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Bonell, Michael Joachim, Vertragsverhandlungen und culpa in contrahendo nach dem Wiener Kaufrechtsübereinkommen, RIW 1990, at 693 et seq.

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Bonell, Michael Joachim, Vertragsverhandlungen und culpa in contrahendo nach dem Wiener Kaufrechtsübereinkommen, RIW 1990, at 693 et seq.
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Vertragsverhandlungen und culpa in contrahendo nach dem Wiener Kaufrechtsübereinkommen

Von Professor Dr. Michael Joachim BONELL, Rom*

Einführung

Eine besondere Eigenheit des Wiener Kaufrechtsübereinkommens (im folgenden: UN-WKG)1 ist, daß es, im Gegensatz zu anderen internationalen Konventionen auf dem Gebiet des internationalen Handelsrechts, die sich lediglich mit den Folgen wirksam geschlossener Verträge befassen (oder sogar, wie im Fall der Transportrechtübereinkommen, nur mit der Haftung einer der beteiligten Parteien)2 , nicht nur die Rechte und Pflichten von Käufer und Verkäufer regelt, sondern auch das Zustandekommen und die Auslegung des Kaufvertrages. Dies hat zur Folge, daß die Parteien in ein und demselben Gesetzeswerk die Antworten auf Fragen finden, die in den meisten nationalen Rechten getrennt geregelt sind, d.h. zum Teil im besonderen Kaufrecht und im - kodifizierten oder nicht-kodifizierten - allgemeinen Vertragsrecht3 .

Die Regelung des UN-WKG hinsichtlich des Zustandekommens von Verträgen erscheint allerdings in zweifacher Hinsicht problematisch.

Zunächst verbleibt auch das UN-WKG beim klassischen Schema des Vertragsabschlusses durch Austausch von Angebot und Annahme. Dies entspricht nicht immer der kaufmännischen Praxis, wo bekanntlich Verträge oft erst nach langwierigen Verhandlungen geschlossen werden, die stufenweise zu einer bindenden Übereinkunft führen, ohne daß feststellbar ist, wer wann, wenn überhaupt, Angebote und Annahme erklärt hat. Weiterhin fehlt eine ausdrückliche Vorschrift über die Einhaltung von Treu und Glauben bei Vertragsabschluß im allgemeinen oder wenigstens eine Regelung der wichtigsten Fälle von vorvertraglicher Haftung der Parteien.

Für beide dieser grundlegenden Entscheidungen lassen sich natürlich Erklärungen finden. Die Bestimmungen über "Angebot" und "Annahme" können durchaus als passend im Rahmen einer Kaufrechtskonvention angesehen werden.

Tatsächlich erfolgt der Abschluß von Kaufverträgen in der Regel nach dem klassischen Schema. Was hingegen das Fehlen jeglicher Regelung der vorvertraglichen Haftung betrifft, kann dies nicht überraschen, wenn man bedenkt, daß sowohl das Prinzip der Culpa in contrahendo als solches als auch seine Anwendung auf bestimmte Fallgruppen selbst unter den nationalen Rechten umstritten sind.

Im folgenden soll nach einer kurzen Darstellung der wichtigsten UN-WKG Vorschriften über das Zustandekommen von Verträgen versucht werden, darzulegen, inwieweit sie geeignet sind, im Wege der Analogie auch dort Anwendung zu finden, wo Angebot und/oder Annahmeerklärung entweder nicht feststellbar sind oder sogar ganz fehlen (I). Im Anschluß wird untersucht, ob das UN-WKG auch eine hinreichende Grundlage bietet, um zumindest einige Fallgruppen der vorvertraglichen Haftung der Parteien zu erfassen (II).

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I. Der Abschluß von Kaufverträgen nach dem UN-WKG

1. Systematische Stellung der Regeln über den Abschluß von Kaufverträgen innerhalb des UN-WKG

Das UN-WKG regelt den Abschluß von Kaufverträgen in Teil II (Artt. 14-24). Diese Vorschriften müssen selbstverständlich in Zusammenhang mit den allgemeinen Vorschriften des Teil I gelesen werden: dies gilt insbesondere für die Artt. 1-5, die den Anwendungsbereich des Abkommens festlegen, die Artt. 6 und 9 zur Parteiautonomie und den Gebräuchen und Gepflogenheiten, Art. 8 zur Auslegung von Parteierklärungen und Parteiverhalten, die Artt. 11 und 12 über Formerfordernisse, sowie Art. 7, der die zur Auslegung des Abkommens maßgeblichen Kriterien festlegt und in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz der Wahrung des guten Glaubens im internationalen Handel verweist4 .

Erwähnenswert sind außerdem die Vorbehaltsbestimmungen der Artt. 92 und 96.

Nach Art. 92 kann ein Vertragsstaat zum Zeitpunkt seines Beitritts erklären, daß Teil II des Abkommens für ihn nicht verbindlich ist. Die Erklärung eines solchen Vorbehalts hätte zur Folge, daß die Frage, ob ein Vertrag mit einer Partei, die ihren Geschäftssitz im Vorbehaltsstaat hat, zustande kommt, sich nach den Regeln des internationalen Privatrechts richtet5 .

Nach Art. 96 ist es einem Vertragsstaat, dessen nationale Rechtsordnung für Kaufverträge die Schriftform zwingend vorsieht, gestattet, einen Vorbehalt dahingehend zu erklären, daß die Bestimmung des Art. 11 und ähnliche in Teil III der Konvention enthaltene Vorschriften nicht gelten, wenn eine Partei ihre Niederlassung in diesem Staat hat. Ein entsprechender Vorbehalt hätte zur Folge, daß bei Verträgen mit einer Partei aus dem Vorbehaltsstaat die Form durch das nach allgemeinem Kollisionsrecht anwendbare nationale Recht bestimmt wird.

2. Die Bestimmungen über Angebot und Annahme

Das Festhalten der Konvention am traditionellen Schema des Vertragsschlusses durch Austausch von zwei sich entsprechenden Willenserklärungen, nämlich "Angebot" und "Annahme", zeigt sich besonders deutlich in Art. 23: nach dieser Vorschrift "[ist] ein Vertrag [...] in dem Zeitpunkt geschlossen, in dem die Annahme eines Angebots nach diesem Übereinkommen wirksam wird."

Die für ein wirksames Angebot erforderlichen Merkmale sind in Art. 14 Satz 1 geregelt: Diese Vorschrift besagt, daß "[d]er an eine oder mehrere Personen gerichtete Vorschlag zum Abschluß eines Vertrages ein Angebot darstellt, wenn er bestimmt genug ist und den Willen des Anbietenden zum Ausdruck bringt, im Falle der Annahme gebunden zu sein". Wann ein solcher Wille des Anbietenden, an seinen Vorschlag gebunden zu sein, anzunehmen ist, wird nicht näher präzisiert und muß daher aus dem Wortlaut der jeweiligen Erklärung sowie den Umständen des Einzelfalls abgeleitet werden. Hingegen bestimmt Art. 14 Abs. 1 Satz 2, daß "ein Vorschlag bestimmt genug ist, wenn er die Ware bezeichnet und ausdrücklich oder stillschweigend die Menge und den Preis festsetzt oder deren Festsetzung ermöglicht".

Im Grundsatz ist ein Angebot frei widerruflich (Art. 16 Abs. 1). Art. 16 Abs. 2 sieht jedoch hiervon zwei wichtige Ausnahmen vor: Zunächst, "wenn [das Angebot] durch Bestimmung einer festen Frist zur Annahme oder auf andere Weise zum Ausdruck bringt, daß es unwiderruflich ist", und außerdem, "wenn der Empfänger vernünftigerweise darauf vertrauen konnte, daß das Angebot unwiderruflich ist, und er im Vertrauen auf das Angebot gehandelt hat."

Die Definition der Annahme findet sich in Art. 18. Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung für das Vorliegen einer Annahme zunächst einmal die Zustimmung - egal ob ausdrücklich oder konkludent erklärt - von seiten des Angebotsempfängers (Art. 18 Abs. 1 Satz 1). Bestätigt dieser lediglich den Erhalt des Angebots oder bekundet er nur Interesse daran, so reicht dies für eine Annahme nicht aus. Darüber hinaus muß die Zustimmung vorbehaltlos bekundet werden, d. h. der Angebotsempfänger kann seine Annahme weder von zukünftigen Schritten des Anbietenden (z.B., "Unsere Annahme bedarf noch Ihrer endgültigen Zustimmung") noch von solchen des Angebotsempfängers selbst (z.B. "Hiermit akzeptieren wir den Inhalt des Vertrages, wie er in Ihrem Schriftsatz vom . . . festgelegt wurde und verpflichten uns, den Vorgang unserem Bestätigungsausschuß zur Zustimmung innerhalb der nächsten zwei Wochen zuzuleiten) abhängig machen. Vorausgesetzt dem Angebot läßt sich nichts Abweichendes entnehmen, kann die Annahme entweder durch Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten des Angebotsempfängers bewirkt werden. Schweigen oder Untätigkeit allein stellen keine Annahme dar (Art. 18 Abs. 1 Satz 2).

Im Grundsatz wird sowohl das Angebot als auch die Annahme mit Zugang beim jeweiligen Empfänger wirksam (Artt. 15 Abs. 1, 18 Abs. 2 Satz 1). Eine solche Willenserklärung geht dem Empfänger nach Art. 24 dann zu, "wenn sie ihm mündlich gemacht wird oder wenn sie auf anderem Weg ihm persönlich, an seiner Niederlassung oder Postanschrift oder wenn diese fehlen, an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort zugestellt wird." Hinsichtlich der Annahmeerklärung wird von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht, wenn der Empfänger aufgrund des Angebots, der zwischen den Parteien entstandenen Gepflogenheiten oder der Gebräuche seine Zustimmung dadurch äußern kann, daß er eine Handlung vornimmt, ohne den Anbietenden davon zu unterrichten (Art. 18 Abs. 3): in diesen Fällen ist die Annahme zum Zeitpunkt der Handlung wirksam, unabhängig davon ob der Anbietende hiervon umgehend unterrichtet wird oder nicht.

