlage, durchaus unterschiedlich sein.

(3) Kündigung des Vertrages

Es wäre allerdings falsch, wenn der Eindruck entstünde, nach Ende der "force majeure" Bedingungen wären die Vertragsbeziehungen von den Parteien im Falle einer Suspendierung tatsächlich fortgesetzt worden. In Wirklichkeit führten die andauernden Feindseligkeiten zwischen den USA und dem Iran in fast allen Fällen zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung. Sehr häufig enthielten die Verträge Bestimmungen, die es den Parteien erlaubten, im Fall von "force majeure" nach Ablauf einer Frist den Vertrag zu kündigen. Von dieser Möglichkeit machten am häufigsten die amerikanischen Parteien Gebrauch68 , nur selten erfolgte die Auflösung von Seiten der Iraner, wie in den IBEX-Fällen69 oder einverständlich70 . 168 Auffallend ist in diesem Zusammenhang die genaue Analyse der Verträge und die Kontrolle über die Einhaltung des vertraglich vorgeschriebenen Kündigungsverfahrens71 .

Besonders streng waren die Richter im Fall American Bell International, Inc. v. Iran72 . Die Parteien hatten es hier versäumt, entsprechend Art. 18.6 des Vertrages ihre Absicht, den Vertrag zu beenden, mit einer "written notice" bekanntzugeben. Obwohl die Klägerin auf Verlangen der Iraner ihr Personal drastisch verringert hatte, die Parteien nach den Umständen ein Recht zur Auflösung des Vertrages hatten und das gewählte iranische Recht es erlaubte, diese Rechtsfolge aus dem Verhalten der Parteien abzuleiten, sah das Tribunal keinen Anlaß, von den Anforderungen des Vertrages abzuweichen und sein Ende anzuerkennen73 .

In einer anderen Entscheidung wurde allerdings festgestellt, daß die 169 "force majeure" auch die Nichteinhaltung verfahrensmäßiger Vereinbarungen entschuldigen kann74 .

(bb) Die finanziellen Folgen für die Parteien
(1) Grundregel: "The loss must lie where it falls"

Werden die Vertragsbeziehungen durch "force majeure" unterbrochen oder beendet, stellt sich die Frage, wer die finanziellen Auswirkungen zu tragen hat. Existiert keine anderslautende vertragliche Vereinbarung, so lautet die Grundregel, der der Schiedsgerichtshof regelmäßig gefolgt ist: "The loss must lie where ist falls". Danach hat jede Partei die bei ihr anfallenden Verluste selbst zu tragen, ohne sie auf die andere Partei abwälzen zu können. Die erste Erwähnung fand diese Regel in der Entscheidung Queens Office Tower Associates v. Iran Air:

"The Tribunals final task is to determine the rights and liabilities of the parties in light of that discharge. The governing rule is that the loss must "lie where it falls". The apportionment of the loss Is subject generally to the Tribunals equitable discretion, using the contract as a framework and reference point"75 .

Das Tribunal hat sein billiges Ermessen (equitable discretion) hinsichtlich der Verteilung der Kosten nur sehr zögerlich ausgeübt. Wurde der Vertrag infolge von "force majeure" beendet, mußte jede Partei ab dem Zeitpunkt der Vertragsauflösung ihre Verluste selbst tragen.

Wie streng diese zeitliche Trennung gehandhabt wurde, verdeutlichen die beiden International Schools Entscheidungen76 .

170

Nach dem jeweils allein durch "force majeure" bewirkten Ende der Verträge, stellte sich die Frage, ob die Klägerin nur solche Kosten zugesprochen bekommen sollte, die vor dem Vertragsende entstanden waren oder auch solche, die zwar erst später angefallen waren, deren Ursprung und Vereinbarung jedoch in der Zeit vor Vertragsauflösung lagen. Die Mehrheit der 1. Kammer entschied sich jeweils dafür, die zeitliche Grenze der Entschädigung exakt auf das von ihr festgestellte Datum des Vertragsendes festzulegen. Später angefallene Kosten, wie insbesondere die Auslagen für die Rückführung des Personals, wurden der Klägerin nicht erstattet77 .

Der amerikanische Richter Holtzmann kritisierte in beiden Fällen den mangelnden Gebrauch des richterlichen Ermessens zur angemessenen Verteilung der Kosten:

"Unless a contract provides otherwise, termination due to force majeure, frustration or impossibility relieves each party of obligations of future performance, but does not discharge obligations arising from past performance. In the circumstances of this case - in which school staff were brought to Iran with the understanding that transportation costs would be provided for their return home at the end of the school year - the costs of return transportation are directly related to the performance of the contract before its termination. For the contract could not have been performed unless the teachers had come to Iran, and they would not have come unless assured of their transportation home. Thus, the costs of round-trip transportation must be seen as flowing from the inception of performance, not from later 171 events"78 .

Weitere Beispiele für die strikte Einhaltung der Grundregel "the loss must lie where it falls" finden sich in folgenden Entscheidungen:

In Touche Ross v. Iran79 hatte die Klägerin den Vertrag im Juli 1979 wirksam gekündigt. Im August 1979 nahm die Klägerin an Vertragsverhandlungen in Teheran teil. Obwohl sie hierzu von der Beklagten eingeladen worden war, versagte ihr das Tribunal einen Anspruch auf Kostenerstattung80 .

Auch während der durch "force majeure" bedingten Vertragsunterbrechung dominiert das "loss lies where it falls" Prinzip. Obwohl danach grundsätzlich kein Unterschied zur Zeit nach Vertragsende besteht, sollten beide Perioden bei der Vertragsgestaltung auseinandergehalten werden.

Im Fall Phelps Dodge International Corp. v. Iran81 hatten die Parteien vertraglich vorgesehen, Kosten, die nach einer wegen "force majeure" 172 verursachten Vertragsauflösung entstehen, der Beklagten aufzuerlegen. Für die Phase der Vertragsunterbrechung hatten sie hingegen keine Vereinbarung getroffen. Der Klägerin wurden daraufhin die Kosten für die Rückführung des Personals nach Vertragsschluß erstattet, während eine Hotelrechnung aus der Zeit der Vertragssuspendierung nicht ersetzt wurde:

"52. Absent a contractual provision to the contrary, costs incurred as a result of force majeure normally are the responsibility of the party on whom they fall, subject generally to the Tribunals equitable discretion, using the contract as a framework and reference point. Applying this rule, the Tribunal holds that any expenses incurred by Claimant in Bombay while awaiting the termination of force majeure, must be borne by Claimant. However, once such force majeure conditions ripened into the actual termination of the Technical Management Agreement, SICAB became obligated under Section 11 of that Agreement to pay repatriation costs, which necessarily include travel and transportation costs, irrespective of when they were incurred"82 .

Die Entscheidung unterstreicht nachdrücklich die Wichtigkeit vertraglich festzulegen, wer für die finanziellen Konsequenzen der "force majeure" einzustehen hat. Der Vergleich mit den International Schools Fällen, in denen die Parteien die Kostentragungspflicht nicht geregelt hatten, macht deutlich, daß u.a. die Rückführungskosten für Personal ohne eine entsprechende Vereinbarung nicht auf den Auftraggeber abgewälzt werden können.

Eine die Grundregel unterstreichende Differenzierung erfolgte in American Bell International Inc. v. Iran83 . Gegenübergestellt wurden Kosten, die unmittelbar und solche, die mittelbar durch "force majeure" ver- 173 ursacht worden waren. Eine direkte Folge von "force majeure" war nach der Auffassung des Tribunals die Heimkehr von 58 Angestellten der Klägerin. Im Gegensatz zu den übrigen Mitarbeitern, die den Iran bereits vorher auf Anweisung der Beklagten verlassen hatten, waren sie zu diesem Schritt durch die revolutionäre Situation im Iran veranlaßt worden. Mangels anderweitiger vertraglicher Vereinbarung mußte die Klägerin entsprechend der Grundregel sämtliche "termination costs directly attributable to force majeure" selbst tragen84 .

Anders hingegen bei den nur indirekt verursachten Kosten. Indirekt deshalb, weil die "force majeure" nur Verhandlungen über die Kostentragungslast der bereits frühzeitig zurückgekehrten Angestellten verhindert hatte, selbst aber nicht der Grund für diese Maßnahme war. In diesem Fall sah es das Tribunal als seine Aufgabe an, bei der Bestimmung der Rechte und Pflichten der Parteien von seiner "equitable discretion" Gebrauch zu machen85 . Grundlage war die Überlegung, daß die Klägerin im Falle von Verhandlungen

"had a reasonable expectation of regaining the costs either as a global compensation or, in case the work had continued, in the form of correspondingly increased man/month rates .... Thus the Tribunal concludes that according to the general intent and spirit of Contract 138 ABII is entitled to reimbursement of its costs attributable to the force reduction orders86 .

Entsprechend hielt es sich für verpflichtet,

"to reach a result which as closely as possible corresponds to the contractual scheme"87 .

Erreicht wurde dieses Ziel, indem es aus den bestehenden Vertragsbestimmungen ableitete, 174

"what the parties, in the light of their intentions as reflected in the contract, would have agreed upon as to the financial consequences of the force reductions, and what consequently is the reasonable compensation for the costs incurred"88 .

Unabhängig von der Unterscheidung direkt - indirekt ist eine sinnvolle und juristisch nachvollziehbare Ermessensausübung grundsätzlich nur möglich, wenn sich hierfür Anhaltspunkte aus den Vertragsbeziehungen, insbesondere im Vertragstext selbst, ergeben. Lassen sich keine entspechenden Hinweise finden, bleibt dem Schiedsgericht nichts anderes übrig, als die Kosten dort zu belassen, wo sie angefallen sind.

