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Reinhart, Gert, Fälligkeitszinsen und UN-Kaufrecht, 11 IPRax 1991, at 376 et seq.

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Reinhart, Gert, Fälligkeitszinsen und UN-Kaufrecht, 11 IPRax 1991, at 376 et seq.
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Fälligkeitszinsen und UN-Kaufrecht

(zu LG Hamburg, 26. 9. 1990 - 5 O 543/88, unten S. 400, Nr. 60)

von Prof Dr. Gert Reinhart, Heidelberg

I.

1. Das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Hamburg v. 26. 9. 1990, in dem ein Streit zwischen einem italienischen Bekleidungsexporteur und einem deutschen Abnehmer mit einer Vielzahl internationalprivatrechtlicher Fragen zu behandeln war, ist gut begründet, die Richter beherrschen den Umgang mit dem IPR und dem Einheitsrecht souverän.

Die Kl., eine italienische Aktiengesellschaft (S.p.A.), begehrte vom Bekl., einem in Hamburg lebenden deutschen Staatsangehörigen, Zahlung des Kaufpreises von rund 95 000 DM auf Grund eines am 2. 6. 1988 in Italien geschlossenen Kaufvertrages über Bekleidungsartikel, die im Juni 1988 geliefert wurden. Da die Kaufpreiszahlung ausblieb, verhandelten die Parteien über eine Stundung; der Bekl. übergab Ende Juli/Anfang August 1988 der Kl. einen Wechsel einer deutschen GmbH, in der diese als Bezogene und als Akzeptantin eingetragen war. Bei Fälligkeit am 15. 9. 1988 ging der Wechsel zu Protest. Im Prozeß behauptet der Bekl., er habe den Kaufvertrag nicht im eigenen Namen, sondern als Einkäufer der GmbH geschlossen. Dieser Behauptung ist das Gericht auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht gefolgt, es hält den Bekl. für den Vertragspartner der Kl.

2. Die Parteien dieses Rechtsstreits mit Auslandsberührung haben weder bei Abschluß des Vertrages noch im Verfahren vor dem deutschen Gericht eine einverständliche Rechtswahl getroffen. Zu Recht ermitteln daher die Richter des nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ zuständigen LG Hamburg das Vertragsstatut nach der Vorschrift des Art. 28 Abs. 2 EGBGB, da die Kl. als Verkäuferin die charakteristische Leistung des Kaufvertrages erbrachte1. Die Sachrechtsverweisung (Art. 35 EGBGB) der deutschen Kollisionsregeln auf das italienische Recht führt dort zu den Normen des UN-Kaufrechts2, das im Jahre 1988 für Italien bereits in Kraft war, denn bei der Ratifikation hat Italien die Möglichkeit nicht genutzt, gegen die Vorschrift des Art. 1 Abs. 1 lit b UNKR, nach der das UN-Kaufrecht auch gegenüber Partnern in Nichtvertragsstaaten zur Anwendung kommt, einen Vorbehalt einzulegen3. Damit ist aus italienischer Sicht das UN-Kaufrecht das für den Außenhandel einschlägige Sachrecht, auch wenn der betroffene ausländische Staat das Wiener Übereinkommen (noch) nicht ratifiziert hat.

3. Anspruchsgrundlage für die Zahlung des Kaufpreises ist die Vorschrift des Art. 53 UNKR- Das Zustandekommen des Vertrages prüfen die Richter zutreffend nach Art. 23 Abs. 1 UNKR, die Erklärungen des Bekl. werden dabei nach der Vorschrift des Art. 8 UNKR ausgelegt. Der Kaufpreisanspruch ist an sich seit Lieferung der Ware fällig (Art. 58 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative UNKR), die Parteien des Rechtsstreits haben im vorliegenden Fall jedoch den ursprünglichen Vertrag geändert und eine Stundung der Kaufpreisforderung bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Wechsels vereinbart4.

II.

Schwierigkeiten haben die Richter bei der Beurteilung des Falles nur an einem Punkt: bei der Verzinsung des geschuldeten Kaufpreises.