Die bisher erwähnten Vorschriften finden ohne Rücksicht darauf Anwendung, ob der Vertrag unter Anwesenden oder unter Abwesenden geschlossen wird. Darüber hinaus gibt es noch eine Anzahl von Normen, die ausdrücklich den Vertragsabschluß unter Abwesenden betreffen und insofern zeigen, daß nach der Konvention der Fall als der typische gilt, in dem Käufer und Verkäufer von verschiedenen Orten aus miteinander verhandeln und ihren Vertrag im Schriftwege abschließen oder sich der Hilfe von "Sofort-Kommunikationsmitteln" wie Telex, Telefax u. ä. bedienen6 . Dabei handelt es sich hauptsächlich um die Vorschriften der Artt. 15 Abs. 2 und 22 denen zufolge Angebot und Annahme zurückgenommen werden können, wenn die Rücknahmeerklärung dem Adressaten vor oder gleichzeitig mit der vorangegange- 695 nen Erklärung zugeht, um Art. 16, nach dem ein Angebot widerrufen werden kann, wenn der Widerruf dem Empfänger zugeht, bevor dieser eine Annahmeerklärung abgesandt hat, und Artt. 20 und 21 Abs. 2, die den Zeitpunkt für den Beginn einer vom Anbietenden gesetzten Frist und die Rechtsfolge einer zwar rechtzeitig abgesandten, aber verspätet zugegangenen Annahmeerklärung regeln.

Die einzige Vorschrift, die von der Möglichkeit ausgeht, daß Verträge ausnahmsweise auch anders als durch bloßes Akzeptieren der vom Anbietenden vorgeschlagenen Bedingungen erfolgen kann, findet sich in Art. 19. Zwar bleibt es in Abs. 1 beim traditionellen Grundsatz, daß eine "Antwort auf ein Angebot, die eine Annahme darstellen soll, aber Ergänzungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen enthält, eine Ablehnung des Angebots ist und ein Gegenangebot darstellt". Abs. 2 sieht aber eine Ausnahme hiervon für den Fall vor, daß die Ergänzungen oder Änderungen die Bedingungen des Angebots "nicht wesentlich" ändern. Hier kommt der Vertrag zu den modifizierten Bedingungen zustande, es sei denn der Anbietende rügt das Fehlen der Übereinstimmung unverzüglich.

Mithin können nach dem Abkommen auch solche Bedingungen Vertragsbestandteil werden, die nicht bereits durch das Angebot festgesetzt waren, sondern das Ergebnis von Vorschlägen beider Seiten sind. Im Grundsatz handelt es sich dabei zweifelsohne um eine beachtliche Neuerung, deren praktische Bedeutung allerdings stark eingeschränkt ist. Zunächst einmal, weil eine vom Angebotsadressaten vorgeschlagene Veränderung nur dann die Chance hat, ohne entsprechende Zustimmung des Anbietenden zum Vertragsbestandteil zu werden, wenn sie keine wesentliche Abweichung vom Angebot bedeutet. Wie relativ selten dies der Fall sein wird, ist ersichtlich, wenn man bedenkt, daß das Abkommen selbst den Begriff der "nicht-wesentlichen" Abweichungen sehr restriktiv versteht. Tatsächlich werden Änderungen, die sich auf Preis, Bezahlung, Qualität und Menge der Ware, Ort und Zeit der Lieferung, auf den Umfang der Haftung der einen Partei gegenüber der anderen oder auf die Beilegung von Streitigkeiten beziehen, ausdrücklich als eine in jedem Fall wesentliche Abweichung definiert (Art. 19 Abs. 3). Desweiteren hat allein der Angebotsempfänger innerhalb seiner Annahmeerklärung die Möglichkeit, eine Abänderung der Angebotsbedingungen zu bewirken: die geringste Ablehnung der Vorschläge seitens des Anbietenden - sei es durch einfache Ablehnung, sei es durch zusätzliche Änderungsvorschläge seinerseits - verhindert ein Zustandekommen des Vertrags und zwingt die Parteien wieder von vorne zu beginnen.

3. Das UN-WKG und Verträge, die nicht nach einer feststellbaren Reihenfolge von Angebot und Annahme zustande gekommen sind

Ungeachtet der Tatsache, daß die meisten Kaufverträge, die in den Anwendungsbereich des UN-WKG fallen, durch einfache Annahme (gewöhnlich des Käufers) geschlossen werden, ist nicht auszuschließen, daß das Übereinkommen auch auf solche Verträge Anwendung findet, die nicht nach einer solchen Folge von übereinstimmenden Willenserklärungen zustande kommen. Tatsächlich gibt es Kaufverträge, die wegen der besonderen Eigenschaft der betroffenen Güter (z. B. eine hochentwickelte und kostspielige Industrieausstattung; auf Bestellung angefertigte Maschinen, usw.)7 normalerweise lange und schwierige Verhandlungen zwischen den Parteien erfordern. Außerdem steht es den Parteien auf Grund des Prinzips der Parteiautonomie frei, die Anwendbarkeit der Konvention auch auf Vertragsarten zu erstrecken, die an und für sich nicht von dieser erfaßt sind und ebenfalls in der Regel nur nach langwierigen Verhandlungen ohne genau feststellbare Reihenfolge von Angebot und Annahme abgeschlossen werden (z. B. Verträge über die Übernahme einer Gesellschaft, Industrieanlagenverträge, Kompensationsgeschäfte, usw.8 ).

Bekanntlich ist im Zusammenhang mit dieser Art von Verträgen zunächst problematisch, ob überhaupt, und wenn ja, wann es zu einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien gekommen ist (a). Weiter stellt sich die Frage, welches die Rechtsnatur und die Wirkung der verschiedenen Arten von Schriftstücken ist, die die Parteien normalerweise im Laufe der Verhandlungen austauschen (b). Schließlich gilt es für den Fall, daß die Parteien für den Vertragsschluß besondere Formerfordernisse vereinbart haben, zu klären, ob die Beurkundung konstitutiver oder rein deklaratorischer Natur ist, und ob unter gewissen Bedingungen auf sie verzichtet werden kann (c).

All diese Fragen stehen offensichtlich in engem Zusammenhang mit dem Abschluß des Vertrages und dürften daher sicherlich in den Regelungsbereich des UN-WKG fallen. In Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung muß ihre Lösung allerdings erst durch analoge Anwendung anderer Vorschriften des Abkommens oder, wo dies nicht möglich ist, durch Rückgriff auf die der Konvention zugrundeliegenden allgemeinen Grundsätze gefunden werden (vgl. Art. 7 Abs. 2). Erst wenn auch dieses Mittel versagt, darf über das Kollisionsrecht auf nationale Regelungen zurückgegriffen werden9 .

a) Die Frage, wann und ob es überhaupt zu einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien gekommen ist

Der Umstand, daß die Konvention ausschließlich das Zustandekommen eines Vertrages durch Austausch von Angebot und Annahme regelt, bedeutet noch nicht, daß nach ihr ein Vertrag ohne genau feststellbare Reihenfolge von Angebot und Annahme nicht zustande kommen kann.

Zwar findet sich in der endgültigen Fassung keine Vorschrift mehr, wie sie in dem vom Sekretariat von UNCITRAL ausgearbeiteten Entwurf enthalten war und der zufolge "[ein] Kaufvertrag auch dann als geschlossen angesehen werden kann, wenn der Zeitpunkt des Abschlusses nicht feststellbar ist"10 .

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In der Sache dürfte sich allerdings dasselbe Ergebnis auch unter dem gegenwärtigen Text begründen lassen: erstens, weil sich der Grundsatz der Parteiautonomie i. S. des Art. 6 auch auf die Vorschriften über den Vertragsabschluß erstreckt; weiterhin, weil der Vertrag in der Regel keinem besonderen Formerfordernis unterworfen ist (vgl. Art. 11) und deshalb auch aus dem bloßen Verhalten der Parteien auf seine Existenz geschlossen werden kann11 .

Eine ganz andere Frage ist es freilich, wie festgestellt werden kann, wann und ob überhaupt im Einzelfall eine vertragliche Vereinbarung zustande gekommen ist.

Werden die Parteierklärungen gleichzeitig abgegeben (z. B. jede Partei unterschreibt in Anwesenheit der anderen Partei eine Kopie ein und derselben Vertragsurkunde oder beide Parteien bekunden zum selben Zeitpunkt ihre Zustimmung zu Vertragsbedingungen, die von einer dritten Person vorgeschlagen werden) ist die Feststellung des Zeitpunktes des Vertragsabschlusses natürlich unproblematisch. Es könnte allenfalls die Frage auftauchen, ob der vereinbarte Vertragsinhalt ausreichend bestimmt ist. Die Antwort darauf dürfte sich aber durch analoge Anwendung von Art. 14 ergeben, der die für das Angebot geltenden Bestimmtheitserfordernisse festlegt. Dementsprechend ist anzunehmen, daß das unterzeichnete Schriftstück dann einen gültigen Vertrag begründet, wenn es die Ware bezeichnet und ausdrücklich oder stillschweigend die Menge und den Preis festsetzt.

Erfolgen hingegen die Parteierklärungen nicht gleichzeitig (z. B. wenn der Vertrag das Ergebnis langwieriger Verhandlungen ist, ohne daß es zu einem förmlichen Abschluß kommt), können sich Zweifel sowohl hinsichtlich des Zeitpunktes des Vertragsabschlusses, als auch hinsichtlich der Tatsache ergeben, ob überhaupt eine vertragliche Vereinbarung vorliegt. Die Antwort auf diese Fragen muß im Einzelfall dem Verhalten der Parteien entnommen werden: Bei korrekter Anwendung der in Art. 8 festgesetzten Auslegungskriterien dürften sich daraus genügend Anhaltspunkte für die wahre Absicht der Parteien ergeben.

b) "Letter of intent" und andere während der Vertragsverhandlungen ausgetauschte Schriftstücke

Je komplexer der Vertragsgegenstand, desto wahrscheinlicher ist es, daß sich die Verhandlungen in Abschnitten vollziehen und die vertragliche Vereinbarung Schritt für Schritt erreicht wird, wobei die Parteien die verschiedensten Schriftstücke untereinander austauschen, die in der internationalen Praxis unter einer Vielzahl von Namen, wie "letters of intent", ,agreements in principle", "memoranda of understanding", "heads of agreement" u. ä., bekannt sind12 . Was diese Dokumente gemeinsam haben, ist, daß sie nicht den endgültigen Vertrag darstellen13 . Davon abgesehen erstrecken sie sich auf einen extrem weiten Bereich, der von einer unverbindlichen Absichtserklärung einer Partei, Verhandlungen zwecks Regelung noch offener Fragen zu beginnen, bis hin zu einem echten Vorvertrag, d. h. einer bindenden Vereinbarung über den späteren Abschluß eines Vertrages mit bereits feststehendem Inhalt, führt14 .