Die Bereitschaft zur Suche als Voraussetzung für eine Ermessensausübung ist allerdings unterschiedlich ausgeprägt, je nach dem welcher Grad von Beziehung zwischen der "force majeure" und den von ihr verursachten Kosten besteht. Liegt wie im Normalfall eine unmittelbare Kausalität vor, werden konkrete, vertragliche Absprachen verlangt. Absichten und Erwartungen, die sich aus den übrigen Vertragsbestimmungen ableiten lassen, genügen nicht. Die auch für diesen Fall reklamierte Ermessensausübung89 wird dann, wie die Rechtsprechung zeigt, kaum praktisch. Will eine Partei das Risiko der Kostentragungslast im Fall von "force majeure" vermeiden, bleibt ihr somit nichts anderes übrig, als einen vertraglichen Ausschluß zu vereinbaren.

175
(2) Vergütung für bereits geleistete Vertragserfüllung

Eine bedeutende Einschränkung des Grundsatzes, jede Partei habe die bei ihr anfallenden Kosten der "force majeure" selbst zu tragen, ist die Verpflichtung, eine bereits erfolgte Vertragserfüllung angemessen anteilig zu vergüten. Nach Auffassung des Tribunal handelt es sich hierbei mit Hinweis auf amerikanische, englische und französische Rechtsquellen um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz90 . Die Vergütungspflicht gilt für alle Leistungen, die bis zum Vertragsende erbracht wurden. Dabei spielt es keine Rolle, wenn die Leistungshandlungen wegen "force majeure" nicht am vereinbarten, sondern an einem anderen geeigneten Ort vorgenommen wurden91 .

Die Beweispflicht für die erbrachte Leistung trägt die Partei, die den Zahlungsanspruch geltend macht92 .

Aufgrund der revolutionären Umstände wird die Einhaltung eines vertraglich vereinbarten Rechnungsprüfungsverfahrens jedoch nicht verlangt93 . Es genügt, wenn 176 "the Claimant substantiates such costs to a reasonable extent and satisfies the Tribunal that it incurred the costs for its performance under the Contract"94 .

Die geforderte Glaubhaftmachung wird erleichtert, indem von dem Zahlungsverpflichteten trotz "force majeure" erwartet wird, eingehende Rechnungen zu überprüfen. Kommt er dieser Obliegenheit nicht nach, so wird zu seinen Lasten die Richtigkeit der Rechnung vermutet95 .

Die Höhe der zu zahlenden Vergütung wird anteilmäßig nach den vertraglichen Vereinbarungen bestimmt. Erstattungsfähig ist ebenfalls der in den Preisen enthaltene Gewinn96 . Wurde ein Gesamtpauschalpreis mit zeitlich festgelegten Ratenzahlungen vereinbart, richtet sich der zu zahlende Betrag nach dem Verhältnis der vereinbarten zur tatsächlichen Lebensdauer des Vertrages. Eine erhöhte erste Rate wird der Klägerin jedoch nicht in vollem Umfang zugesprochen, sondern ebenfalls gleichmäßig auf die Gesamtdauer des Vertrages verteilt. Die Klägerin erhält den Überschußbetrag somit nur in der Höhe, die im Verhältnis der tatsächlichen Dauer des Vertrages entpricht97 .

177
(3) Entgangener Gewinn

Zu unterscheiden ist hier zwischen dem Gewinn, der im Rahmen einer bereits erbrachten Teilleistung angefallen ist und zukünftigem Gewinn, der erst bei einer Fortführung des Vertrages zu erwarten gewesen wäre.

Hat eine Vertragspartei den Vertrag bereits teilweise erfüllt, so steht ihr regelmäßig auch der diesem Teil entsprechende Vertragsgewinn zu98 . Dies gilt selbst dann, wenn in der ersten verwirklichten Phase eines Projektes tatsächlich kein Gewinn angefallen ist. Dies sei, so die 3. Kammer, kein Beweis dafür, daß das Vorhaben als ganzes keinen Gewinn abwerfe. Vielmehr seien

"Start-up and other one-time costs are frequently over-represented in the early stages of a project and expected profits are actually realized at later stages; however, both early costs and later profits are apportioned over the life of the project"99 .

Gehe man deshalb vernünftigerweise von einem Gewinn für das Gesamtprojekt aus, dann folge daraus,

"that some of this profit is attributable to the time before Blount's departure"100 .

Wesentlich zurückhaltender war das Tribunal bei der Frage, ob dem Kläger auch der für die nicht verwirklichte Restdauer des Vertrages 178 erwartete zukünftige Gewinn zugesprochen werden sollte. Ohne die vorzeitige Kündigung des Vertrages, so wurde regelmäßig von Seiten der betroffenen Partei argumentiert, wäre ein bestimmter Gewinn erwirtschaftet worden, der jetzt als Schadensersatz erstattet werden müsse. Enthielt der Vertrag keine Klausel, die auch diesen zukünftigen Gewinn als erstattungsfähig erklärte, stellte das Tribunal maßgeblich darauf ab,

"whether the payment of such profits could have reasonably been expected"101 .

Diese Voraussetzung war nicht erfüllt, wenn die Kündigung des Vertrages nach Belieben ("termination for convenience") möglich war. Der Kläger konnte dann vernünftigerweise nicht erwarten, Gewinn auch für irgendeinen Zeitraum nach der Kündigung zu erhalten102 . Hatte der Kläger den Vertrag entsprechend einer "force majeure" Klausel gar selbst gekündigt, konnte er diese Erwartung noch weniger hegen103 . Rechtfertigte sich die Auflösung des Vertrages hingegen aufgrund von "changed circumstances", wurde ein zukünftiger Gewinn deshalb nicht gewährt, "because that would imply that the Respondent was under an obligation to continue the Contract, which is not the case here, due to the described change of circumstances"104 .

Mit Höhe und Dauer der Zahlung zukünftiger Gewinne setzte sich das Tribunal ausführlich in der Entscheidung Seismograph Service Corpora- 179 tion v. National Iranian Oil Company (NIOC) auseinander105 . Die Parteien hatten im Jahr 1978 für die Zeit vom 1. September 1978 bis 31. August 1980 einen Vertrag über seismographische Arbeiten im südlichen Iran geschlossen. Die amerikanische Partei war berechtigt, im Fall von Zahlungsverzug den Vertrag vorzeitig zu kündigen. Gleichzeitig erhielt sie, ebenso wie bei einer Kündigung ohne Grund seitens des iranischen Partners, einen Anspruch auf Vergütung der bis zur Auflösung des Vertrages erbrachten Leistungen "plus an amount to be agreed by the parties hereto representing (CFPS') reasonable profit"106 .

Aufgrund der revolutionären Unruhen einigten sich die Parteien Ende 1978 auf ein sog. "standby agreement", dementsprechend sich das amerikanische Personal gegen Zahlung der Kosten jederzeit zur Wiederaufnahme der Operationen bereithielt. Da die Iraner dieser Kostenpflicht nicht nachkamen, wurde die Vertragsbeziehung mit Wirkung vom 25. Mai 1979 beendet.

Die amerikanische Klägerin verlangte nun unter Berufung auf die obige Vertragsklausel den "reasonable profit" für die Restlaufzeit des Vertrages. Die Gewinnspanne sollte, orientiert an dem bisher erwirtschafteten Wert, 37% betragen. Das Tribunal widersprach dieser Forderung. Mit der Begründung, "reasonable profit" sei nicht identisch mit "anticipated profit"107 , bestimmte es mangels Einigung der Parteien den Gewinnanteil auf der Grundlage der vorliegenden Fakten mit 10%108 . Die Dau- 180 er der Gewinnzahlung beschränkte es auf die "standby" Periode. Würde auch die übrige Zeit noch mitumfaßt, wäre das Recht der Beklagten, den Vertrag nach Belieben zu kündigen, bedeutungslos109 . Die Klägerin habe sich deshalb auch nicht darauf verlassen können, die Beklagte werde den Vertrag wegen der Gewinnzahlungen für den vorgesehenen Zeitraum erfüllen. Ein solcher Gedankengang sei

"obviously circular" und "an interpretation of a contract provision cannot rely on the expectation that one of the parties will not exercise any of its express contractual rights"110 .

Die restriktive Haltung des Tribunals hinsichtlich der Gewährung eines entgangenen zukünftigen Gewinns angesichts der Schwierigkeit, einen solchen zu quantifizieren, ist nur allzu verständlich. Verschärft wird dieses Problem noch durch die von der Revolution hervorgerufenen Änderungen des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umfeldes, die eine halbwegs zulässige Aussage über die zukünftige Geschäftsentwicklung nicht zuließen.

Relativ einfach war die Lösung dieses Problems nur dann, wenn durch die revolutionären Entwicklungen vorher existierende Markt- und Gewinnchancen völlig weggefallen waren. So wurde beispielsweise im Falle Sola Tiles, Inc. v. Iran111 eine Entschädigung für entgangenen zukünftigen Gewinn abgelehnt, weil das klagende Unternehmen mit Luxuska- 181 cheln handelte, für die wegen der radikalen sozialen Veränderungen kein Markt mehr im Iran zu erwarten war.

Ebenfalls nur schlechte Zukunftsaussichten wurden im Fall Levitt v. Iran112 einem bereits begonnenen Bauvorhaben eingeräumt, da wegen der bevorstehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Revolution die ursprünglichen Zeit- und Kostenpläne mit Sicherheit nicht eingehalten werden konnten. Dem Kläger war es hier nicht gelungen, die Erfolgsaussichten des Projekts mit ausreichender Sicherheit darzulegen113 . Der Anspruch auf Zahlung eines Gewinns in Höhe von 18% wurde deshalb als "highly speculative" zurückgewiesen114 .