Zu Recht wird die Zinszahlungspflicht des Bekl. in zwei Teilbeträge aufgespalten:

1. Aus der Vorschrift des Art. 78 UNKR ergibt sich eine Zinszahlungspflicht bei Ausbleiben des fälligen Kaufpreises "dem Grunde nach"5. Die Höhe des Zinssatzes ist nach Auffassung der Hamburger Richter dem durch die deutschen Kollisionsnormen zu ermittelnden unvereinheitlichten nationalen Recht zu entnehmen6. Die Richter kommen unter Anwendung der Regeln des deutschen IPR zum autonomen italienischen Recht, das für diesen Sachverhalt nach der Bestimmung des Art. 1284 Abs. 1 c.c. einen gesetzlichen Zinsssatz von 5 % vorsieht7.

Die in der Literatur vertretenen abweichenden Auffassungen, z. B. die Ansicht, daß das Recht des Schuldnerlandes für die Bestimmung der Höhe des Zinssatzes maßgebend sei8, werden in der Entscheidung zwar angedeutet, aber mit der nicht gerade überzeugenden Behauptung, es "bestehe kein Grund", einer dieser Ansichten zu folgen, abgelehnt.

Der Zinsanspruch nach Art. 78 ist in einem besonderen Abschnitt III "Zinsen" neben dem Abschnitt 11 "Schadenersatz" (Artt. 74-77) in Kapitel V des Teils III des Wiener Kaufrechtsübereinkommens der Vereinten Nationen verankert. Dadurch haben die Verfasser der Konvention zum Ausdruck gebracht, daß es sich um getrennte Rechtsinstitute handelt9. Zinsen sind zu zahlen, wenn der Schuldner den Kaufpreis bei Fälligkeit nicht bezahlt. Der Zinsanspruch entsteht unabhängig davon, ob durch das Versäumnis der Zahlung ein Schaden eingetreten und wie

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hoch dieser ist10. Der Schuldner kann sich daher-anders als beim Schadensersatzanspruch - nicht nach der Vorschrift des Art. 79 von der Pflicht zur Zinszahlung entlasten11.

2. Nach der ausdrücklichen Bestimmung in Art. 78 sind weitere Schäden gem. Art. 74 zu ersetzen, in diesem Fall kann sich der Schuldner jedoch auf einen evtl. vorliegenden Befreiungsgrund nach Art. 79 berufen12. Als ein weiterer Schaden gelten auch die Kosten für einen wegen der nicht rechtzeitigen Kaufpreistilgung in Anspruch genommenen Kredit, soweit sie über dem Betrag der nach Art. 78 geschuldeten Fälligkeitszinsen liegen13.

Den im konkreten Fall über den gesetzlichen italienischen Zinssatz hinausgehenden Zinsschaden von weiteren 8 % sehen die Richter zu Recht in der Vorschrift des Art. 74 UNKR begründet. Zugrunde gelegt wird der Marktzins, den der Gläubiger -die italienische Kl. - bei rechtzeitiger Zahlung des Kaufpreises bei Anlage eines Kapitals in Höhe der nicht bezahlten Kaufpreisschuld am Ort seiner Niederlassung hätte erzielen können. Anhaltspunkte für die richterliche Schätzung des Zinsschadens nach § 287 ZPO ist der jeweilige Marktzins, häufig ausgedrückt im Diskontsatz14. Er betrug im November 1988 in Italien 13 %, lag also 8 % über dem nach Art. 78 UNKR zugesprochenen 5 % "Grundzins".

III.

1. Bei den Beratungen der UN-Konvention war die Frage, ob und in welcher Höhe die fällige Kaufpreisschuld zu verzinsen sei, umstritten15. Die entsprechende Regelung im Haager Kaufrecht (Art. 83 EKG), nach welcher der Zinssatz ein Prozent über dem amtlichen Diskontsatz des Landes liegt, in dem der "Verkäufer" seine Niederlassung hat16, war auf der Wiener Konferenz nicht (mehr) konsensfähig. Grund für die Nichteinigung waren die divergierenden politischen und kommerziellen Interessen, die durch religiöse Motive verstärkt wurden. Insbesondere die Delegierten der arabischen Staaten hielten an dem Zinsverbot des Korans fest, auch wenn im Handel zwischen islamischen Kaufleuten für den Fall des Verzugs mit der Zahlung Entschädigungen und Gewinnbeteiligungen gewährt werden, die im Ergebnis einer Zinszahlung gleichkommen17.