Bei der Suche nach der rechtlichen Bedeutung dieser Dokumente im Rahmen der Konvention scheint es angebracht, zwischen den verschiedenen Fallgruppen zu unterscheiden.

Im ersten der beiden erwähnten Extremfälle, d. h. wenn das Schreiben nur die Bereitschaft zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen kundtut, liegt die Schwierigkeit höchstens darin, zu bestimmen, ob es sich dabei nicht bereits um ein echtes Angebot handelt. Zu diesem Zweck sollte es genügen, Art. 14 Abs. 1 heranzuziehen, wonach wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen Antrag und bloßem Angebot zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen der erkennbare Wille des Erklärenden ist, an seine Erklärung im Falle einer Annahmeerklärung gebunden sein zu wollen.

Teilweise wird sich bereits aus dem Wortlaut eindeutig entnehmen lassen, ob das eine oder das andere vorliegt. Ein Schreiben wie beispielsweise "Mit Zustimmung zu diesem Brief verpflichten Sie sich, für den Fall, daß wir uns entschließen, die Anlage zu bauen, die Bauausführung zu den sich aus diesem Brief nebst Anlagen ergebenden Konditionen zu übernehmen"15 würde, sollte der Empfänger wie gewünscht zustimmen, eindeutig ein bindendes Angebot desselben sein, das ihn im Falle einer Annahme verpflichten würde, den Bau zu den festgelegten Konditionen auszuführen. Bei einer Formulierung wie "Nach Durchsicht der Dokumente die Sie uns zukommen haben lassen möchten wir Sie von unserer Absicht in Kenntnis setzen, Ihnen den Auftrag für eine Telefonanlage dieses Typs zu erteilen [. . . ] Dabei stellen wir allerdings nochmals ausdrücklich klar, daß dieser Brief nicht als Auftrag für Sie verstanden werden soll", ist hingegen jegliche Bindung des Absenders auszuschließen16 .

Läßt sich die Absicht nicht so eindeutig aus dem Wortlaut des Schreibens erkennen, so kommt es auf die anderen Umstände des Einzelfalls an17 . Generell kann man sagen, daß je detaillierter und bestimmter der Inhalt des Schreibens, umso eher ist anzunehmen, daß ein Angebot vorliegt. Da sich den Vorschriften des Abkommens nichts entnehmen läßt, was der Möglichkeit, ein bedingtes Angebot abzugeben, entgegenstünde, kann auch der Umstand allein, daß im Schreiben die Verpflichtung einer Partei vom Eintritt eines künftigen Ereignisses abhängig gemacht wird, kein hinreichender Grund dafür sein, den Bindungswillen dieser Partei zu verneinen. Dabei versteht es sich, daß von einem echten Angebot, d. h. von einer Absicht, im Falle der Annahme des Schreibens gebunden sein zu wollen, umso weniger auszugehen ist, je mehr der Eintritt des künftigen Ereignisses vom Verhalten der Partei selbst abhängt (z. B., "Wir betrachten uns als an das beschriebene Projekt gebunden, soweit der Finanzierungsplan unserer Bank zu unserer Zufriedenheit ausfällt").

Auch der andere Extremfall, d. h. die Vorverträge im strengen Sinn, werfen keine besonderen Probleme auf. In der Tat unterscheidet sich diese Art von Verträgen von gewöhnlichen Kaufverträgen nur insofern, als sie nicht den unmittelbaren Austausch von Ware und Preis zum Gegenstand haben, sondern nur die Verpflichtung der Parteien, einen solchen endgültigen Kaufvertrag zu festgelegten Konditionen in der Zukunft abzuschließen. Infolgedessen dürfte in Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung dieser Ver- 697 träge durch die Konvention einer analogen Anwendung der Regeln über den Abschluß der gewöhnlichen Kaufverträge nichts im Wege stehen18 .

Erhebliche Schwierigkeiten können sich hingegen in den Fällen ergeben, die zwischen diesen Extremen liegen. Ihnen ist gemeinsam, daß das Schreiben nur einige Teile des Vertrages festhält, über die sich die Parteien bereits einig sind, während hinsichtlich der übrigen Teile auf künftige Verhandlungen verwiesen wird. Solange diese Verhandlungen für beide Seiten zufriedenstellend verlaufen, und die Parteien tatsächlich eine Einigung über die offenen Punkte erzielen, treten natürlich keine Probleme auf. Was aber geschieht, wenn sich eine Partei weigert, die Verhandlungen aufzunehmen, oder wenn diese scheitern? Mit anderen Worten: Soll in einem solchen Fall am bereits Vereinbarten festgehalten und der Rest auf andere Weise ergänzt werden, oder hat das Unvermögen der Parteien, sich über die noch offenen Punkte zu einigen, zur Folge, der vorher erzielten Übereinkunft jegliche Bindungswirkung zu nehmen?

Die Konvention schweigt zu diesem Punkt. Im Licht der ihr zugrundeliegenden Grundsätze, insbesondere des Vorranges der Parteiautonomie und des Prinzips des sog. favor contractus scheint die Lösung dahin zu gehen, daß letztlich die Absicht der Parteien entscheidend ist. Geht ihr Wille dahin, auch für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen gebunden zu sein19 , so sollte dieser Wille respektiert werden, vorausgesetzt, die noch offenen Punkte lassen sich objektiv sinnvoll festlegen20 . Ein entsprechender Wille der Parteien kann entweder ausdrücklich erklärt sein oder sich aus den Umständen ergeben. Dabei kommt es u. a. auf den Bestimmtheitsgrad der bisher erzielten Übereinkunft, die Art des Geschäfts, die Bedeutung der bereits festgelegten im Vergleich zu den noch festzulegenden Punkten oder Teilen des Vertrages an, sowie darauf, ob die noch offenen Punkte Fragen betreffen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden können, ob mit der Durchführung des Vertrags bereits begonnen wurde, u.s.w. Was hingegen die Festsetzung der fehlenden Punkte betrifft, so sollte nach Möglichkeit auf die in der Konvention selbst enthaltenen Lösungen zurückgegriffen werden21 . Andernfalls bietet sich als Ausweg der Rückgriff auf den der Konvention zugrundeliegenden allgemeinen Vernunfts- und Billigkeitsmaßstab ("reasonableness Test")22 .

Die Frage ist, ob diese Schlußfolgerung auch auf den Fall gilt, daß es sich bei dem Punkt, über den sich die Parteien nicht einigen konnten, um den Preis handelt. Die Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß es gemäß Art. 14 kein gültiges Angebot geben kann, wenn darin nicht direkt oder indirekt der Preis bestimmt wird. Die Konvention befaßt sich allerdings an anderer Stelle (Art. 55) ausdrücklich mit Verträgen ohne festgelegten Preis und sieht für diese vor, daß der Preis anhand von objektiven Kriterien bestimmt wird. Eine Möglichkeit, diese beiden sich scheinbar widersprechenden Vorschriften miteinander in Einklang zu bringen, ist es, anzunehmen, daß sich Art. 14 mit Anträgen als einseitigen Erklärungen befaßt, während Art. 55 - offenbar davon ausgehend, daß nach der Konvention ein Vertrag auch ohne Angebot und Annahme zustande kommen kann - die Fälle regelt, in denen sich beide Parteien übereinstimmend binden wollten, ohne sich über den Preis geeinigt zu haben23 . Wenn dem aber so ist, scheint es durchaus legitim zu sein, anzunehmen, daß auch die oben angesprochenen Fälle unter Art. 55 fallen können. Mit anderen Worten, nicht nur für den Fall, daß der Vertrag keine Bestimmung über den Preis enthält, sondern auch dann, wenn die Parteien vereinbaren, den Preis zu einem späteren Zeitpunkt festzulegen, dann aber hierbei scheitern, kann der Preis nach Art. 55 festgesetzt werden, natürlich immer vorausgesetzt, daß seitens der Parteien eine Bindung ohne endgültige Einigung über den Preis gewollt war.

c) "Subject to contract" und ähnliche Klauseln

Im Verlauf von Vertragsverhandlungen kann es vorkommen, daß die Parteien ein sog. "preliminary agreement" oder "memorandum of understanding" unterschreiben, in dem sie die Punkte des Vertrages festlegen, über die sie sich bereits geeinigt haben ("Punktation"). Gleichzeitig vereinbaren sie unter der Verwendung von Klauseln, wie "subject to contract" oder "formal agreement to follow", daß zu einem späteren Zeitpunkt eine besondere Beurkundung erfolgen soll.

Erklärungen dieser Art sind nach dem Übereinkommen zweifellos zulässig, steht es den Parteien doch frei, ausdrücklich oder auch nur konkludent, von dem allgemeinen Prinzip der Formfreiheit nach Art. 11 abzuweichen. Die Schwierigkeiten liegen anderswo. Zuerst gilt es, festzustellen, ob die vereinbarte Form konstitutiven Charakters ist oder nicht, d. h. ob die Parteien den Vertrag erst mit der Beurkundung für verbindlich geschlossen betrachten, oder ob die vorgesehene Form nur Beweiszwecken dienen soll. Weiterhin stellt sich für den Fall, daß die Parteien ein konstitutives Formerfordernis vereinbart haben, das Problem, ob sie durch ihr späteres Verhalten auf dieses Erfordernis wieder verzichten können.