Das Stichwort "highly speculative" dürfte auch der Schlüssel zu den übrigen Fällen sein, in denen die Markt- und Gewinnchancen nicht völlig zerstört worden waren. Die vom Tribunal aufgestellte Voraussetzung,

"whether the payment of such profits could have reasonably been expected"115 ,

zielt letztlich darauf ab, spekulative Gewinnansprüche auf ein vernünftiges und nachvollziehbares Maß zurückzuführen. Daß dabei dem Kläger im Regelfall jegliche Gewinnerwartung abgesprochen wurde, ist auf die bereits beschriebene Problematik zurückzuführen. Sicherheit läßt sich insoweit nur durch eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung im Vertrag gewinnen.

2. Changed Circumstances

Die Doktrin der "changed circumstances" hat in der Rechtsprechung des 182 Tribunal nicht die Rolle gespielt, die man im Hinblick auf ihre ausdrückliche Erwähnung in Art. V CSD hätte erwarten können. Ihre erste große Bewährungsprobe hatte sie in den bereits erörterten Fällen mit iranischer Gerichtsstandsklausel zu bestehen116 . Das Tribunal folgte jedoch nicht der Auffassung amerikanischer Kläger, durch die revolutionären Umwälzungen habe sich das iranische Rechts- und Gerichtssystem nachträglich so grundlegend geändert, daß iranische Gerichte nicht mehr als das von den Parteien vereinbarte Forum anzusehen seien, sondern entschied sich für eine restriktive Auslegung des Art. II 1 CSD. Obwohl dieser Lösungsweg in seinen praktischen Auswirkungen der amerikanischen Auffassung sehr nahe kam, da letztlich nur wenige Klagen wegen Unzuständigkeit abgewiesen wurden, war es doch ein Hinweis auf die eher zurückhaltende Einstellung des Tribunal gegenüber dieser Lehre.

Die iranische Seite berief sich mehrfach auf "changed circumstances", um eine vorzeitige Vertragsbeendigung zu rechtfertigen, hatte damit aber nur selten Erfolg.

a) Tatbestand

Am ausführlichsten wurden die Voraussetzungen von "changed circumstances" im Fall Questech, Inc. v. Iran117 behandelt. Er betraf einen Vertrag über einen Teilaspekt des sog. IBEX-Projekts, durch das das militärische Aufklärungssystem der Iraner modernisiert und erweitert werden sollte. Das Tribunal qualifizierte die Doktrin der "changed circumstances" als allgemeinen Rechtsgrundsatz und betrachtete sich durch den ausdrücklichen Wortlaut des Art. V zu seiner Anwendung 183 autorisiert118 . Die vorzeitige Kündigung des Vertrages durch den Iran hielt es auf dieser Rechtsgrundlage für gerechtfertigt, da die politischen Beziehungen zwischen den beiden betroffenen Staaten von enger Zusammenarbeit in offene Konfrontation umgeschlagen waren und die Fortsetzung eines Vertrages über hoch sensitive militärische Güter und Dienstleistungen unter diesen Umständen nicht erwartet werden konnte119 .

Der amerikanische Richter Holtzmann wandte sich gegen die Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre120 . Für ihre Berücksichtigung sei nach übereinstimmender Auffassung in allen Rechtssystemen kein 184 Raum, wenn die Störung von der Partei verursacht wurde, die sich auf den Fortfall der Geschäftsgrundlage beruft121 . Die von der Mehrheit der Richter geltend gemachten Umstände, die zur Erschütterung der Geschäftsgrundlagen geführt hätten, basierten aber sämtlich auf freiwilligen politischen Entscheidungen der iranischen Regierung und seien dieser mithin zuzurechnen. Ein Wechsel der Regierung oder veränderte politische Umstände befreiten einen Staat nicht von seinen einmal eingegangenen Verpflichtungen122 .

Aufgegriffen wurde diese Argumentation in dem Verfahren Phillips Petroleum Co., Iran v. Iran123 . Der präjudizielle Wert dieser Entscheidung dürfte jedoch nur gering sein, da ihr prozessuale und materielle Mängel angelastet werden124 und sie im Rahmen eines "Award on Agreed Terms" auf der Grundlage eines "Settlement Agreement" der 185 Parteien für null und nichtig erklärt wurde125 . Allerdings lassen sich ihr für den hier interessierenden Bereich einige wertvolle Hinweise für die Auslegung früherer Schiedssprüche entnehmen.

So für den Fall Mobil Oil Iran, Inc., et al. v. Iran126 , wo die dritte Kammer die vorzeitige Beendigung eines Vertrages über den Kauf von Öl wegen "changed circumstances" u.a. mit der Begründung ablehnte, daß

"(C)hanges of such a character and magnitude could not be without consequences to the contractual relationship between Iran and the Consortium. By themselves, however, they could not have had any effect an the validity of the Agreement before materializing in specific measures"127 .

Dieses Argument wurde in Phillips Petroleum wiederholt und erklärend hinzugefügt:

"In other words, a revolutionary regime may not simply excuse itself from legal obligations by changing governmental policies, nor take for the public benefit without compensation businesses operated by foreign private persons under the previous regime"128 .

Damit wird klargestellt, daß allein die durch eine Revolution hervorgerufene Änderung der Politik, selbst wenn sie wie im Fall Iran-USA eine deutliche Verschlechterung der geschäftlichen und politischen Beziehungen zur Folge hat, eine vorzeitige Vertragsbeendigung aus den von Holtzmann genannten Gründen nicht rechtfertigt129 .

186

Als weiteren Grund für Ihr Abweichen von der Vorentscheidung Questech verwies die 2. Kammer in Phillips Petroleum auf

"...obvious differences between the cancellation of military intelligence projects of unique political sensitivity and the taking of contract rights involving offshore petroleum fields"130 .

Bereits Holtzmann machte auf diesen besonderen Umstand des Questech-Falles und die daraus resultierende beschränkte Präjudizwirkung dieser Entscheidung aufmerksam131 . Abgestellt wird damit auf das auch im deutschen Recht bekannte Zumutbarkeitskriterium. Danach muß die Störung der Geschäftsgrundlage so erheblich sein, daß der betroffenen Partei ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann. Ob diese Voraussetzung jedoch nur bei der Beschaffung militärischer Güter erfüllt ist, erscheint fraglich.

Gegenstand der Verträge in Mobil Oil und Phillips Petroleum war der Kauf von ÖI bzw. die Erforschung und Ausbeutung von Ölquellen. Die iranische Wirtschaft und damit das Wohlergehen des Landes hängen in 187 erheblichem Maße vom ÖI und seiner Industrie ab132 . Die Geschäfte mit dem ÖI dürften damit politisch von vergleichbarer Wichtigkeit sein wie die durch den Kauf von Rüstungsgütern verkörperten nationalen Sicherheitsinteressen133 . Jedenfalls läßt sich ohne eine ausführliche Analyse nicht begründen, warum in dem einen Fall die Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist, in dem anderen Fall aber nicht.

Auf völkerrechtlicher Ebene wurde die Problematik der "changed circumstances" im Hinblick auf die Anwendbarkeit des "Treaty of Amity" zwischen den USA und Iran diskutiert134 . Hintergrund war die Frage, ob dieser Freundschaftsvertrag für die völkerrechtliche Beurteilung der vom Iran durchgeführten Enteignungen herangezogen werden konnte oder nicht.

Trotz der schwerwiegenden Ereignisse in den Jahren 1978 und 1979, wie insbesondere die Geiselnahme oder das Festfrieren iranischer Konten, ging das Tribunal insgesamt vom Fortbestehen des Vertrages aus, obwohl einzelne Bestimmungen des Vertrages, wie die über konsularische Beziehungen und die Behandlung der Staatsangehörigen des jeweils anderen Landes, nicht mehr durchgesetzt werden konnten135 . Maß- 188 geblich für diese Beurteilung war nach Ansicht des Tribunal, daß die Parteien nichts unternommen hatten, den Vertrag zu suspendieren oder zu beenden136 . Insbesondere die Tatsache, daß der Vertrag nicht gekündigt wurde, nachdem der internationale Gerichtshof im "Case concerning United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran"137 von seiner weiteren Anwendbarkeit ausgegangen war, wertete es als Beweis für den Willen der Parteien, den Vertrag trotz der Einschränkungen aufrechtzuerhalten138 .

b) Rechtsfolgen

Mögliche Rechtsfolge bei Vorliegen von "changed circumstances" sind die Vertragsbeendigung und die Vertragsanpassung. Angesichts der andauernden Feindseligkeiten zwischen den USA und dem Iran, ging es den Parteien so gut wie ausschließlich um eine vorzeitige Vertragsbeendigung. Das Vorliegen von "changed circumstances" führt jedoch nach durchgängiger Rechtsprechung des Tribunals nicht automatisch zum Erlöschen des Vertrages, sondern gibt nur ein Recht auf Kündigung139 .

189

In den meisten Fällen konnte das Tribunal eine Kündigung nicht feststellen, obwohl außer der ausdrücklichen Mitteilung von der Vertragsbeendigung auch ein entsprechendes konkludentes Verhalten als ausreichend angesehen wurde140 .

Das Erfordernis, den Willen zur Vertragsauflösung zum Ausdruck zu bringen, dürfte ein wesentlicher Grund für die geringe Bedeutung der "changed circumstances" Doktrin in der Rechtsprechung des Tribunal sein. Angesichts der besonderen Situation im Iran und entsprechender Vorsorge durch "force majeure" Klauseln in den Verträgen war es einfacher und naheliegender, sich auf "force majeure" anstatt auf "changed circumstances" zu berufen, um das gewünschte Ziel der Suspendierung bzw. Beendigung des Vertrages zu erreichen.