Die Nichteinigung in diesem Punkt war den Delegierten auf der Wiener Konferenz bewußt18. Sie begnügten sich mit der Festlegung, daß ab Fälligkeit der Kaufpreisforderung eine Pflicht zur Zinszahlung besteht (Art. 78). Daß die Höhe des Zinssatzes ungeregelt blieb, wurde in Kauf genommen19.

Diese Lücke in der Regelung der Konvention ist nach der Vorschrift des Art. 7 UNKR zu schließen:

a) Zunächst ist zu prüfen, ob nach der Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 eine Auslegung der Bestimmung des Art. 78 helfen könnte, die Höhe des Zinssatzes festzulegen20. Dies ist weder nach dem Wortlaut des Art. 78 noch nach seiner systematischen Stellung in der Konvention möglich. Eine teleologische Auslegung hilft angesichts der eindeutigen Entstehungsgeschichte nicht weiter; auch mit Analogie oder "argumentum e contrario" kommt man zu keinem überzeugend begründbaren Ergebnis21.

b) In der nächsten Stufe ist der Lückenschluß nach der Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 zu prüfen22. Dabei stehen nach dem Konventionstext zwei Möglichkeiten zur Wahl:

aa) Denkbar wäre, daß aus der Konvention selbst "allgemeine Grundsätze" abgeleitet werden, die geeignet sind, die Lücke zu schließen23. Voraussetzung dafür wäre aber, daß eine ähnliche Frage an einer anderen Stelle in der Konvention geregelt würde. Dies ist nicht ersichtlich, denn einen materiellrechtlichen "allgemeinen Grundsatz" über die Zinshöhe, z. B. bei Schadensersatzansprüchen oder bei Ansprüchen auf Rückerstattung, hat man in der Konvention nicht festgelegt. Aus dem Haager Kaufrecht, dessen Lösung (Art. 83 EKG)24 bewußt von der Mehrheit der Verfasser der Konvention abgelehnt wurde, auf eine dem UNKR "zugrunde liegende" allgemeine Regel zu schließen, verbietet sich angesichts der Entstehungsgeschichte der Vorschrift des Art. 78 UNKR.

Es gibt aber auch keinen internationalprivatrechtlichen "allgemeinen Grundsatz", der das im Fall der Lückenfüllung anzuwendende Recht bestimmen könnte. Überlegungen in dieser Richtung findet man beispielsweise bei Leser25, der vorschlägt, die Festsetzung der Zinshöhe nach dem Zinssatz am Ort der Niederlassung des Verkäufers als dem UN-Kaufrecht "immanente Bestimmung" anzusehen. Dieser Ansatz ist dogmatisch richtig26, doch fehlt es bisher an dem Nachweis, daß sich dieser Grundsatz aus der Konvention als dieser "zugrunde liegend" ableiten ließe.

bb) Es bleibt daher nach dem jetzigen Stand der wissenschaftlichen Aufbereitung der Wiener Konvention und der ihr zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze nur der bedenkliche Ausweg, für den sich die Delegierten in Wien - in bewußter Abkehr von der das IPR ausschaltenden Lösung des Haager Kaufrechts (Art. 17 EKG) -27 mit der 2. Alternative der Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 UNKR entschieden haben: Gelingt es dem Richter im konkreten Fall nicht, durch Auslegung des UN-Kaufrechts, nämlich durch Rückgriff auf die diesem zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze, eine Lösung für den von ihm zu entscheidenden Fall zu gewinnen, so wird er nach seinen IPR-Regeln das auf den Kaufvertrag anwendbare nationale Recht zu bestimmen haben, ihm muß er dann die Regeln für die

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Schließung der Lücke entnehmen28. Dies gilt auch im Fall der Bestimmung der Zinshöhe für den nach Art. 78 UNKR geschuldeten Anspruch auf Verzinsung der fälligen Kaufpreisforderung.