Was die erste Frage betrifft, so ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß "[i]t would be difficult to find a less predictable area of contract law"24 . Nicht anders als in den meisten nationalen Rechtsordnungen25 hängt auch nach der Konvention die Lösung im Endeffekt von den Umständen des Einzelfalls ab. In Ermangelung einer eindeutigen Bestimmung durch die Parteien selbst ("Unverbindlich bis zum endgültigen Vertragsschluß"; "Dies gilt als verbindlicher Vertrag") bieten sich als allgemeine Anhaltspunkte zur Ermittlung des Parteiwillens u. a. an: Der Zeitpunkt, zu dem die Parteien sich über die Notwendigkeit einer besonderen Beurkundung des Vertrages einigen; die Vollständigkeit der bereits formlos getroffenen Vereinbarungen; die Komplexi- 698 tät des Geschäfts. Mit anderen Worten, je früher die Parteien sich über das Formerfordernis einigen, je unvollständiger die bisher erzielte Vereinbarung ist und je umfangreicher das Gesamtgeschäft ist, desto wahrscheinlicher ist es, daß die Parteien ein konstitutives Formerfordernis vereinbaren wollten. Auf der anderen Seite ist anzunehmen, daß das Schriftstück nur Beweiszwecken dienen soll, wenn die Parteien seine Errichtung erst in einer relativ späten Phase der Verhandlungen vereinbaren, wenn sie sich über alle wesentlichen Punkte geeinigt haben, und es sich um einen Vertrag handelt, der normalerweise ohne besondere Form geschlossen wird.

Was die Möglichkeit der Parteien betrifft, nachträglich auf eine einmal vereinbarte Form zu verzichten, sieht es zunächst so aus, als stelle die Konvention strengere Anforderungen, als die meisten nationalen Rechte. Während letztere normalerweise zulassen, daß die Parteien eine Formabrede, unabhängig davon, ob sie mündlich oder schriftlich erfolgt ist, nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent aufheben können26 , scheint Art. 29 Abs. 2 auf den ersten Blick vorzuschreiben, daß bei einer schriftlichen Vereinbarung der Formvorschrift ein konkludenter Verzicht auf die Form nicht möglich ist. Bei genauer Untersuchung zeigt sich jedoch, daß die Unterschiede nicht allzu groß sind. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß sich Art. 29 Abs. 2 dem Wortlaut nach nur auf die Fälle bezieht, in denen das besondere Formerfordernis für die Änderung oder die einvernehmliche Aufhebung des Vertrages vereinbart worden ist. Mithin ist fraglich, ob die Vorschrift überhaupt auch auf den hier zur Diskussion stehenden Fall anwendbar ist, in dem die vereinbarte Form für den Abschluß des Vertrages vorgesehen ist. Weiterhin sieht Art. 29 Abs. 2 in Satz 2 selbst eine Ausnahme vor, indem er ausdrücklich festlegt, daß eine Partei aufgrund ihres Verhaltens davon ausgeschlossen sein kann, sich auf die Einhaltung der Form zu berufen, soweit sich die andere Partei auf dieses Verhalten verlassen hat. In der Praxis dürften damit die meisten der Fälle erfaßt sein, in denen die Parteien durch ihr späteres Verhalten zum Ausdruck bringen, daß sie ihrer früheren Formabrede keine Bedeutung mehr beimessen, und zumindest eine von ihnen auf die Gültigkeit der formlos erfolgten Vereinbarung vertraut und entsprechend gehandelt hat (z. B. mit der Durchführung des Vertrages begonnen hat), ohne damit irgendeine Reaktion von seiten der Gegenpartei hervorzurufen27 .

Mit den bislang behandelten Formabreden nicht zu verwechseln sind die sog. "merger clauses". Es handelt sich dabei um Klauseln, die die Parteien in die Vertragsurkunde aufnehmen, und die besagen, daß die Urkunde den gesamten Vertragsinhalt wiedergibt und demzufolge jede frühere oder gleichzeitige Erklärung oder Übereinkunft unwirksam sei.

Auf Grund des Prinzips der Parteiautonomie (Art. 6) dürften keine Zweifel über die Zulässigkeit solcher Klauseln auch im Rahmen der Konvention bestehen28 . Die einzige in der Praxis auftauchende Frage ist, ob die Parteien mit dieser Klausel nur verhindern wollten, daß vorangegangene oder gleichzeitige Absprachen den in der Urkunde festgelegten Vertragsinhalt ergänzen können, oder ob damit auch die Möglichkeit ausgeschlossen werden sollte, sie im Rahmen der Vertragsinterpretation heranzuziehen. Im ersten Fall würde die Klausel ein Abweichen von dem in Art. 11 festgelegten Grundsatz bedeuten, wonach ein Kaufvertrag "[. . .] auf jede Weise bewiesen werden [kann], auch durch Zeugen". Im zweiten Fall würde zusätzlich die Regel des Art. 8 Abs. 3 außer Kraft gesetzt, die besagt, daß für die Interpretation von Verträgen "[ . . . ] alle erheblichen Umstände zu berücksichtigen [sind], insbesondere die Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien [. . . ]". Die Antwort hängt im wesentlichen vom Wortlaut der "merger clause" ab. Grundsätzlich erscheint die zweite, weitergehende Sinndeutung der Klausel angesichts ihrer einschneidenden Folgen nur dann angemessen, wenn sich hierfür ausdrücklich Hinweise im Parteiverhalten finden lassen29 .

II. Das UN-WKG und die vorvertragliche Haftung

1. Fehlen einer ausdrückliche Regelung der vorvertraglichen Haftung (culpa in contrahendo)

Im UN-WKG fehlt eine ausdrückliche Regelung der Haftung der Parteien für ihr Verhalten während der Vertragsverhandlungen. Dabei hat es bei der Ausarbeitung der Konvention an Vorschlägen zu diesem Punkt nicht gefehlt. So enthielt der von der UNCITRAL Arbeitsgruppe verabschiedete Entwurf eine Vorschrift, die besagte, daß "[i]n the course of the formation of the contract the parties must observe the principles of fair dealing and act in good faith" (Art. 5)30 .

Diese Bestimmung war Gegenstand langer Diskussionen auf der elften Sitzung der Kommission im Jahre 197831 . Diejenigen, die für ihre Streichung waren, stellten im wesentlichen darauf ab, daß das Prinzip von Treu und Glauben im internationalen Handel zwar durchaus wünschenswert, die gefundene Formulierung in Art. 5 des Entwurfs jedoch völlig unbefriedigend, da zu ungenau sei. Die nationalen Gerichte würden sich bei der Auslegung der Vorschrift unweigerlich von ihren eigenen rechtlichen und sozialen Wertmaßstäben beeinflussen lassen, mit der Folge, daß es in den verschiedenen Staaten zu unterschiedlichen Interpretationen führen würde. Zudem wurde kritisiert, daß der Entwurf keine Sanktionen für den Fall vorsah, daß die Parteien sich nicht an die ihnen auferlegten Verhaltenspflichten hielten. Dies würde bedeuten, daß die Rechtsfolgen eines Verstoßes dem jeweils anzuwendenden nationalen Recht zu entnehmen seien, und damit unterschiedlich ausfallen könnten.

Die Befürworter der Bestimmung machten in erster Linie geltend, daß es angesichts der weltweiten Anerkennung des Prinzips von Treu und Glauben wenig schaden könnte, wenn dasselbe auch in der Konvention ausdrücklich genannt 699 würde. Was den Einwand betraf, daß die Vorschrift nichts über die Folgen eines Verstoßes gegen das Prinzip aussagte, wurde erwidert, daß diese am besten von den Gerichten von Fall zu Fall entwickelt werden sollten. Jedenfalls würde allein die Existenz einer Bestimmung dieser Art die Aufmerksamkeit der Praxis darauf lenken, daß es gelte, auch im internationalen Rechtsverkehr gewisse Verhaltensstandarte einzuhalten.

In Anbetracht dieser unterschiedlichen Meinungen entschloß sich die Kommission zu einer Kompromißlösung, die darin bestand, die genannte Vorschrift zu streichen, das Prinzip von Treu und Glauben aber in den Artikel über die Auslegung der Konvention als solcher (Art. 7) aufzunehmen.

Die Zweckdienlichkeit dieser Lösung wurde auf der Wiener Konferenz nochmals in Frage gestellt32 . Zwei Änderungsvorschläge wurden unterbreitet, die beide vorsahen, das Prinzip von Treu und Glauben in einem anderen Kontext zu erwähnen. Genauer gesagt sah einer der Vorschläge vor, das Prinzip aus Art. 7 herauszunehmen und es in die Vorschrift über die Vertragsauslegung aufzunehmen33 , während der andere auf die Annahme einer gesonderten Vorschrift hinauslief, derzufolge "[i]n the formation, interpretation and performance of a contract of sale the parties shall observe the principles of good faith und international cooperation"34 . Obwohl beide Vorschläge einige Unterstützung erfuhren, war die Mehrzahl der Delegierten gegen eine Neuaufnahme der Diskussion zu einem Thema, das bereits Gegenstand eingehender Beratungen innerhalb von UNICITRAL gewesen war. Art. 7 Abs. 1 wurde deshalb ohne Änderungen verabschiedet.

2. Die vorvertragliche Haftung innerhalb des Regelungsbereichs der Konvention

Der Umstand allein, daß die Konvention keine ausdrückliche Vorschrift über die Haftung der Parteien für ihr Verhalten während der Vertragsverhandlungen enthält, besagt noch nicht, daß dieser Gegenstand außerhalb des Regelungsbereichs der Konvention liegt. Tatsächlich könnte die vorvertragliche Haftung oder culpa in contrahendo eine der Materien sein, die - um mit Art. 7 Abs. 2 zu sprechen - "in diesem Übereinkommen geregelte Gegenstände betreffen, aber in diesem Übereinkommen nicht ausdrücklich entschieden werden". Die Entscheidung für eine der beiden Alternativen hat natürlich beträchtliche Auswirkungen. Von der Konvention nicht erfaßte Materien sind weiterhin unmittelbar den nationalen Rechten unterworfen, während einfache Lücken der Einheitsregelung zunächst innerhalb der Konvention selbst geschlossen werden müssen, d. h. im Einklang mit den dem Übereinkommen zugrundeliegenden allgemeinen Grundsätzen, und nur bei Fehlen solcher Grundsätze ein Rückgriff auf das jeweils anwendbare nationale Recht zulässig ist (vgl. Art. 7 Abs. 2)35 .