Auf die mögliche Rechtsfolge der Vertragsanpassung, die insbesondere im deutschen Recht und der internationalen Vertragspraxis eine bedeutende Rolle spielt, griff das Tribunal nur einmal, im Fall McCollough & Co., Inc. v. Ministry of Post141 , zurück, um den Kursverfall der 190 iranischen Währung gegenüber dem US-Dollar aufzufangen. Die Parteien hatten vertraglich vereinbart, ein Teil der Zahlungen sollte in iranischen Rial, der andere Teil in amerikanischen Dollar erfolgen. Befriedigt wurde der Schiedsspruch jedoch allein in US-Dollar, da das Sicherheitskonto, das zur Bezahlung von Urteilen des Tribunal gegen Iran dient, nur mit dieser Währung ausgestattet ist142 . Von der Fälligkeit der Forderung bis zur Auszahlung des Betrages durch den "Escrow Agent" war der Wert des Rial von 70.52 auf 80.70 je US-Dollar gefallen. Um dem Kläger nicht allein den Kursverlust aufzubürden, wurde die Forderung in Rial mit Hilfe der Doktrin der "changed circumstances" um 12,5% erhöht143 .

III. Ergebnis

Vergleicht man die untersuchten nationalen Rechte und die Praxis internationaler Wirtschaftsverträge mit der Rechtsprechung des Tribunal, so fällt zunächst die deutliche Dominanz der "force majeure" gegenüber den anderen Konzeptionen aus der Familie der "excuse doctrines" auf. Entlastungsgrundsätze ( "changed circumstances") spielen entweder keine oder nur eine untergeordnete Rolle.

Bei der Prüfung der einzelnen Voraussetzungen der "force majeure" legt das Tribunal den Schwerpunkt eindeutig auf die Frage, ob die Partei, die sich auf "force majeure" beruft, durch die Ereignisse gerade an der Erfüllung dieser spezifischen Leistungsverpflichtung verhindert war. Konnte 191 beispielsweise eine amerikanische Partei die noch auszuführenden Vertragshandlungen außerhalb Irans erfüllen oder hatte eine iranische Partei noch Zugriff auf ihre Bankkonten, um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, wurde der "force majeure" Einwand abgelehnt.

Im Regelfall wurde jedoch für eine Kernzeit während und unmittelbar nach der Revolution "force majeure" auf dem gesamten Territorium des Irans grundsätzlich anerkannt. Aufgrund der undurchschaubaren revolutionären Situation genügte es beispielsweise für die Evakuierung von Personal, wenn aus damaliger Sicht nachvollziehbare Gründe eine Gefährdung mit hinreichender Sicherheit in absehbarer Zeit erwarten ließen.

Die in den nationalen Rechten so bedeutsamen wie umstrittenen Merkmale der Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit hat das Tribunal, wenn überhaupt, dann nur beiläufig erwähnt. Sowohl die amerikanische als auch die iranische Seite wurden regelmäßig von ihren Leistungspflichten entlastet. Daß die im Regelfall als Partei auftretende iranische Regierung aus der Revolutionsbewegung hervorgegangen war, spielte im Bereich der vertraglichen Beziehungen keine Rolle, wenn dem Leistungshindernis nicht eine erkennbare politische Entscheidung zugrundelag.

Die Auswirkungen der "force majeure" auf den Vertrag wurden davon abhängig gemacht, ob die Vertragserfüllung auf Dauer oder nur vorübergehend unmöglich gemacht wurde. Vertragsauflösende Wirkung hatte die "force majeure" danach nur in einigen wenigen Fällen. Überwiegend wurde der zeitlich begrenzte Einfluß auf die Vertragserfüllung betont und dem Gedanken der Vertragserhaltung, wie er sich auch in den "force majeure" Klauseln der internationalen Vertragspraxis findet, Vorrang gegeben. Die Einschaltung eines Suspendierungszeitraumes wurde jedoch nur in wenigen Fällen für Verhandlungen über eine angepaßte Vertragsfortführung genutzt. Wegen der andauernden Feindse- 192 ligkeiten zwischen den USA und dem Iran wurde fast immer von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Vertrag vorzeitig zu kündigen.

Die Rückabwicklung der gescheiterten Verträge wird geprägt von den beiden allgemeinen Rechtsgrundsätzen "the loss lies where it falls" und dem Anspruch auf "Vergütung für bereits geleistete Vertragserfüllung."

Die Relativierung des ersten Grundsatzes durch die Möglichkeit, die Kosten nach billigem Ermessen zu verteilen, ist nur selten praktisch geworden. Nur wenn eine ausdrückliche Veranlassung vorlag, konnten die Parteien sicher sein, daß die Kosten auf die andere Partei überwälzt wurden.

Unproblematisch ist die Vergütung für bereits geleistete Vertragserfüllung. Nicht nur in der internationalen Vertragspraxis sondern auch in den nationalen Rechten herrscht Übereinstimmung, daß es sich hierbei um eine angemessene Lösung handelt.

Schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage nach einem entgangenen zukünftigen Gewinn. Das Tribunal stellt dabei maßgeblich darauf ab, "whether the payment of such profits could have been reasonably expected". Wegen der Schwierigkeiten, die zukünftige Geschäftsentwicklung zuverlässig vorauszusagen und damit die Grundlage für die Quantifizierung eines solchen Gewinns zu bestimmen, wurde den Klägern häufig jegliche Gewinnerwartung abgesprochen.

Prägendes Merkmal aller Entscheidungen ist das Bemühen, den Vertrag soweit wie möglich als Grundlage für die Lösung der Konflikte heranzuziehen. Immer wieder bestätigt wird dabei die Erkenntnis, daß auch ein noch so umfangreiches Vertragswerk regelmäßig Lücken aufweist. Diese Feststellung gilt allerdings weniger für die Voraussetzungen als vielmehr 193 für die Rechtsfolgen der "force majeure". Da es sich bei der "force majeure" um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handelt, wurde ihr Vorliegen auch dann anerkannt, wenn der Vertrag keine entsprechende Vereinbarung enthielt oder sich keine der Parteien darauf berufen hatte. Wollte eine Partei hingegen die ihr durch die "force majeure" entstandenen Kosten überwälzen oder beanspruchte sie den ihr entgangenen zukünftigen Gewinn, so konnte sie dies nur bei einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung, an der es aber in fast allen Fällen fehlte.

Grundsätzlich dürfte es für jedes Schiedsgericht schwierig sein, im Spannungsfeld der beiden Rechtsgrundsätze "the loss lies where it falls" und "Vergütung für bereits erbrachte Teilerfüllung" ein abweichendes billiges Ermessen auszuüben. Es bleibt somit Aufgabe der Vertragsparteien, im Vertrag ausdrücklich das Ergebnis festzulegen, das für die eigene Partei gewünscht wird, auch wenn dies im Einzelfall mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein dürfte.

Trotz der ausdrücklichen Erwähnung in Art. V CSD hat das Tribunal die Doktrin der "changed circumstances" nur in wenigen Fällen angewandt. Obwohl sie von beiden Seiten mehrfach als Argument für die eigene Position herangezogen wurde, von den Amerikanern, um die Gerichtsbarkeit des Tribunal auch bei Vorliegen iranischer Gerichtsstandsklauseln zu begründen, von den Iranern, um vorzeitige Vertragsbeendigungen zu rechtfertigen, erwecken die Entscheidungen gelegentlich den Eindruck, als habe sich das Tribunal bemüht, die Anwendung der Doktrin möglichst zu vermeiden. Im Fall der Gerichtsstandsklauseln ist dies durch eine enge Auslegung der zuständigkeitsausschließenden Vorschrift des Art. II CSD gelungen, bei der Rechtfertigung der vorzeitigen Vertragsbeendigung kam die enge Verwandtschaft zur "force majeure" in Verbindung mit entsprechenden Kündigungsregelungen in den Verträgen zu Hilfe.

194

Die zentrale Frage, ob eine revolutionäre Regierung für den Wegfall der objektiven Geschäftsgrundlage verantwortlich gemacht werden kann, ist nur in einer Separate Opinion ausführlich behandelt und dort im Ergebnis ausdrücklich bejaht worden.

Sind die Voraussetzungen von "changed circumstances" erfüllt, erfolgt die Auflösung des Vertrages nicht automatisch, sondern setzt daneben auch einen entsprechenden feststellbaren Willen der Parteien voraus.

B. Ungerechtfertigte Bereicherung

[...]

228

II. Die Rechtsprechung des Tribunal

1. Zuständigkeit für Bereicherungsklagen

Ob das Tribunal über Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung überhaupt entscheiden darf, war zunächst nicht ganz unumstritten1 . Bedeutung erlangte die Zuständigkeitsfrage erstmalig durch die Reaktion der amerikanischen Parteien auf den Ausschluß der Zuständigkeit des Tribunal für den Fall, daß der geltend gemachte Anspruch ,auf demselben Vertrag beruhte, in dem auch eine verbindliche iranische Gerichtsstandsklausel enthalten war2 . Um dem vereinbarten iranischen Gerichtsstand zu entgehen, stützten die Amerikaner ihre Klagen ersatzweise auf nicht vertragliche Ansprüche, wie insbesondere auf den Grundsatz der ungerechtfertigten Bereicherung.

Fraglich war jedoch, ob die Umstellung der Klagen auf diese nicht vertragliche Anspruchsgrundlage der positiven Zuständigkeitsregelung in Art. II Abs. 1 CSD entsprach. Danach beschränkt sich die Zuständigkeit des Tribunal allein auf Ansprüche, die aus Schulden, Verträgen, Enteignungen oder anderen Eigentumsrechte betreffenden Maßnahmen herrühren.

