Was "Wissenmüssen" bedeutet, ist in Art. 13 präzisiert. Es kommt darauf an, was eine "vernünftige Person in der gleichen Lage hätte wissen müssen". Man muß sich also bei der Anwendung des Art. 10 auf beiden Seiten vernünftige Personen vorstellen, die sich in der Lage der Vertragsparteien befinden. Hat die Partei den Vertragsabschluß einem Stellvertreter überlassen, so sind alle Umstände, die dem Stellvertreter bekannt waren, genauso zu bewerten, als hätte die Partei sie selber gekannt.
[...]Die Wahrung von Treu und Glauben ist deshalb einer der Hauptgrundsätze des EKG, weil ohne dieses moralische Prinzip außergewöhnliche Entwicklungen und die sich daraus ergebenden Lücken im EKG nicht bewältigt werden können.
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Zu erwähnen sind schließlich das Verbot des "Rechtsmißbrauchs" und das Verbot des "venire contra factum proprium" (Zweigert, Der Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, RabelsZ 28 [1964] 608), das von der deutschen Rechtsprechung unter Treu und Glauben und in England als Teil der equity-Rechtsprechung unter dem Rechtsbegriff des "estoppel" behandelt wird.