Im Schrifttum wird bisher die erste Lösung bevorzugt. Als Begründung wird darauf hingewiesen, daß die Ablehnung aller Vorschläge, die darauf hinausliefen, eine allgemeine Vorschrift über die vorvertragliche Haftung oder culpa in contrahendo in das Übereinkommen aufzunehmen, deutlich zeige, daß die Verfasser der Konvention es vorzogen, diesen Gegenstand unvereinheitlicht zu lassen und weiterhin den nationalen Rechten zu unterwerfen. Folge davon ist, daß sich die Frage, ob und in welchem Umfang eine Partei für ihr Verhalten während der Vertragsverhandlungen haftet, nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht bestimmt. Und da die Rechtsnatur dieser Haftung in den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedlich aufgefaßt wird - reichend von vertraglicher über quasi-vertraglicher bis hin zu deliktischer Haftung -, ist einmal die "lex contractus", ein anderes Mal die "lex loci delicti" zuständig36 .

Die Ansicht, wonach die culpa in contrahendo nicht unter den Regelungsbereich der Konvention fällt, kann nicht voll überzeugen. Ihre Schwäche liegt vor allem darin, daß sie davon ausgeht, die vorvertragliche Haftung stelle ein klar abgrenzbares und einheitliches Institut dar. Tatsache aber ist, daß dieser Begriff eine ganze Reihe von unterschiedlichen Fallgruppen umfaßt37 . Man denke nur an die Fälle, in denen eine Partei während der Vertragsverhandlungen die Gegenpartei schädigt, indem sie eine Pflicht verletzt, die ihr unabhängig von den Vertragsverhandlungen obliegt, im Gegensatz zu den übrigen Fällen, wo die Pflicht, die verletzt wird, gerade daraus erwächst, daß Vertragsverhandlungen bestehen. Auch können die Folgen des unzulässigen Verhaltens einer Partei verschieden sein: Es kann dazu führen, daß ein fehlerhafter Vertrag geschlossen wird, oder aber es kann zum Abbruch der Verhandlungen kommen.

M. E. sollte zwischen diesen Fällen unterschieden werden, wenn es darum geht, festzustellen, ob und inwieweit die Konvention anzuwenden ist. Darüber hinaus erscheint es angebracht, auch an die Möglichkeit zu denken, daß die Parteien selbst ihre Rechte und Pflichten für den Verlauf der Verhandlungen festlegen: In einem solche Fall ist es nämlich gar nicht erforderlich, daß nach einer gesetzlichen Grundlage für ihre vorvertragliche Haftung gesucht wird.

a) Vorvertragliche Haftung kraft Vereinbarung

Den Parteien steht es selbstverständlich zu jedem Zeitpunkt frei, ihre Rechte und Pflichten für den Verlauf der Vertragsverhandlungen einvernehmlich zu regeln. Vereinbarungen dieser Art kommen oft bei Geschäften von besonders komplexer Natur vor, die langwierige Verhandlungen erfordern, ohne daß von vornherein sicher ist, ob sie überhaupt je zu einem positiven Ergebnis führen.

Solche Abreden werden häufig in Form eines von beiden Parteien akzeptierten "letter of intent" entsprechenden Inhalts geschlossen. Es kann sich hierbei aber auch um eine konkludente Vereinbarung handeln, z. B. wenn eine Partei die andere zu einer bestimmten Leistung im Vorfeld des Vertrags auffordert und diese sich darauf beschränkt, die verlangte Leistung zu erbringen, ohne daß es darüber zu einer ausdrücklichen Vereinbarung gekommen wäre.

Auch inhaltlich unterscheiden sich die genannten Vereinbarungen in mannigfaltiger Weise. Sie können sich darauf beschränken, bestimmte Verhaltensregeln von besonderer Wichtigkeit festzulegen, wie z. B. die Geheimhaltung der während der Vertragsverhandlungen ausgetauschten vertraulichen Informationen, den Ausschluß von Parallelverhandlungen mit Dritten u. a. Es kann sich aber auch um Vereinbarungen genereller Art handeln, wie z. B. die Verpflich- 700 tung, die Grundsätze von Treu und Glauben während der Vertragsverhandlungen einzuhalten, oder das Versprechen, die bestmöglichen Anstrengungen ("best efforts") zu machen, um über die noch offenen Punkte eine Einigung zu erzielen38 .

Sicher sind diese Vereinbarungen auch anläßlich von Kaufverträgen, die der Konvention unterfallen, zulässig. Das folgt aus dem in Art. 6 festgelegten Prinzip der Parteiautonomie. Zum gleichen Ergebnis kommt man übrigens in den meisten Fällen auch dann, wenn man den gesamten Komplex der vorvertraglichen Haftung als außerhalb der Konvention liegend betrachtet, da den Parteien nach dem dann anwendbaren nationalen Recht normalerweise die gleiche Freiheit zusteht.

Die einzige Schwierigkeit, die sich in diesem Zusammenhang ergeben kann, besteht darin, daß die Parteien nicht immer die Sanktionen für den Verstoß gegen die vereinbarten Pflichten vorsehen, oder daß sogar der genaue Inhalt der Pflichten unklar bleibt. So kann es vorkommen, daß eine Vertraulichkeitsvereinbarung nichts über die Rechtsfolgen der Verletzung der Geheimhaltungspflicht aussagt. Ebenso ist es durchaus möglich, daß Treu und Glauben- oder "best efforts-" Klauseln ihre genaue Bedeutung hinsichtlich der damit gemeinten Rechte und Pflichten der Parteien nicht näher präzisieren. In solchen Fällen muß die Lösung, natürlich anderswo gefunden werden, und zwar, je nach Auffassung, entweder innerhalb der Konvention oder in dem jeweils anwendbaren nationalen Recht. Mit anderen Worten ergibt sich hier zunächst dieselbe Problematik wie in den Fällen, in denen überhaupt keine Vereinbarung über vorvertragliche Haftung vorliegt.

b) Schäden an Personen oder Sachen

Im Laufe der Vertragsverhandlungen kann es durchaus vorkommen, daß eine Partei der anderen Schaden an der Person oder an Sachen zufügt. Typisches Beispiel hierfür ist der Kunde, der in den Geschäftsräumen des potentiellen Vertragspartners auf dem frisch gebohnerten Boden ausrutscht, oder der potentielle Käufer einer Maschine, der die Maschine ausprobiert und hierbei einen Schaden verursacht. Verhaltensweisen dieser Art begründen eine Schadensersatzverpflichtung des Verursachers, egal wer das Opfer ist und unabhängig von dem Umstand, daß zwischen Schädiger und Geschädigtem ein Vertragsanbahnungsverhältnis besteht. Genau aus diesem Grunde könnte man sogar bezweifeln, daß solche Tatbestände unter den Begriff der vorvertraglichen Haftung fallen39 . Hier genügt es, darauf hinzuweisen, daß sie angesichts ihres rein deliktischen Charakters mit Sicherheit nicht in den Anwendungsbereich des UN-WKG fallen, da sich dieses bekanntlich nur mit dem Abschluß und den Folgen von Kaufverträgen befaßt (Art. 4).

c) Vorvertragliche Haftung bei später abgeschlossenem Vertrag

Eine Partei kann sich während der Vertragsverhandlungen unzulässiger Mittel bedienen, um die Gegenpartei zum Abschluß eines Vertrages zu bewegen, den sie unter normalen Umständen entweder überhaupt nicht oder zumindest nicht zu diesen Bedingungen abgeschlossen hätte. Typisches Beispiel hierfür ist, daß die Willensbildung einer Partei durch Täuschung der Drohung beeinflußt wird. In solchen Fällen hat die betroffene Partei in der Regel ein Interesse, sich vom Vertrag zu lösen. Mit anderen Worten stellt sich dabei im wesentlichen die Frage nach der Anfechtbarkeit fehlerhafter Verträge. Da aber nach Art. 4 lit. a) die Konvention nicht die "Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen" betrifft, handelt es sich um eine Materie, die außerhalb des Regelungsbereichs des Einheitsrechtes liegt. Sowohl die Frage, ob und unter welchen Umständen die getäuschte oder bedrohte Partei den Vertrag wirksam anfechten kann, als auch die Rechtsfolgen einer erfolgreichen Anfechtung entscheiden sich nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht, wobei es sich dabei in der Regel um das Recht handelt, das in Ermangelung der Konvention den Kaufvertrag regeln würde40 .

d) Vorvertragliche Haftung ohne Vertrag

Wann immer sich eine Partei während der Verhandlungen unzulässig verhält und es deshalb oder aus welchem Grund auch immer zu keinem Vertragsabschluß kommt, stellt sich die Frage, ob die entsprechende Partei überhaupt für ihr Verhalten haftbar gemacht werden kann und, angenommen dem ist so, welche Rechtsbehelfe der anderen Partei zustehen. M. E. bietet das Übereinkommen bei näherer Betrachtung sicher für das erste und möglicherweise auch für das zweite Problem eine Lösung.

Wie bereits erwähnt, verweist Art. 7 Abs. 1 ausdrücklich auf die "Notwendigkeit [. . .] die Wahrung des guten Glaubens im internationalen Handel zu fördern". Im Gegensatz zu der Ansicht, nach der im Rahmen dieser Bestimmung dem Prinzip von Treu und Glauben nur die Funktion einer zusätzlichen Interpretationshilfe in der Anwendung der Konvention selbst zukommt, ist m. E. eine weniger enge Auslegung der Vorschrift vorzuziehen und anzunehmen, daß das Prinzip auch für die Parteien des einzelnen Kaufvertrags gilt41 . In der Tat, schon als reines Auslegungskriterium für die einzelnen Vorschriften des Abkommens selbst kann Treu und Glauben Auswirkungen für die Parteien haben. Dazu kommt, daß es eine Anzahl von Vorschriften gibt, aus denen hervorgeht, daß das Prinzip von Treu und Glauben einen der dem Übereinkommen zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze darstellt und als solcher über Art. 7 Abs. 2 direkt zur Regelung von Fragen des Zustandekommens und der Durchführung der einzelnen Kaufverträge herangezogen werden kann.