Bejahen läßt sich die Zuständigkeit jedoch, indem man entweder die Zuständigkeitsregelung weit auslegt und sämtliche vermögensrechtliche Klagen, die nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind, zuläßt (diese Interpretation wird gestützt durch den Text der General Declaration, General Principle B, wonach sämtliche Klagen zwischen den Staatsangehörigen und der jeweils anderen Regierung durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollen)3 , oder indem man die aus einer ungerechtfertigten Berei- 229 cherung herrührende Verpflichtung als "Schuld" i.S.d. Art. II Abs. 1 CSD betrachtet4 . Interessanterweise ist das Tribunal auf dieses Problem nicht weiter eingegangen, sondern erklärte sich ausdrücklich ohne nähere Begründung auch für Bereicherungsklagen zuständig5 .

Später folgte jedoch eine wesentliche Einschränkung. Die Zuständigkeit wurde stets dann verneint, wenn die Leistung gemäß einem nach wie vor gültigen Vertrag mit verbindlicher iranischer Gerichtsstandsklausel erbracht wurde. Der Bereicherungsanspruch erfülle dann in Wirklichkeit die Voraussetzung des Art. II Abs. 1 CSD, da er aus einem bindenden Vertrag herrühren6 .

Der amerikanische Schiedsrichter Mosk stellte hierzu in einer Dissenting Opinion fest, daß ein Bereicherungsanspruch zwar in Beziehung zu einem Vertrag stehen könne, jedoch eine eigenständige von Vertrag und Delikt zu unterscheidende Haftungsgrundlage darstelle7 . Wohl als Antwort auf diese Kritik stellte das Tribunal in einer anschließenden Entscheidung ergänzend klar, die Ablehnung seiner Zuständigkeit beruhe insbesondere auch auf der Subsidiarität der Bereicherungsklage gegenüber solchen Ansprüchen, die dem Kläger aus Vertrag zustehen8 . Wo ein bindender Vertrag zwischen den Parteien bestehe, sei eine Bereicherungsklage ausgeschlossen, mit der Folge, daß sie ihre zuständig- 230 keitsbegründende Funktion bei Vorliegen einer iranischen Gerichtsstandsklausel nicht erfüllen könne. Durch diese Argumentation verlagerte das Tribunal die materiellrechtliche Problematik der Subsidiarität in den Zulässigkeitsbereich, was z.T. heftig kritisiert wurde9 . Ungewöhnlich ist diese Vorgehensweise jedoch nicht. Auch im deutschen Recht wird die Schlüssigkeit der Klage schon bei der Erörterung der Zulässigkeit geprüft, wenn ein materiellrechtlicher Gesichtspunkt auch maßgebend für die Zuständigkeit ist10 . Der Vorteil dieser Prüfungsabfolge liegt darin, dem Kläger die Möglichkeit zu nehmen, den Beklagten vor mehrere Gerichte zu zitieren11 . Außerdem macht es wenig Sinn, die Zuständigkeit zu bejahen, wenn sich aus dem Parteivorbringen ergibt, daß die die Zuständigkeit begründende Anspruchsgrundlage von vornherein nicht durchgreift.

2. Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs

a) Grundlegung und Definition

Das Tribunal hat sich nur schrittweise mit der Grundlegung und den Voraussetzungen der ungerechtfertigten Bereicherung auseinandergesetzt. Erstmals angewandt wurde die Doktrin im Fall Ultrasystems, Inc. v. Iran12 . Zwischen den Parteien herrschte Streit darüber, ob die von der Klägerin auf Verlangen der Beklagten durchgeführten Arbeiten noch 231 von dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag umfaßt wurden. Ohne Hinweis auf Gesetzesgrundlagen oder Präjudizien verurteilte das Tribunal die Beklagte aus "quantum meruit"13 zur Erstattung des von der Klägerin in Rechnung gestellten Betrages14 .

Schon etwas ergiebiger ist die Entscheidung im Fall Isaiah v. Bank Mellat15 . Da sich auf die Frage nach dem anwendbaren Recht keine überzeugende Antwort finden ließ16 , wandte das Tribunal Art. V CSD an und qualifizierte die ungerechtfertigte Bereicherung unter Hinweis auf eine vergleichende Rechtsstudie, zwei völkerrechtliche Werke und den Art. 301 und 303 des iranischen ZGB als allgemeinen Rechtsgrundsatz, allerdings mit dem beruhigenden Hinweis,

"there is no reason to believe the result would be different if only Iranian law were applied"17 .

Abgeschlossen wurde die Entwicklung in Sea-Land Service, Inc. v. Iran18 , wo außer der Bestätigung als allgemeiner Rechtsgrundsatz erstmals ausführlich die gedankliche Grundlage und die Voraussetzungen des Bereicherungsrechts dargelegt wurden.

Bemerkenswert ist, daß das Tribunal den Bereicherungsanspruch hier allein auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gründete, obwohl nach kollisionsrechtlichen Grundsätzen eindeutig iranisches Recht anwendbar gewesen wäre19 . Damit ist auch im Bereicherungsrecht das Bestreben 232 des Tribunal nach Internationalisierung der Rechtsgrundlage unverkennbar. Der grundsätzliche Nachteil dieses Vorgehens, die fehlende Rückgriffsmöglichkeit auf systematische Strukturen, ist in diesem Rechtsgebiet allerdings von geringerer Bedeutung, da, wie die Bestandsaufnahme bei den nationalen Rechten gezeigt hat, man auch hier häufig noch von einer praktikablen Systematik des Bereicherungsrechts entfernt ist. Gleichsam als Ersatz für diesen Zustand leitet auch das Tribunal den Bereicherungsanspruch aus Billigkeit und Gerechtigkeit ab20 Um dieser Grundlegung gerecht zu werden, so das Tribunal, sei es notwendig, bei einer Entscheidung alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen21 . Die daraus folgende Flexibilität birgt, wie das angloamerikanische Beispiel zeigt, die Gefahr unübersehbarer kasuistischer Vielfalt und Rechtsunsicherheit in sich. Das Tribunal tat deshalb gut daran, dem durch die Formulierung eines definitorischen Grundsatzes so weit wie möglich vorzubeugen:

"There must have been an enrichment of one party to the detriment of the other, and both must arise as a consequence of the same act or event. There must be no justification for enrichment, and no contractual or other remedy available to the injured party whereby he might seek compensation from the party enriched"22 .

Wie das Tribunal diese Definition konkret ausgefüllt hat, soll Gegenstand der weiteren Untersuchung sein. 233
b) Fehlen des Rechtsgrundes

Der wichtigste Rechtsgrund, der einen Bereicherungsanspruch ausschließt, ist der Vertrag. Diese Subsidiarität des Bereicherungsrechts gegenüber möglichen vertragsrechtlichen Regelungen wurde vom Tribunal wiederholt festgestellt. Ausführlich behandelt wurde dieses Thema erstmals im Rahmen der bereits soeben erörterten Zuständigkeitsfrage. In einer Dissenting Opinion hatte der amerikanische Schiedsrichter Mosk erklärt, in der amerikanischen Rechtsprechung gebe es durchaus unterschiedliche Ansichten darüber, ob beide Ansprüche nebeneinander zugelassen werden können23 . Das Tribunal gestand diese Uneinigkeit zwar zu, machte dann jedoch klar, daß nach der überwiegenden Zahl der Quellen eine Bereicherungsklage nicht zulässig sei, wenn ein gültiger Vertrag vorliege24 . Gerade die Frage, ob eine Bereicherung ungerechtfertigt sei, lasse sich nicht ohne Bestimmung der vertraglichen Rechte und Pflichten entscheiden. Das bedeute jedoch nicht, mit dem Vorliegen eines gültigen Vertrages sei ein Bereicherungsanspruch in jedem Fall ausgeschlossen. Hätten die Vertragsparteien ihre ursprüngliche Vertragsbeziehung einverständlich aufgelöst oder habe der Kläger mehr geleistet, als vertraglich vorgesehen, sei durchaus Platz für eine Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung25 .

aa) Zweipersonenverhältnisse

Ein Beispiel für die letztgenannte Einschränkung findet sich in der Entscheidung Morrison-Knudsen Pacific Ltd. v. Iran26 . Die Klägerin, eine Ingenieurfirma, hatte mit dem iranischen Verkehrsministerium (Ministry 234 of Roads and Transportation - "MORT") einen Vertrag über die Errichtung einer Verbindungssraße zwischen Teheran und dem Persischen Golf abgeschlossen. Gegenstand der Klage war u.a. die Erstattung von Kosten für die Bereitstellung von ursprünglich nicht vorgesehenen Konstruktionszeichnungen, die die Beklagte ausdrücklich verlangt hatte. Nach Art. 2 (2) des Vertrages war vorgesehen, die Vergütung solcher zusätzlicher Leistungen von einer gegenseitigen Vereinbarung der Parteien abhängig zu machen. Eine solche Vereinbarung lag allerdings nicht vor, so daß ein vertraglicher Anspruch ausschied. Das Tribunal löste das Problem, indem es entscheidend auf das Verhalten der Beklagten abstellte. Diese hatte die zusätzliche Arbeit verlangt und auch akzeptiert. Auf der Grundlage von "quantum meruit" wurde der Klägerin daraufhin ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Betrages für die zusätzlich geleistete Arbeit27 zugesprochen.