Die Mehrheit der Delegierten auf der Wiener Konferenz wollte die Bemessung des Zinssatzes dem nationalen Recht überlassen, das nach der lex fori, den Vorschriften des IPR des Gerichtsstaats, zu ermitteln wäre; zu einem solchen Beschluß kam es aber nicht29. Insoweit besteht die Freiheit, nach anderen dogmatisch begründbaren Lösungen zu suchen. Eine solche Lösung kann aber nicht darin bestehen, aus dem Umstand, daß nach vielen nationalen IPR-Vorschriften bei fehlender Rechtswahl der Parteien das materielle Recht des Verkäuferlandes als lex causae maßgeblich ist, den Schluß zu ziehen, es sei "stets" das Recht des Verkäuferlandes zur Schließung der Lücke und damit zur Bestimmung der Zinshöhe berufen. Diese Ansicht wird vereinzelt - ohne hinreichende Begründung - in der deutschen Literatur vertreten30 und von den Gerichten gern - meist ungeprüft-übernommen31, wie dies auch das hier entscheidende LG Hamburg tut.

2. Der Systematik der Vorschrift des Art. 7 Abs. 2, 2. Alternative, entspricht die Aussage nicht:

Zunächst ist zu fragen, wie das anzuwendende Recht im konkreten Fall zu bestimmen ist: Dafür gibt es methodisch zwei Möglichkeiten, nämlich die unselbständige Anknüpfung an das Vertragsstatut und die selbständige Anknüpfung des Zinsanspruchs32.

a) Entscheidet man sich für die unselbständige Anknüpfung, so ist das Recht zu ermitteln, das auf den internationalen Kaufvertrag anzuwenden wäre, wenn er vom Einheitsrecht des UNKaufrechts nicht erfaßt würde. Das so ermittelte Vertragsstatut gilt grundsätzlich für alle bei dem Kaufvertrag und bei seiner Abwicklung auftretenden Fragen33, also auch für die Bestimmung der Höhe der Fälligkeitszinsen. In diesem: Sinne wird bisher die Vorschrift des Art. 7 Abs. 2, 2. Alt. UNKR verstanden34.

Es ist durchaus möglich, daß die Anwendung der nationalen IPR-Regeln des Gerichtsorts zum Ergebnis führt, auf den Kaufvertrag sei als Vertragsstatut nicht das nach dem Grundsatz der "charakteristischen Leistung" ermittelte Recht am Ort der Niederlassung des Verkäufers, sondern ein anderes Recht, beispielsweise das am Wohnsitz des Käufers, das des Ortes des Vertragsabschlusses oder das am Erfüllungsort für die Kaufpreisforderung, anzuwenden35. Solchen von den Regeln des deutschen Kollisionsrechts abweichenden Verweisungen des IPR am Gerichtsort ist nach der Systematik der Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 UNKR zu folgen. Es wird daher stets einer genauen Feststellung des Inhalts der einschlägigen nationalen IPR-Normen der lex fori bedürfen. Die Aussage, die Zinshöhe richte sich nach dem Recht des Verkäuferlandes, weil beim Warenkauf der Verkäufer die das anwendbare Recht bestimmende charakteristische Leistung erbringe, ist für das deutsche Recht und für das der anderen Vertragsstaaten des Römischen EG-Schuldvertragsübereinkommens36 richtig, gilt aber bisher noch nicht weltweit.

b) Man könnte aber die Frage der Zinshöhe für Fälligkeitszinsen mit der Behauptung aus dem Zusammenhang mit dem Kaufvertrag lösen, für diesen Fall sei ein anderer Schwerpunkt als für den Kaufvertrag zu bestimmen. Dies würde zu einer selbständigen Anknüpfung, einer "Sonderanknüpfung", führen37.