Allerdings ist es mit der Annahme, daß sich aus dem Prinzip von Treu und Glauben nach Art. 7 Abs. 1 zusätzliche Pflichten der Parteien auch während der Vertragsverhandlungen ableiten lassen können, noch nicht getan. Es bleibt die Frage, welchen Inhalt diese Pflichten im einzelnen haben.

Eine erste Erwägung, die sich dabei aufdrängt, ist, daß, wie sich aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 deutlich ergibt, im Anwendungsbereich der Konvention das Prinzip von Treu und Glauben nur soweit den in einzelnen nationalen Rechtsordnungen geltenden Standards entspricht, als diese auch international anerkannt sind. Mit anderen Worten gilt es, den Inhalt des Prinzips rechtsvergleichend zu bestimmen. Was dies im Einzelfall bedeutet, läßt sich an Hand des folgenden Beispieles zeigen. Für den Fall des einseitigen und völlig ungerechtfertigten Abbruchs der Vertragsverhandlungen kurz vor Vertragsschluß wird in den meisten kontinentalen Rechtsordnungen eine vorvertragliche Haftung der schuldigen Partei angenommen42 , während die anglo-amerikanischen Rechte grundsätzlich von der absoluten 701 Freiheit der Verhandlungsführung ausgehen und daher lediglich verlangen, daß die Gegenpartei unverzüglich von der getroffenen Entscheidung in Kenntnis gesetzt wird43 . Daraus ergibt sich, daß nach der Konvention die Lösung des Problems, zumindest dann, wenn die Parteien aus den verschiedenen Rechtskreisen kommen, nur zwischen diesen beiden Extremen liegen kann, d. h. eine Partei haftet jedenfalls dann, wenn sie die Verhandlungen geführt hat, obwohl sie bereits wußte, nie einen Vertrag schließen zu wollen44 . Eine ähnliche Lösungsmethode ergibt sich natürlich auch bei anderen möglichen Anwendungsfällen des Prinzips von Treu und Glauben, wie z. B. hinsichtlich der Offenbarungspflichten45 , der Geheimhaltungspflichten46 , u. a. mehr.

Nicht minder wichtig ist, festzuhalten, daß genau so wie im nationalen Recht auch im Anwendungsbereich der Konvention der genaue Inhalt der Verhaltenspflichten der Parteien während der Vertragsverhandlungen letztlich von den Umständen des Einzelfalls, einschließlich der einschlägigen Handelsbräuche, abhängt47 . Für den Fall eines ungerechtfertigten Abbruchs der Vertragsverhandlungen bedeutet dies, daß, je formeller die Verhandlungen bislang geführt wurden (z. B. Austausch von "letters of intent" oder "memoranda of understanding", in denen die bereits geregelten, wie auch die noch offenen Punkte festgelegt werden), um so eher kann man mit einem endgültigen Vertragsabschluß rechnen und mithin darf keine Partei ungestraft die Verhandlungen abbrechen. Auch der Inhalt von Offenbarungspflichten hängt in der Regel von der Fachkunde der Parteien, dem besonderen Geschäftszweig, in dem sie operieren, etc., ab. Ebenso ist es denkbar, daß bestimmte Informationen, die in einem bestimmten Geschäftszweig oder einer Berufssparte als vertraulich gelten, anderswo frei ausgetauscht werden können.

Alles andere als einfach zu beantworten ist die Frage nach den für die geschädigte Partei verfügbaren Rechtsbehelfe.

Das Übereinkommen selbst schweigt, und die ausdrücklich vorgesehenen Rechtsbehelfe beziehen sich alle auf Verletzung von Pflichten, die sich aus einem bereits geschlossenen Vertrag ergeben. Sie erscheinen daher, zumindest auf den ersten Blick, als ungeeignet für Fälle, in denen ein Vertrag gar nicht erst geschlossen wurde und die nicht erfüllte Erwartung der geschädigten Partei nur den erfolgreichen Abschluß der Vertragsverhandlungen betraf.

Bei näherer Betrachtung sollte es jedoch möglich sein, eine Lösung durch analoge Anwendung zumindest einiger dieser Vorschriften zu finden.

So besteht kein Grund, daß die Erfüllungsansprüche, inklusive der Unterlassungsansprüche, die in der Konvention für den Fall der Verletzung der sich aus dem Kaufvertrag ergebenden Ge- und Verbote vorgesehen sind48 , nicht auch auf Fälle der Verletzung von Offenbarungs- oder Geheimhaltungspflichten angewendet werden können.

Was das Recht auf Schadenersatz betrifft, so trifft es sicherlich zu, daß bei Vertragsbruch die geschädigte Partei so zu stellen ist, wie sie stünde, wenn der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre (positives oder Erfüllungsinteresse), während es bei Verletzung vorvertraglicher Pflichten in der Regel nur darum geht, sie so zu stellen, wie sie ohne das pflichtwidrige Verhalten der anderen Partei stünde (negatives Interesse). Die Formulierung des Art. 74 erweist sich jedoch als ausreichend flexibel, um auch die letztgenannten Fälle im Rahmen einer analogen Anwendung sachgerecht zu erfassen: "Verlust" würde dann für die im Hinblick auf den erwarteten Vertrag gemachten Aufwendungen und "entgangener Gewinn" für die verpaßte Gelegenheit eines Abschlusses mit anderen Partnern stehen, während "infolge der Vertragsverletzung" so zu lesen wäre, daß nur die im Hinblick auf den erwarteten Vertrag gerechtfertigten Aufwendungen und nur solche verpaßte Gelegenheiten zu anderen Abschlüssen ersatzfähig sind, die die geschädigte Partei wegen der später erfolglosen Verhandlungen vernünftigerweise auslassen durfte49 . Auch die Vorschrift des Art. 77, in dem die Verpflichtung der geschädigten Partei zur Schadensminderung festgelegt wird, bereitet keine Schwierigkeiten: Mit anderen Worten, auch im Fall der vorvertraglichen Haftung sollte die geschädigte Partei nicht den Ersatz des Schadens verlangen können, den sie in zumutbarer Weise hätte vermeiden können, z. B. durch Einstellung der Aufwendungen oder durch Wahrnehmung anderer Gelegenheiten, sobald sie Anlaß hatte, am ernsthaften Willen der Gegenpartei, zu einem Vertragsschluß zu kommen, zu zweifeln. Was schließlich die in Art. 74 Satz 2 festgelegte Schadensbegrenzungsregel anlangt, so gilt es natürlich in Ermangelung eines Vertragsschlusses einen anderen maßgeblichen Zeitpunkt zu bestimmen: Als die sachgerechteste Lösung bietet sich der Zeitpunkt an, zu dem die geschädigte Partei vernünftigerweise erstmals mit einem positiven Ausgang der Vertragsverhandlungen rechnen durfte.

Ergebnisse

Obschon die meisten Kaufverträge, die in den Anwendungsbereich des UN-WKG fallen, nach dem klassischen Schema des Austauschs von Angebot und Annahme geschlossen werden, ist es möglich, daß das Übereinkommen auch Verträge erfaßt, die nicht nach einer solchen Folge von übereinstimmenden Willenserklärungen zustande kommen.

Die Probleme, die sich aus dieser Art von Verträgen ergeben, sind vielfältig: Man denke nur an die Frage, ob, und wenn ja, wann ein Vertrag zustande gekommen ist; welche Rechtsnatur und Wirkung die verschiedenen Schriftstücke haben, die die Parteien normalerweise im Laufe der Verhandlungen austauschen mögen; welche Rechtsfolgen etwaige Vereinbarungen über besondere Formerfordernisse haben und ob 702 unter bestimmten Bedingungen später auf sie verzichtet werden kann.

All diese Fragen hängen auf die eine oder andere Weise mit dem Zustandekommen des Vertrages zusammen. Als solche unterfallen sie deshalb dem UN-WKG und es erscheint, daß wenn auch nicht alle, so doch die meisten der angesprochenen Probleme bei analoger Anwendung der Konventionsvorschriften über Angebot und Annahme in befriedigender Weise gelöst werden können.

Das UN-WKG schweigt auch zum Problem einer vorvertraglichen Haftung der Parteien für ihr Verhalten während der Vertragsverhandlungen.

Bei der sich zunächst stellenden Frage, ob der Problemkreis in den Regelungsbereich der Konvention fällt, erscheint es angebracht, zwischen verschiedenen Fallgruppen zu unterscheiden. Fälle, die Personen- oder Sachschäden betreffen, sowie solche, in denen das unzulässige Verhalten einer Partei zum Abschluß eines fehlerhaften Vertrages führen, fallen nicht unter das UN-WKG. Anders ist es dann, wenn die Parteien selbst kraft Vereinbarung bestimmen, welche Rechte und Pflichten sie während der laufenden Verhandlungen haben, sowie dann, wenn es wegen des unzulässigen Verhaltens einer Partei nicht zum Abschluß des beabsichtigten Vertrages kommt.

Für den Fall, daß das unzulässige Verhalten einer Partei den Abschluß des beabsichtigten Vertrags verhindert, stellt sich zunächst die Frage, ob und in welchem Umfang die entsprechende Partei überhaupt für ihr Verhalten haftbar gemacht werden kann. Weiterhin, welche Rechtsbehelfe der anderen Partei zustehen. Bei näherer Betrachtung bietet das UN-WKG eine Lösung für beide der angesprochenen Probleme.