Das Verhalten des Bereicherten gegenüber vertraglich nicht abgesicherten Leistungen des Klägers ist auch in anderen Fällen der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Gewährung eines Bereicherungsanspruchs gewesen. In Dic of Delaware, Inc. v. Tehran Development Corporation (TRC)28 hatte sich die Klägerin zusammen mit anderen Unternehmen verpflichtet, an der Erstellung des sog. Ekbatan-Projekts, einer Siedlung mit mehr als 20.000 preisgünstigen Apartmentwohnungen, mitzuwirken. Das gesamte Projekt war in vier Phasen (I, IA, II, III) aufgeteilt. Streitig war, ob die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung für behauptete Arbeiten im Rahmen der Phase III hatte,. Aufgrund der Beweislage war das Tribunal davon überzeugt, daß die Klägerin bereits ca. 31 % der Arbeiten für die Phase III vollendet hatte. Ein schriftlicher Vertrag über diesen Teil des Projekts lag jedoch nicht vor. Die Existenz eines mündlichen Vertrages mußte trotz der Teilerfüllung und der daraus folgenden 235 Vermutung für das Vorliegen eines solchen Vertrages in Frage gestellt werden, da die Beklagte die Begleichung der Rechnung mit dem Hinweis abgelehnt hatte, es gebe keinen Vertrag und die Klägerin nach der Teilerfüllung selbst in einem Brief von "discussions about our contractual relationship with respect to Phase III" gesprochen hatte. Das Tribunal hielt es dennoch für notwendig, die Klägerin bereicherungsrechtlich für die geleistete Arbeit zu entschädigen, da ihre Durchführung auf Verlangen und mit Wissen der Beklagten erfolgt war29 .

Mit einer gleichlautenden Begründung wurde auch der Klägerin im Fall Ultrasystems, Inc. v. Iran die gewünschte Entschädigung zugesprochen30 .

Im Unterschied zu den gerade besprochenen Fällen, in denen die Leistung zwar ohne vertragliche Rechtfertigung, jedoch auf Verlangen und mit Wissen des Bereicherten erbracht wurde, lehnte das Tribunal einen Bereicherungsanspruch ab, wenn es sich um zusätzliche, aber dennoch vom Vertrag gedeckte Arbeiten handelte oder der Kläger einseitig, ohne Einverständnis seitens des Beklagten, geleistet hatte.

In Aeronutronic Overseas Services, Inc. v. Iran31 sollte die Klägerin für die iranische Luftwaffe Verbindungskabel für den Aufbau eines Kommunikationssystems installieren. Die Luftwaffe hatte im Rahmen dieses Projekts die Aufgabe, die Gebäude zu errichten, zu denen die Kabel führen sollten. Die Entscheidung über die Standorte der Gebäude wurde mehrfach geändert, so daß die Klägerin gehalten war, bereits durchgeführte Ingenieurleistungen den veränderten Umständen anzupassen. Die Luftwaffe war vertraglich verpflichtet, die entstandenen Mehrkosten 236 auszugleichen. Das Tribunal war jedoch aufgrund verschiedener Umstände davon überzeugt, daß die Klägerin auf eine Entschädigung verzichtet hatte32 , so daß ein vertraglicher Anspruch abzulehnen war. Aber auch die Bereicherungsklage hatte keinen Erfolg, weil die zusätzlichen Leistungen auf Verlangen der Beklagten entsprechend den vertraglichen Verpflichtungen erbracht worden waren und beide Seiten dementsprechend von einer Vertragserfüllung ausgingen. Der angenommene Verzicht wirkte insoweit fort und änderte auch nichts an der grundsätzlichen Subsidiarität der Bereicherungsklage33 .

Ebenfalls erfolglos waren die Kläger dann, wenn die Leistungserbringung nicht vom Beklagten verlangt wurde, sondern auf ihrer eigenen Entscheidung beruhte, wie im Fall Lockheed Corp. v. Iran34 . Dort war die Klägerin von der US-amerikanischen Marine als Subunternehmer verpflichtet worden, die iranische Luftwaffe (IAF) beim Ersatzteilnachschub für einen bestimmten Flugzeugtyp zu unterstützen. Der Vertrag lief am 30. Juni 1978 aus. Dennoch erledigten zwei der drei Lockheed-Angestellten ihre Arbeit weiter bis Ende Januar 1979. Die Klägerin hatte gehofft, der Vertrag werde verlängert, was jedoch nicht geschah. Als Entschädigungsgrundlage für die geleisteten Dienste kam somit nur ein Bereicherungsanspruch in Betracht. Das Tribunal lehnte diesen jedoch ab, weil

"(B)y unilaterally deciding to continue the service without first arranging alternative payment arrangements with the IAF, Lock-

237

heed accepted the risk that it might encounter difficulty in recovering payment. Although such continued performance may have represented a sensible commercial decision, it is nonetheless clear that, while Lockheed was aware of the risks during the months its performance continued, it took no action to resolve the matter with the IAF until after its performance ceased. It may not now avoid the adverse consequences of the risk it voluntarily undertook by claiming it was unjust for the IAF to have received the benefit of the service, which there is no evidence the IAF requested. Accordingly, the Claim is rejected"35 .

Diese Rechtsprechung basiert auf dem insbesondere im angloamerikanischen Rechtskreis herausgearbeiteten Grundsatz, daß derjenige, der einen Vorteil wissentlich, ohne Vertrag und unaufgefordert an den Beklagten überträgt, keinen Rückgewähranspruch geltend machen kann36 , oder anders ausgedrückt: wer freiwillig leistet, wird nicht geschützt37 .

Eine ähnliche Überlegung mag auch im Fall Reliance Group, Inc. v. Iran ausschlaggebend gewesen sein38 , ohne daß dies jedoch so klar ausgesprochen wurde. Die englische Firma Inbucon, deren Alleinaktionärin die Klägerin ist, schloß mit der Oil Service Comany of Iran (OSCO) einen Vertrag, in dem sie sich verpflichtete, Prüfungs- und Überwachungsaufgaben gegenüber dem amerikanischen Generalunternehmer des Pazanan-Projekts auszuführen. Die Überwachung der Bauarbeiten sollte unmittelbar vor Ort in Pazanan erfolgen. In Folge der revolutionären Unruhen mußte das Personal im November 1978 jedoch evakuiert werden. Die Klägerin machte geltend, nach dem Verlassen Irans habe sie die Ver- 238 tragserfüllung in Großbritannien fortgesetzt. Vertraglich war sie jedoch hierzu nicht berechtigt. Das Tribunal sah es auch nicht als erwiesen an, daß die Parteien eine diesbezügliche Vertragsänderung vereinbart hatten. Die Klägerin hatte somit keinen vertraglichen Anspruch auf Erstattung der in Großbritannien erbrachten Leistungen. Ein möglicher bereicherungsrechtlicher Anspruch wurde mit dem Argument abgelehnt,

"work performed in the UK after 29 November 1978 was neither requested nor accepted"39 .

Zur Frage des Rechtsgrundes in Zweipersonenverhältnissen läßt sich die Rechtsprechung des Tribunal danach wie folgt zusammenfassen: Ist eine vertragsrechtliche Regelung möglich, so ist daneben für Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung kein Platz mehr. Wurde die Leistung ohne oder außerhalb eines gültigen Vertrages erbracht, kommt es darauf an, ob der Kläger eigenmächtig oder auf Verlangen des Beklagten handelte. Während im ersten Fall kein Erstattungsanspruch besteht, kann der Kläger im zweiten Fall Entschädigung verlangen.

bb) Dreipersonenverhältnisse

Juristisch schwierig und umstritten, aber gerade deshalb auch interessant, ist die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung in den Dreipersonenverhältnissen. Das Tribunal hatte leider nur wenig Gelegenheit, zu diesem Problemkreis Stellung zu nehmen. In der Hauptsache handelte es sich um Fälle, in denen zusätzlich ein Subunternehmer zur Vertragserfüllung herangezogen worden war. Grundlegend ist die Entscheidung im Fall Chas. T. Main v. MAHAB Consulting Engineers, Inc. (MAHAB)40 . Hier hatte die Beklagte als Auftraggeberin mit dem iranischen Unternehmen Parsmain (Hauptunternehmer) ein "General Service Agreement" vereinbart und die Klägerin als Subunternehmerin von Pars- 239 main bestimmte Ingenieurleistungen an die Beklagte (MAHAB) erbracht, für die sie keine Zahlung erhalten hatte. Eine direkte vertragliche Beziehung zwischen Klägerin und Beklagter bestand nicht. Bis auf eine Ausnahme hatte die Klägerin ihre Vergütung von Parsmain erhalten. Das Tribunal sah deshalb keinen Grund, von dem

"established principle" abzuweichen, "that generally a subcontractor has no direct rights as against the party with whom the contractor has a contract"41 .

Folgerichtig verneinte es einen Bereicherungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten für die erbrachten Leistungen42 .

In dieselbe Richtung gehen die Darlegungen im Fall Shannon & Wilson, Inc. (S&W) v. Atomic Energy Organization of Iran (AEOI)43 . Zwischen Klägerin und Beklagter bestand keine vertragliche Beziehung. Beide hatten jedoch je einen Vertrag mit der iranischen Gesellschaft Enertec abgeschlossen. Enertec hatte sich gegenüber der Beklagten zur Durchführung geologischer Studien im Zusammenhang mit dem Bau eines Atomkraftwerkes verpflichtet und sich dabei der Unterstützung der Klägerin versichert. In einem "memorandum of agreement" hatte Enertec anerkannt, der Klägerin für geleistete Dienste noch einen bestimmten Betrag zu schulden, der sich im wesentlichen mit dem vorliegenden Klageanspruch deckte. Das Tribunal konnte Enertec jedoch nicht verurteilen, da es sich um eigne private, staatlich nicht kontrollierte Gesellschaft handelte, für die keine Zuständigkeit besteht (Artt. II (1), VII (3) (4) CSD).