Man müßte dann die Fälligkeitszinsen aus dem Geltungsbereich des Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB (= Art. 10 Abs. 1 lit. c EG-Schuldvertragsübereinkommen), in den sie als "Folge der Nichterfüllung" hineingehören38, herauslösen und fragen, was Sinn und Zweck von Fälligkeitszinsen sein könnte: Denkbar wäre die Argumentation, durch die Vorschrift des Art. 78 UNKR solle die Vorenthaltung einer Geldsumme ausgeglichen werden, die dem Gläubiger bei vertragsgemäßer Entrichtung der geschuldeten Summe zu beliebiger Nutzung zur Verfügung gestanden hätte. Es handle sich sachlich um ein unfreiwilliges Darlehen des Verkäufers an den Käufer39.

Mit dieser Begründung40 könnte man zu einer selbständigen Anknüpfung kommen, es wäre also nicht das Vertragsstatut des internationalen Kaufvertrags zu ermitteln, sondern das auf das Rechtsinstitut "Darlehen" anzuwendende Recht. In den meisten nationalen Rechten käme man dann zum Ergebnis, daß auf das "Darlehen" und damit auch auf die mit diesem zusammenhängenden Zinsen das Recht des "Landes des Gläubigers" (der Darlehenssumme), genauer des "Darlehensgebers", anzuwenden ist41.

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Eine solche Lösung mit Hilfe des "abgespaltenen Vertragsstatuts"42, der "Teilfrage"43, heute meist als "dépeçage"44 bezeichnet, ist im deutschen IPR nach der durch das IPR-Reformgesetz 1986 eingeführten Vorschrift des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGBGB (= Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EG-Schuldvertragsübereinkommen) "ausnahmsweise" möglich, dies gilt auch in den anderen Ländern, welche die Regelung des Römischen EG-Schuldvertragsübereinkommens übernommen haben; andere Staaten haben das Instrument der dépeçage (noch) nicht in ihre nationalen Kollisionsregeln aufgenommen.

Aber auch bei der selbständigen Anknüpfung ist es nicht gerechtfertigt, einen allgemeinen Grundsatz aufzustellen, es sei stets das Recht des Gläubigerlandes anzuwenden, denn es gibt auch heute noch nationale IPR-Regeln, in denen bestimmt ist, daß bei einem Darlehen nicht an das Recht des Landes des Darlehensgebers, sondern an ein anderes Kriterium, beispielsweise das Recht des Ortes des Vertragsschlusses oder des Ortes der Rückzahlung, anzuknüpfen ist45.

3. Ob man sich bei der Schließung der Lücke, die Art. 78 UNKR für die Höhe der Fälligkeitszinsen offen läßt, bei Anwendung der Grundsätze des Art. 7 Abs. 2 UNKR für unselbständige Anknüpfung an das Vertragsstatut oder selbständige Anknüpfung an das Darlehensstatut entscheidet, hängt davon ab, wie eng man den schon durch die Vorschrift des Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB hergestellten "Sinnzusammenhang"46 zwischen Fälligkeitszinsen und Kaufvertrag sieht.

Dabei ist auch auf die Ansicht der beteiligten Verkehrskreise Rücksicht zu nehmen47. Eine unrepräsentative Umfrage unter im internationalen Handel tätigen Kaufleuten hat ergeben, daß man das Entstehen eines Anspruchs auf Fälligkeitszinsen als zwar bedauerlichen, aber schon fast "üblichen" Fall ansieht, dessen Eintritt man durch klare Vereinbarungen über Zahlungszeit, Zahlungsort und Zahlungsweise oder durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen für die Übergabe der Ware zu verhindern sucht. Eine Trennung der Fälligkeitszinsen vom Kaufvertrag und die Behandlung des verspätet gezahlten Kaufpreises als "unfreiwilliges Darlehen" sind nicht auf Verständnis gestoßen.