Die Grundlage für eine vorvertragliche Haftung der Parteien ist im Prinzip von Treu und Glauben zu sehen, auf das Art. 7 Abs. 1 ausdrücklich als zusätzliches Auslegungskriterium der Konvention selber verweist, und das darüber hinaus eines der ihr zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze darstellt, die zur Lösung von nicht ausdrücklich geregelten Fragen herangezogen werden dürfen. Was hingegen die der geschädigten Partei zustehenden Rechtsbehelfe anlangt, so lassen sie sich durch analoge Anwendung der Konventionsvorschriften über die Rechtsbehelfe für den Fall eines Vertragsbruchs ermitteln.

* Dieser Aufsatz beruht auf einem Vortrag zum Thema "Formation of Contracts and Precontractual Liability under the Vienna Convention on the International Sale of Goods", den der Verfasser auf Einladung des Institute of International Business Law and Practices der I.H.K. in Paris am 13. 11. 1989 gehalten hat.
1 Wiener Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf, in Kraft getreten am 1. Januar 1988; für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten zum 1. Januar 1990 (vgl. Art. 99 Abs. 3 des Übereinkommens) im Verhältnis zu Ägypten, Argentinien, Australien, Chile, CSFR, Dänemark, DDR, Finnland, Frankreich, Italien, Jugoslawien, Lesotho, Mexiko, Norwegen, Österreich, Sambia, Schweden, Schweiz, Syrien, Ukraine, Ungarn, USA, VR China, Weißrußland durch Zustimmungsgesetz vom 5. Juli 1989, BGBl. 1989, II, 586; ebenda, S. 588 ff. die amtliche deutsche Übersetzung, sowie ein Abdruck der englischen und französischen Fassung; alle sechs gleichberechtigten Fassungen des Übereinkommens in arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache, sowie eine deutsche und eine italienische Übersetzung finden sich in Bianca/Bonell, Commentary on the International Sales Law (1987) (im folgenden Bianca/Bonell, Commentary), 683ff.
2 Um nur zwei von den neueren Übereinkommen zu nennen, die beiden UNIDROIT-Konventionen von 1988 über den internationalen Leasing - und Factoringvertrag befassen sich nicht mit dem Abschluß der jeweiligen Verträge, sondern nur mit den sich daraus für die Parteien ergebenden Folgen. Im Transportrecht läßt sich der beschränkte Regelungsbereich der internationalen Konventionen oftmals bereits aus deren Titel entnehmen: vgl. z.B. das Internationale Brüsseler Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente (Haager Regeln) von 1924, das Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr von 1929 oder den UNCITRAL-Entwurf einer Konvention über die Haftung von Transportterminalunternehmen im internationalen Handel von 1989.
3 In den traditionellen Kodifikationen des kontinentalen Rechtskreises werden unter dem Titel "Kaufverträge" nur die sich aus diesen Verträgen ergebenden Rechte und Pflichten der Parteien geregelt, während das Zustandekommen und die Auslegung der Kaufverträge sich nach den im "Allgemeinen Teil" enthaltenen, für alle Arten von Verträgen geltenden Vorschriften richtet. Ähnlich ist die Situation in den skandinavischen Ländern, wo es neben einem "Einheitlichen Kaufgesetz" ein "Einheitliches Gesetz über das Zustandkommen von Verträgen" gibt. Im angloamerikanischen Rechtskreis sind die Vorschriften über das Zustandekommen und die Auslegung von Verträgen überhaupt nicht Teil des geschriebenen Rechts, sondern werden nach den allgemeinen Prinzipien des common law bestimmt. Einzige Ausnahme hiervon ist der Uniform Commercial Code der Vereinten Staaten, der im Abschnitt über Kaufverträge (Article 2) auch einige wichtige Vorschriften über das Zustandekommen von Verträgen enthält.
4 Zu diesem Teil der Konvention siehe, nur um einige der grundlegenden Beiträge zu erwähnen, P. Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht (1981) (im folgenden: P. Schlechtriem, UN-Kaufrecht), 34-45; M. J. Bonell, La formazione del contratto di compravendita, in La vendita internazionale. La Convenzione di Vienna dell' 11. Aprile 1980 (1981), 113ff.; J Honnold, Uniform Law for International Sales under the 1980 United Nations Convention (1982) (im folgenden J. Honnold, Uniform Law), 159-207; J. C. Kelso, U.N. Convention on Contract for the International Sale of Goods: Contract Formation and the Battle of Forms, in 21 Columbia Journal of Transnational Law (1982-1983), 529-556; P. Winship, Formation of International Sales Contracts under the 1980 Vienna Convention, in 17 International Lawyer (1983), 1-8; F. Enderlein/D. Maskow/M. Stargardt, Kaufrechtskonventionen der UNO (mit Verjährungskonvention) Kommentar, 1985, (im folgenden F. Enderlein/D. Maskow/M. Stargardt, Kommentar), 61-72; F. Bydlinski, Das allgemeine Vertragsrecht, in Doralt (Hrsg.), Das UNCITRAL-Kaufrecht im Vergleich zum österreichischem Recht, 1985, 57 ff.; A. M. Garro, La formacion del contrato en la convencion de Viena sobre compraventas internacionales y en el proyecto de unificacion, Revista Juridica de Buenos Aires, 1987-III, 13-58; G. Eörsi and E. A. Farnsworth, in Bianca/Bonell, Commentary, 132-162 und 163-204.
5 Dazu, daß nach Kollisionsrecht seinerseits wieder das UN-WKG anwendbar sein kann und zu den sich daraus ergebenden Problemen Siehr, Der internationale Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, RabelsZ 52 (1988), 588, 592 ff.
6 In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Konvention nicht vom Einheitlichen Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen von 1964 (EAG), dem Vorläufer von Teil II des UN-WKG: siehe P. Schlechtriem in: Dölle, Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, 1976, 700.
7 In Ermangelung einer speziellen Definition des Begriffs "Waren" durch die Konvention selbst kann davon ausgegangen werden, daß damit alle beweglichen Sachen außer den in Art. 2 genannten gemeint sind; außerdem findet die Konvention nach Art. 3 Abs. 1 auch auf Verträge über die Lieferung noch herzustellender oder noch zu erzeugender Sachen Anwendung, es sei denn, der Besteller hat einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendiger Stoffe selber zur Verfügung zu stellen.
8 Zur Zulässigkeit einer solchen Rechtswahlklausel und den verschiedenen Fallgestaltungen siehe: J. Honnold, Uniform Law, 109-112; M. J Bonell in: Bianca/Bonell, Commentary, 62-64.
9 Gleicher Ansicht: P. Schlechtriem, UN-Kaufrecht, 35.
10 Siehe Art. 6 Abs. 4 lit. b) des Entwurfs des Einheitsgesetzes, den das UNCITRAL-Sekretariat der Arbeitsgruppe auf dessen achter Sitzung im Januar 1977 unterbreitete (UNCITRAL-Yearbook, Vol. VIII (1977), 93 ff.). Schon für das EKG haben Frankreich und die Vereinigten Staaten auf der Diplomatischen Konferenz in Den Haag 1964 darauf gedrängt, eine entsprechende Vorschrift aufzunehmen (vgl.: Conf/F/Amend/67: "When in the course of the negotiations, the parties by their conduct have recognised that a contract has been formed, this conduct is sufficient to establish its existence even though their written communications do not establish it. It is otherwise if the parties have made the formation of the contract subject to a signed writing"), mit der Begründung, es bestehe sonst die Gefahr einer Schlußfolgerung "a contrario" zu den anderen Artikeln, nach denen ein Vorliegen von Angebot und Annahme für das Zustandekommen eines Vertrages erforderlich sei. Dieser Vorschlag wurde jedoch durch Mehrheitsbeschluß zurückgewiesen (vgl. Diplomatic Conference on the Unification of Law Governing the International Sale of Goods, The Hague 1966, I, 241). Mit viel weniger Bedenken entschied sich die Arbeitsgruppe der UNCITRAL für die Streichung des vorgeschlagenen Art. 6 Abs. 4 lit. b): die Begründung war einfach die, daß eine solche Vorschrift nicht notwendig sei (UNCITRAL Yearbook, a. a. O., 81).
11 Im Ergebnis ebenso: U. Huber, Der UNICITRAL-Entwurf eines Übereinkommens über internationale Warenkaufverträge, RabelsZ 43 (1979), 413 (445-447); P. Schlechtriem, UN-Kaufrecht, 35.
12 Hierzu vor allem: M. Fontaine, Les lettres d'intention dans la négociation des contrats internationaux, in Droit et pratique du commerce international 3 (1977), 73 ff. (im folgenden M. Fontaine, Lettres d'intention); J. Schmidt, Négociation et conclusion de contrats, 1983, (im folgenden J. Schmidt, Négociation), insbesondere 197 ff.; M. Letter, Der Letter of Intent, 1983 (im folgenden M. Letter, Letter of Intent); E. A. Farnsworth, Precontractual Liability and Preliminary Agreements: Fair Dealing and Failed Negotiations, in 87 Columbia Law Review (1987), 217 ff. (im folgenden E. A. Farnsworth, Precontractual Liability), 249-269.
13 E. A. Farnsworth, Precontractual Liability, 249, sieht es richtig als "the intermediate regimes" an.
14 Zum Versuch einer systematischen Einordnung: M. Fontaine, Lettres d'intention, 100-115; J. Schmidt, Négociation, 201-260; M. Letter, Letter of Intent, 19-57; E. A. Farnsworth, Precontractual Liability, 249-269.
15 Das Beispiel stammt von M. Lutter, Letter of Intent, 131.
16 Für dieses Beispiel: M. Fontaine, Lettres d'intention, 85.
17 Zu der Frage, wann eine Absichtserklärung bindend ist, siehe grundlegend: E. Eörsi, in: Bianca/Bonell, Commentary, 137ff.; zur selben Frage nach dem EAG siehe: P. Schlechtriem, in: Dölle, Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, 692 ff.
18 Für dieselbe Lösung nach EAG: P. Schlechtriem, in: Dölle, Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, 689.