Fraglich war nun, ob der Klägerin trotz ihres Vertrages mit Enertec ein Bereicherungsanspruch gegen AEOI zustand, da, wie das Tribunal ausdrücklich feststellte,

"S&Ws unjust enrichment claim can at best be only a subsidia-

240

ry remedy"44 .

Es sah sich jedoch nicht genötigt, diese Frage zu beantworten, da die Klägerin nicht bewiesen hatte, daß AEOI wegen seiner Zahlungen an Enertec überhaupt noch bereichert war. Ein Bereicherungsanspruch schied somit von vornherein aus.

Die häufige Erwähnung der Vertragsbeziehungen und die Betonung des Subsidiaritätsgrundsatzes in den Entscheidungsgründen lassen aber vermuten, daß das Tribunal auch bei Vorliegen einer Bereicherung einen Kondiktionsanspruch abgelehnt hätte. Dieser Annahme stehen selbst Schwierigkeiten der Geltendmachung vertraglicher Ansprüche gegen Enertec im Iran nicht entgegen, denn, so das Tribunal,

"by contracting only with Enertec, and not with AEOI, S&W assumed the risk that Enertec might not be able to collect all the funds which it considered due from AEOI"45 .

Während die beiden. soeben erörterten Entscheidungen im Einklang mit den Lösungen der untersuchten nationalen Rechtsordnungen stehen, kann dies von dem Schiedsspruch im Fall Schlegel Corp. v. National Iranian Copper Industries Company (NICIC)46 nicht mit gleicher Eindeutigkeit behauptet werden47 .

Die Beklagte, eine staatliche Gesellschaft, hatte mit dem iranischen Unternehmen Fassan einen Vertrag über die Durchführung eines Wasserversorgungsprojekts abgeschlossen (Hauptvertrag). Fassan ihrerseits beauftragte die Klägerin als Subunternehmerin mit Auskleidungsarbeiten für einen Wasserspeicher. Obwohl die Klägerin ihre Vertragspflichten ordnungsgemäß erfüllt und Fassan Forderungen in Höhe des jetzt geltend gemachten Klageanspruchs anerkannt hatte, war sie bisher noch nicht bezahlt worden. Nach den vom Tribunal anerkannten und bisher 241 befolgten Grundsätzen wäre ein Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte ausgeschlossen gewesen, da die Parteien selbst nicht vertraglich verbunden waren, jedoch jeweils einen Vertrag mit dem gleichen Dritten (Fassan) hatten48 . Die zweite Kammer folgte diesem Lösungsweg nicht. Zwar bekannte sie sich zu dem Subsidiaritätsgrundsatz, beschränkte diesen dann jedoch auf das Verhältnis Auftraggeber-Subunternehmer:

"In this Case, however, the Parties have no contractual rights or obligations to each other and Schlegel has no contractual or other remedy against the Copper Company, the party enriched"49 .

So verstanden dürfte der Subsidiaritätsgrundsatz allerdings überflüssig sein, denn es entspricht dem Regelfall, daß zwischen Auftraggeber und Subunternehmer keine vertragliche Beziehung besteht. Verhindert werden soll vielmehr der Durchgriff des Subunternehmers auf den Auftraggeber, solange noch ein vertraglicher Anspruch gegenüber dem Hauptunternehmer geltend gemacht werden kann.

Auch dem Tribunal kamen offensichtlich Bedenken hinsichtlich der Übereinstimmung mit eigenen Präjudizien, als es daran erinnerte,

"that generally a subcontractor has no direct right as against the party with whom the contractor has a Contract"50 .

Letztlich sah es sich an diese Regel jedoch nicht gebunden, da es Billigkeit und Gerechtigkeit verlangten, die Lösung von den besonderen Umständen des Falles abhängig zu machen51 . Als maßgeblichen Grund für ein Abweichen betrachtete es eine Bestimmung im 242 Hauptvertrag, wonach die Beklagte berechtigt war, direkte Zahlungen an die Klägerin von der eigenen Schuld gegenüber Fassan abzuziehen. Dieses Recht der Beklagten gegenüber Fassan sollte auch Rückwirkungen auf die Beziehungen zur Klägerin haben:

"It is fair to assume that this provision gave the sub-contractor Schlegel the security of anticipating payment directly from the Copper Company in circumstances where the contractor Fassan refused to pay it for work performed under the Sub-Contract. Article 59 (2) also provided a means by which the Copper Company could ensure continuation of a sub-contractor directly amounts owed to it by Fassan. The Tribunal conlcudes under the circumstances that, once the work had been completed by the sub-contractor Schlegel, and it had for good and valid reasons appealed to the Copper Company for payment directly, it was manifestly unjust for the Copper Company to deny payment to Schlegel under Article 59 (2), particularly when it would not have incurred any loss to itself by doing so"52 .

Bedenken gegen diese Begründung bestehen insofern, als hier einem Vertrag, der nicht zwischen den Parteien des Verfahrens geschlossen wurde, eine streitentscheidende Bedeutung für deren Rechtsverhältnis beigemessen wird. Schwerwiegender aber dürfte sein, daß das Tribunal hier keinen ausreichenden Nachweis für die Rechtfertigung des Haftungsdurchgriffs mit den damit verbundenen Risiken für den Auftraggeber (Beklagten) erbracht hat. Zwar hat es darauf hingewiesen, die Gefahr der Doppelbeanspruchung sei wegen Art. 59 (2) des Vertrages ausgeschlossen, erhalten bleiben aber andere Nachteile, wie der Verlust möglicher eigener Einwendungen gegenüber dem Vertragspartner Fassan53 , die fehlende Möglichkeit der Aufrechnung, falls die Beklagte im Iran zur Geldzahlung an Fassan verurteilt wird54 oder das Insolvenzrisiko gegenüber Fassan im Fall des Regresses55 . Was fehlt ist die Dar- 243 stellung von Unbilligkeiten, die bei der Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes verursacht werden könnten oder von Vorteilen, die im Falle seiner Mißachtung den Parteien zugute kommen würden.

c) Umfang des Bereicherungsanspruchs

Keine Schwierigkeiten machte es, die Höhe des Bereicherungsanspruchs zu bestimmen, wenn die Leistung einen vertraglichen Hintergrund hatte und auf Verlangen des Bereicherten erbracht worden war. Hatten die Kläger über ihre Leistungen im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages eine vertragskonforme Rechnung ausgestellt, wurde der ausgewiesene Betrag akzeptiert56 . Ohne vorangegangene Preisvereinbarung der Parteien galt der Marktpreis als Maßstab. Einen höheren Betrag bezeichnete das Tribunal als "unreasonable"57 . Vorauszahlungen für den Kauf von Öl, das dann später doch nicht geliefert wurde, mußten in voller Höhe erstattet werden58 .

Konnte das Tribunal nicht auf vertragliche Anhaltspunkte zurückgreifen und war es schwierig oder gar unmöglich, einen Marktpreis zu bestimmen, wurde die Anspruchshöhe nach freiem Ermessen festgelegt.

Im Fall Morrison-Knudsen Pacific Ltd. v. Iran59 hatte die Klägerin für von der Beklagten zu vertretende Verzögerungen bei der Beschaffung von Informationen und zusätzlichen Arbeiten einen Betrag von $ 618.098 geltend gemacht, gewährt wurden jedoch nur $ 400.000, 244 ohne daß diese Differenz näher begründet wurde60 .

Ebenfalls nicht näher begründet wurde die Höhe des zugesprochenen Bereicherungsanspruchs im Fall Sea-Land Service, Inc. v. Iran61 , obwohl sich gerade diese Entscheidung sehr ausführlich mit einigen grundsätzlichen Fragen der Bemessung des Bereicherungsanspruchs beschäftigt. Die Klägerin hatte mit der iranischen Ports and Shipping Organization (PSO) eine Vereinbarung getroffen, die es ihr erlaubte, ein Stück Land im Hafen von Bandar Abbas für den Bau und befristeten Betrieb eines Container Terminals zu nutzen (Facility Agreement). Im Februar 1977 wurde auf Kosten der Klägerin eine RoRo-Rampe für den schnellen Umschlag von Containern zum Preis von ca. $ 3 Millionen fertiggestellt. Ab September 1978 konnte die Anlage nicht mehr in dem bisherigen Umfang genutzt werden, da die Abfertigung der einlaufenden Schiffe, entgegen einer vereinbarten Vorzugsbehandlung (Preferential Use Agreement), zunehmend verschleppt wurde, bis der Betrieb im August 1979 schließlich völlig eingestellt werden mußte.

Sea-Land macht einen Schaden in Höhe von $ 42 Millionen geltend, den sie alternativ auf Vertragsbruch, Enteignung und ungerechtfertigte Bereicherung stützte. Der vertragliche Anspruch wurde abgelehnt62 , da es nach Überzeugung des Tribunal nicht zu einem Vertragsabschluß 245 zwischen der Klägerin und PSO gekommen war63 . Der Enteignungsanspruch, gerichtet gegen die iranische Regierung, scheiterte daran, daß die Probleme der Klägerin nicht durch eine gezielte Einmischung der Regierung hervorgerufen worden waren, sondern sich auf eine allmähliche Verschlechterung des PSO-Managements zurückführen ließen64 .

Erfolgreich war allein der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, da die Containeranlage der PSO drei Jahre und vier Monate früher zur Verfügung stand, als nach dem Facility Agreement vorgesehen65 . Die eigentlich schwierige Frage war nun, wie sich die Höhe des Bereicherungsanspruchs berechnen ließ. Folgende tatsächlichen Umstände sollten zu berücksichtigen sein:

"... the level of investment; the period during which the foreign investor has been able to make a profit; and the benefit actually derived by the host country from its acquisition"66 .