Unter diesen Umständen erscheint die kollisionsrechtliche Aufspaltung nicht "in sich sachgerecht"48. Daher ist die gesonderte Anknüpfung der Höhe der Fälligkeitszinsen nach Art. 78 UNKR bei der Ermittlung des anwendbaren Rechts abzulehnen, es sollte also bei der unselbständigen Anknüpfung an das Vertragsstatut des internationalen Kaufvertrags bleiben, aus dem die Verpflichtung zur Zahlung der Fälligkeitszinsen resultiert49.

1Vgl. statt aller MünchKomm/Martiny, 2. Aufl., 1991, Art. 28 Rdn. 32 und 112 ff.
2Einzelheiten bei Reinhart, Vom Haager zum Wiener Einheitlichen Kaufrecht, Jahrbuch für Italienisches Recht 2 (1989) 65 ff., 71 ff.; Magnus, Währungsfragen im Einheitlichen Kaufrecht - Zugleich ein Beitrag zu seiner Lückenfüllung und Auslegung, RabelsZ 53 (1989) 116 ff., 117 Fn. 7; Jayme in Bianca/Bonell, Commentary on the International Sales Law, 1987, Art. 1 Anm. 3.1; außerdem Asam, UN-Kaufrechtsübereinkommen im deutsch-italienischen Rechtsverkehr, RIW 1989, 942 ff., 943.
3Von dieser Möglichkeit haben von den bisher 27 Vertragsstaaten des UN-Kaufrechts nur drei Staaten, nämlich die USA, China und die CSFR, Gebrauch gemacht, vgl. die Bekanntmachung in BGBl. 1990 II 1477 ff.; die Bundesrepublik Deutschland hat es bei einem Teilvorbehalt belassen, Einzelheiten bei Reinhart, UN-Kaufrecht, Kommentar, 1991 (abgekürzt UNKR), Art. 2 VertrG Rdn. 2.
4So für das unvereinheitlichte deutsche Recht einhellige Meinung, vgl. Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 17. Aufl., 1991, Einleitung WG Rdn. 41 m. Nachw.
5Einzelheiten bei Schlechtriem/Eberstein, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht - CISG, 1990 , Art. 78 CISG Rdn. 2.
6Dazu näher unten bei III.
7Einzelheiten z. B. bei Asam, Instrumente des Inflationsausgleichs im italienischen und deutschen Privatrecht, 1984, S. 68 f.; ders., a.a.O. (Fn. 2), RIW 1989, 946.
8Dazu unten bei III.
9Enderlein/Maskow/Stargardt, Kommentar - Konvention der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf, 1985, Art. 78 Bem. 1; Reinhart, UNKR, Art. 78 Rdn. 2; Schlechtriem/Eberstein, Art. 78 CISG Rdn. 2.
10Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, 1981, S. 93 f.; Reinhart, UNKR, Art. 78 Rdn. 2.
11Schlechtriem/Eberstein, Art. 78 CISG Rdn. 2; Koller, BGH EWiR Art. 86 EKG 1/91, 163 f., 164.
12Einzelheiten bei Schlechtriem/Stoll, Art. 79 CISG Rdn. 17 ff.
13Dies entspricht auch der Rechtslage im unvereinheitlichten deutschen Recht, vgl. zuletzt BGH, 12. 12. 1990, WM 1991, 498 ff., 499: "Entscheidend ist allein, daß die Geldmittel dem Gläubiger ohne den Verzug des Schuldners früher zur Verfügung gestanden hätten und unter deren Einsatz durch Zurückführung des Kredites Zinsbelastungen vermieden worden wären". Auch nach dem Haager Kaufrecht galt bis 31. 12. 1990 in Deutschland diese Lösung, vgl. zuletzt BGH, 28. 11. 1990, WM 1991, 409 ff. m. Nachw. = DB 1991, 437 f. = NJW 1991, 639 f. = BGH EWiR Art. 86 EKG 1/91, 163 f. m. Anm. Koller: Ersatz des konkreten tatsächlichen Zinsschadens.