19 Für die Unterschiede zwischen solchen Übereinkünften und solchen, bei denen die Parteien für den Fall, daß die Verhandlungen letztlich scheitern, keine Bindung beabsichtigen siehe vor allem: E.A. Farnsworth, Precontractual Liability, 250ff., der in bezug auf erstere von "agreements with open terms", in bezug auf letztere hingegen von "agreements to negotiate" spricht.
20 Für eine ausdrückliche Anerkennung dieser Lösung siehe auf nationaler Ebene und auf Kaufverträge mit unbestimmtem Preis beschränkt: § 2-305 UCC ; auf internationaler Ebene und für Verträge im allgemeinen: Art. 2.13 des UNIDROIT-Entwurfs über Regeln für internationale Handelsverträge (Study L - Doc. 40 Rev. 4) (im folgenden: UNIDROIT-Regeln): "(1) If the parties intended to conclude a contract, the fact that they have intentionally left a term to be agreed upon in further negotiations or to be determind by a third person does not prevent a contract from coming into existence. - (2) The existence of the contract is not affected by the fact that subsequently (a) the parties reach no agreement on the term, or (b) the third person does not determine the term, provided that there is an alternative that is reasonable in all of the circumstances, including any intention of the parties".
21 Wenn beispielsweise die fehlenden Bestimmungen den Ort oder Zeitpunkt der Lieferung betreffen, könnten Artt. 31 und 33 eingreifen, während bei fehlender Preisbestimmung auf Art. 55 zurückgegriffen werden sollte.
22 Dazu eingehender M. J. Bonell, in: Bianca/Bonell, Commentary, 80-81.
23 In diesem Sinne richtig: G. Eörsi, in: Bianca/Bonell Commentary, 141 und 405 ff.
24 E. A. Farnsworth, Precontractual Liability, 259, mit ausführlichen Hinweisen der reichhaltigen US-Rechtssprechung.
25 Die rechtsvergleichend noch immer vollständigsten Ausführungen zu dieser Frage finden sich in R. B. Schlesinger (Hrsg.), Formation of Contracts, 1968 (im folgenden: R. B. Schlesinger, Formation), unter C-2: "Agreements contemplating a writing or other formality" (S.177-182: General Report; S.1623-1693: National Reports).
26 Dies entspricht der Regelung z. B. in den USA, der Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Schweiz; vgl. die jeweiligen "National Reports" in: R. B. Schlesinger, Formation, 1633-1639 und 1667 ff.
27 Für eine ähnliche Lösung siehe vor allem: P. Schlechtriem, UN-Kaufrecht, 33; S. K. Date-Bah in: Bianca-Bonell, Commentary, 242-244; R. A. Hillman, Article 29 (2) of the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods: A New Effort at Clarifying the Legal Effect of "No Oral Modification" Clauses, in 21 Cornell International Law Journal (1988), 449 ff. (460-461).
28 In diesem Sinne: J. Honnold, Uniform Law, 142; P. Winship, An Introduction to the United Nations Sales Convention, in 43 Consumer Finance Law Quarterly Report (1989), 23 ff. (29); contra E. A. Farnsworth, in: Bianca/Bonell, Commentary, 102, der meint, Art. 6 betreffe nicht Übereinkünfte der Parteien zu einem Punkt, zu dem die Konvention schweigt.
29 Mit anderen Worten können "merger-clauses" nur verhindern, daß sich die Parteien auf frühere oder gleichzeitige abweichende Nebenabreden zur Ergänzung oder Veränderung des Vertragstextes berufen. In diesem Sinne auch Art. 2.16 (2) der UNIDROIT-Regeln: "A contract in writing which contains a provision indicating that the writing completely embodies the terms on which the parties have agreed cannot be contradicted or supplemented by evidence of prior statements or agreements. However, such Statements or agreements may be used to interpret the writing".
30 Dieser Artikel wurde durch den weiterreichenden Vorschlag Ungarns und der DDR verdrängt, welcher u. a. auch die Frage des Schadens behandelte: "In case a party violates the duties of care customary in the preparation and formation of a contract of sale, the other party may claim compensation for the costs borne by it". Zum Hintergrund dieses Vorschlages siehe F. Enderlein, Zur Ausarbeitung einer Konvention über den Abschluß internationaler Kaufverträge durch die UNCITRAL, in DDR-Außenwirtschaft 52/77 - Recht im Außenhandel, 32. Beilage (1977), 1 ff. (7-8).
31 Siehe UNCITRAL Yearbook IX (1978), 35-36.
32 Vgl. United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods (Vienna 10 March - 11 April 1980), Official Records (1981), 255-257.
33 Vgl. den Ergänzungsvorschlag von Norwegen (A/Conf. 97/C.1/ L.28).
34 Vgl. den Ergänzungsvorschlag von Italien (A/Conf. 97/C.1/L.59).
35 Zur Entstehungsgeschichte und Zielsetzung der in Art. 7 Abs. 2 enthaltenen Regelung, siehe M. J. Bonell, in: Bianca/Bonell, Commentary, 70 ff.; P. Winship, Private International Law and the U.N. Sales Convention, in 21 Cornell International Law Journal (1988), 487 ff. (509-515).
36 In diesem Sinne u. a.: P. Schlechtriem, UN-Kaufrecht, 45; H. Stoll, Internationalprivatrechtliche Fragen bei der landesrechtlichen Ergänzung des Einheitlichen Kaufrechts, in Festschrift für M. Ferid, 1988, 495 ff. (504-505); etwas unklar G. Eörsi, A propos the 1980 Vienna Convention on Contracts for the International Sale of Goods, in 31 The American Journal of Comparative Law (1983), 333 ff. (348-349).
37 Für verschiedengeartete systematische Untersuchungen der vorvertraglichen Haftung, siehe F Kessler/E. Fine, Culpa in Contrahendo, Bargaining in Good Faith, and Freedom of Contract: A Comparative Study, in 77 Harvard Law Review (1964), 401 ff. (im folgenden F. Kessler/E. Fine, Culpa in Contrahendo); H. Stoll, Tatbestände und Funktionen der Haftung für culpa in contrahendo, in Festschrift E. von Caemmerer, 1978, 435 ff. (im folgenden H. Stoll, Tatbestände); J. Schmidt, Négociation, 103-195; E. A. Farnsworth, Precontractual Liability, 229-243, 269-285.
38 Zu dieser Art von Vereinbarungen, mit einer großen Anzahl der Praxis entnommener Beispiele, die die Vielfalt hinsichtlich von Form und Inhalt zeigen, siehe im besonderen M. Fontaine, Lettres d'intention, 102-114 (der von "contrats de négociation" spricht); J. Schmidt, Négociation, 256-260 (der von "contrats temporaires" spricht); M. Lutter, Letter of Intent, 35-45 (der von "Vorfeldverträgen" spricht); E. A. Farnsworth, Precontractual Liability, 252, 272-285 (der von "stop-gap agreements" spricht).
39 Siehe hierzu die überzeugenden Ausführungen von H. Stoll, Tatbestände, 452-454.
40 Für einen Überblick der Lösungen in den wichtigsten nationalen Rechtsordnungen siehe vor allem F. Kessler/E. Fine, Culpa in Contrahendo, 427-448; H. Stoll, Tatbestände, 438-444, 460-467.
41 Siehe zu den unterschiedlichen Ansichten, M. J. Bonell, in: Bianca/Bonell, Commentary, 85.
42 Siehe zu dem deutschen Recht H. Stoll, Tatbestände, 445-452; zum französischen Recht J. Ghestin, Traité de droit civil. Les Obligations, Le contrat: Formation (2 ed) (1988), 233-235; zum italienischen Recht R. Sacco, Il Contratto (1975), 661-669.
43 Siehe E. A. Farnsworth, Precontractual Liability, 242-243.
44 Dies ist auch die in den UNIDROIT-Regeln vorgesehene Lösung (Art. 2.14): "(1) A party is free to negotiate and is not liable for failure to reach an agreement. (2) However, a party who has negotiated or broken off negotiations in bad faith is liable, for the losses caused to the other party. (3) It is bad faith, in particular, for a party to enter into or continue negotiations knowing that he is not able or willing to make an agreement with the other party."
45 Für eine rechtsvergleichende Untersuchung der Offenbarungspflicht im kontinentalen und anglo-amerikanischen Rechtskreis, siehe F. Kessler/E. Fine, Culpa in Contrahendo, 437-444; unter besonderer Berücksichtigung des französischen und englischen Rechts T. Ghestin, L'obligation précontractuelle de renseignements en droit français, und B. Nicholas, L'obligation précontractuelle de renseignements en droit anglais, beide in: Tallon/Harris, Le contrat aujourd'hui: comparaisons franco-anglaises (1987), 171-184 und 185-205.
46 Entsprechend Art. 2.15 der UNIDROIT-Regeln: "If Information is given as confidential by one party in the couse of negotiations, the other party is under a duty not to disclose that Information or use it improperly for his own purposes whether or not a contract is subsequently concluded. If appropriate, the remedy for breach may include compensation based on the benefit received by the other party".
47 M. Lutter, Letter of Intent, 60, hebt richtigerweise das "stark dynamisches Element" hervor, daß zwischen den Parteien hinsichtlich ihrer vorvertraglichen Verhaltenspflichten besteht. Für einen Versuch, den Inhalt dieser Pflichten, soweit sie Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung sind, näher zu definieren, siehe E. A. Farnsworth, Precontractual Liability, 273-285 (der Autor bildet 7 Fallgruppen für die wichtigsten Fälle: "refusal to negotiate", "improper tactics", "unreasonable proposals", "nondisclosure", "negotiation with others", "reneging", and "breaking off negotiations").
48 Siehe hierzu im einzelnen die in Artt. 28 und 46-47 UN-WKG festgelegten Bedingungen.
49 Zu den Voraussetzungen, unter denen in den bestehenden nationalen Rechtsordnungen entgangene Gelegenheiten ersatzfähig sind, siehe unter anderem H. Stoll, Tatbestände, 451-452; M. Letter, Letter of Intent, 83-85 (für das deutsche Recht), 109-112 (für französisches und belgisches Recht); E. A. Farnsworth, Precontractual Liability, 223-229.

Referring Principles
A project of CENTRAL, University of Cologne.