Ein Ausgleich für entgangenen zukünftigen Gewinn wurde kategorisch ausgeschlossen67 . Schwerpunktmäßig erörtert wurde die Frage nach dem Vorteil, der bei der PSO durch den vorzeitigen Erhalt der Anlage entstanden war. Das Tribunal stellte hierfür allein auf die tatsächliche Nutzungsdauer der Anlage durch die PSO ab. Nach seiner Überzeugung hatte die PSO zwei Jahre vor dem eigentlichen Rückgabetermin angefan- 246 gen, die Einrichtungen in Gebrauch zu nehmen68 . Um einen Eindruck über die Höhe der möglichen Einkünfte zu erhalten, zitierte das Tribunal eine Schätzung der PSO; die einen Betrag von $ 20 Millionen für 611 Tage zugrundelegte. Eine Angabe über den Nettogewinn fehlte. Ohne weitere Begründung bezifferte das Tribunal den erlangten Vorteil und damit die Höhe des Bereicherungsanspruchs auf $ 750.000.

"On this basis it is left to the Tribunal to assess a level of damages corresponding in equity with the extent to which PSO was enriched. An appropriate level of compensation for PSO's actual use and benefit of the facility during the relevant period will, of necessity, be an approximation. In view of the scanty evidence submitted in respect of such use and benefit, a fair assessment of compensation for Sea-Land would seem to be $ 750,000.00"69 .

Der amerikanische Richter Holtzmann kritisierte nicht nur die seiner Ansicht nach viel zu geringe Urteilssumme und das Fehlen jeder Begründung, sondern insbesondere den von der Mehrheit der Richter gewählten Maßstab des "actual use"70 . Dieser sei abzulehnen, weil er im Falle verschwenderischen Gebrauchs den Entreicherten ungerecht belaste und sein tatsächlicher Umfang nur schwer zu beweisen sei. Andere internationale Schiedsgerichte hätten deshalb regelmäßig den Wert des übertragenen Eigentums zugesprochen71 .

Holtzmann's Kritik verkennt, daß die nationalen Rechte grundsätzlich darin übereinstimmen, das Vermögen des Bereicherten durch die Herausgabepflicht möglichst nicht über den Betrag der wirklichen Bereicherung hinaus zu vermindern. So bürdet z.B. das deutsche Recht im Sinne dieses Schutzgedankens wirtschaftliche Mißerfolge des Bereicherten 247 über § 818 III BGB grundsätzlich dem Bereicherungsgläubiger auf72 . Auch in Frankreich wird nur das abgeschöpft, was im Zeitpunkt der Klage noch im Vermögen des Beklagten vorhanden ist, außer die Bereicherung bestand in Geld oder vertretbaren Sachen73 . Flexibler ist die Rechtslage in Amerika ausgestaltet. Hier wird diejenige Partei mit einem entstandenen Nachteil belastet, die nach Abwägung aller Umstände in erster Linie verantwortlich erscheint74 . Im vorliegenden Fall läßt sich eine überwiegende Verantwortlichkeit der Beklagten nicht feststellen. Nach Auffassung des Tribunal hat sie weder einen gültigen Vertrag gebrochen noch wurde die Klägerin enteignet. In einer solchen Situation sieht das amerikanische Recht, wenn es wie hier um die Nutzung fremden Eigentums geht, ausdrücklich vor, den Bereicherungsanspruch auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen zu beschränken75 . Die untersuchten Rechtsordnungen sind sich somit darin einig, den Beklagten im Falle fehlenden Verschuldens zu schützen und die Haftung auf den in seinem Vermögen entstandenen Vorteil zu begrenzen76 . Nichts anderes hat das Tribunal hier mit seinem "actual use-" oder besser "actual benefit of the use-" Maßstab getan, so daß die Entscheidung in diesem Punkt nicht kritikwürdig ist. Es bleibt allerdings der Einwand, die Höhe des zu erstattenden Nutzungsvorteils nicht ausreichend begründet zu haben.

Der "actual use"-Maßstab fand ebenfalls Anwendung im Fall Flexi-Van Leasing, Inc. v. Iran77 . Hier hatte die Klägerin an zwei iranische Unternehmen (Star Line Iran, Co. und Iran Express Lines, Co.) Frachtcontainer und Ausrüstung vermietet, jedoch seit Mitte 1978 bzw. März 1979 keine Zahlungen mehr erhalten und auch die Container nicht zurückbekommen. Seit Anfang 1980 wurden die beiden Gesellschaften von der 248 iranischen Regierung kontrolliert. Entschädigungsansprüche wegen Vertragsbruch und Enteignung lehnte das Tribunal ab, weil nicht nachgewiesen werden konnte, daß die Regierung das vertragswidrige Verhalten verursacht hatte. Das Ergebnis der Entscheidung hing somit auch hier vom Bestehen eines Bereicherungsanspruchs ab. Kein Hindernis für die Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs waren nach Meinung des Tribunal die Verträge mit Star Line und Iran Express, da alleinige Beklagte die iranische Regierung war78 und beide Unternehmen trotz Regierungskontrolle eigene rechtliche Einheiten geblieben waren79 . Das Problem der Subsidiarität wurde nicht erörtert, obwohl ein direkter vertraglicher Anspruch gegen Star Line und Iran Express bestanden hätte.

Abgelehnt wurde die Auffassung der Klägerin, der zu erstattende Vorteil

"is the retention of property regardless of what the wrongdoer does with the property".

Stattdessen sollte sich die Höhe des Anspruchs nach dem Wert der tatsächlich gezogenen Nutzungen bestimmen80 . Nicht berücksichtigt wurden danach Container, die von Privatpersonen oder -gesellschaften oder von einem Ministerium gegen Zahlung von Miete an Star Line genutzt worden waren. Eine erstattungspflichtige Nutzung sah das Tribunal nur dort, wo die Container angeblich als Militärbehausungen umfunktioniert worden waren. Mangels ausreichender Beweise konnte im Ergebnis der Bereicherungsanspruch jedoch auch insoweit nicht gewährt werden81 . 249

III. Ergebnis

Das Tribunal hat den Bereicherungsausgleich durchgängig als allgemeinen Rechtsgrundsatz qualifiziert. Bei der Konkretisierung dieses Grundsatzes ist es ihm gelungen, den in den untersuchten Rechtsordnungen vorhandenen Grundkonsens auszuschöpfen. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um detaillierte Regeln, sondern um Vorstellungen allgemeiner Art, die unabhängig von den Besonderheiten der jeweiligen Rechtsordnung einen gerechten Ausgleich zwischen den Beteiligten verwirklichen sollen.

Der Ansatz des Tribunal entspricht am ehesten dem amerikanischen und begrenzt auf den allgemeinen Bereicherungsanspruch dem französischen Recht. Grundlage des Bereicherungsrechts sind mangels systematischer Strukturen Erwägungen der Billigkeit und Gerechtigkeit. Die Folge sind flexible, die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigende und nicht dogmatischen Strukturen unterliegende Entscheidungen. Diese Flexibilität bedeutet jedoch nicht Regellosigkeit. Ein vom Tribunal häufig zitierter Grundsatz ist der der Subsidiarität. Dieser schließt einen Bereicherungsanspruch aus, wenn dem Kläger ein Anspruch auf anderer 250 Rechtsgrundlage, insbesondere vertraglicher, zusteht.

Relativ einfach ist die Handhabung dieses Grundsatzes in Zweipersonenverhältnissen, wo er deshalb auch durchgängig vom Tribunal beachtet wurde. Steht dem Bereicherungsanspruch kein Vertrag im Wege, insbesondere weil die Leistung ohne oder nicht mehr im Rahmen eines gültigen Vertrages erbracht wurde, hing die Entscheidung davon ab, ob der Kläger eigenmächtig oder auf Verlangen des Beklagten handelte. Während das Tribunal im ersten Fall keinen Erstattungsanspruch gewährte, konnte der Kläger im anderen Fall Entschädigung verlangen.

Für die Dreipersonenverhältnisse läßt sich der Inhalt des Subsidiaritätsgrundsatzes nicht eindeutig feststellen. Uneinheitlich ist die Behandlung der "Subunternehmerfälle", in denen ein Hauptunternehmer einen Subunternehmer zur Vertragserfüllung herangezogen hat, ohne daß dieser mit dem Auftraggeber vertraglich verbunden ist. Zwei verschiedene Lösungen sind möglich: Entweder die Subsidiarität gilt im Verhältnis zu allen Beteiligten, dann ist der Bereicherungsanspruch des Subunternehmers gegen den Auftraggeber ausgeschlossen, weil der Subunternehmer einen Vertrag mit dem Hauptunternehmer hat; oder aber die Subsidiarität wird beschränkt auf das Verhältnis Subunternehmer-Auftraggeber, dann hat die Bereicherungsklage Erfolg, weil zwischen beiden keine vertragliche Beziehung besteht. Das Tribunal hat sich beider Verständnismöglichkeiten bedient, wobei es als Rechtfertigung für die Zulässigkeit eines Haftungsdurchgriffs entscheidend auf die im konkreten Fall fehlende Gefahr der Doppelbeanspruchung abstellte.

Beim Haftungsumfang ist das Bestreben des Tribunal erkennbar, die Herausgabepflicht auf den Betrag der wirklichen Bereicherung zu beschränken. War sich das Tribunal über die Höhe des erlangten Vorteils nicht sicher, legte es einen möglichst geringen Betrag zugrunde. Lagen Rechnungen vor und basierten diese auf vorangegangenen Preisvereinbarungen, wurden sie akzeptiert, ansonsten diente der Marktpreis als Maßstab. In den Nutzungsfällen mußte der Bereicherte nur den vermö-

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