14Ebenso BGH, 8. 11. 1973, WM 1974, 128 f., 129; 26. 10. 1983, NJW 1984, 371 f.; Asam/Kindler, Ersatz des Zins- und Geldentwertungsschadens nach dem Wiener Kaufrechtsübereinkommen v. 11. 4. 1980 bei deutsch-italienischen Kaufverträgen, RIW 1989, 842 ff., 844 m. Nachw.
15Vgl. United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods, Vienna, 10 March - 11 April 1980, Official Records, 1981, S. 388 ff., 415 ff., 223 ff., 225; zur Entstehungsgeschichte vgl. ferner Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, 1981, S. 93 f.; ders., Einheitliches UN-Kaufrecht, JZ 1988, 1037 ff., 1047: "Kompromißvorschrift, die unüberbrückbare Meinungsgegensätze zudecken sollte, um ein Scheitern der Konferenz zu verhindern".
16Dazu zuletzt BGH a.a.O. (Fn. 13), WM 1991, 409 ff.; OLG Frankfurt, 5. 1. 1989, NJW-RR 1990, 636 f., jeweils m. Nachw.
17Einzelheiten bei Grabau, Der Gesellschaftsvertrag im klassischen Islamrecht und das geltende Gesellschaftsrecht der islamischen Staaten, ZVglRWiss 89 (1990) 330 ff., 348 ff.
18Herber, Wiener UNCITRAL-Übereinkommen über internationale Warenkaufverträge vom 11. April 1980, 2. Aufl., 1983, S. 46; Schlechtriem, a.a.O. (Fn. 15), JZ 1988, 1037 ff., 1047; Herber/Czerwenka, Internationales Kaufrecht, Kommentar, 1991, Art. 78 Rdn. 6.
19Nicholas in Bianca/Bonell, a.a.O. (Fn. 2), Art. 78 Anm. 1.3.
20Einzelheiten bei Schlechtriem/Herber, Art. 7 CISG Rdn. 10 ff.
21Zu den Besonderheiten der Auslegung des UN-Kaufrechts vgl. Magnus, a.a.O. (Fn. 2), RabelsZ 53 (1989) 119 ff.
22Zur Methodik Schlechtriem/Herber, Art. 7 CISG Rdn. 27 ff.
23Zur Bedeutung und zur Ermittlung "allgemeiner Grundsätze" im Einheitsrecht vgl. Dölle/Wahl, Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, 1976, Art. 17 EKG Rdn. 51 ff.; Magnus, a.a.O. (Fn. 2), RabelsZ 53 (1989) 119 ff.
24Vgl. dazu Dölle/Weitnauer, a.a.O. (Fn. 23), Art. 83 Rdn. 1 ff.
25Schlechtriem/Leser, Art. 84 CISG Rdn. 13.
26Wie hier auch Magnus, a.a.O. (Fn. 2), RabelsZ 53 (1989) 140; Beinhart, UNKR, Art. 78 Rdn. 5.
27Zur Kritik an dieser Entscheidung der Delegierten der Wiener Konferenz vgl. Beinhart, Entspräche das Kaufrecht der Vereinten Nationen den Erwartungen Ernst Rabels?, FS Niederländer, 1991, S. 353 ff., 357; Reinhart, UNKR, Art. 7 Rdn. 9.
28Schlechtriem/Herber, Art. 7 CISG Rdn. 31; Reinhart, UNKR, Art. 7 Rdn. 9.
29Honnold, Uniform Law for International Sales Under the 1980 United Nations Convention, 1982, § 421, S. 423.
30Asam/Kindler, a.a.O. (Fn. 14), RIW 1989 482 ("das am Sitz des Verkäufers geltende Recht"); Schlechtriem/Eberstein, Art. 78 CISG Rdn. 11 Fn. 9 unter Hinweis auf Stoll, Inhalt und Grenzen der Schadensersatzpflicht sowie Befreiung von der Haftung im UN-Kaufrecht, im Vergleich zu EKG und BGB, in Schlechtriem (Hrsg.), Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, Fachtagung, 1987, S. 257 ff., 279 ff. und 291 (Anknüpfung an das Recht des "Wohnsitzes des Gläubigers"); Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, a.a.O., S.93/94 (Recht des "Verkäufers").
31LG Stuttgart, 31. B. 1989, IPRax 1990, 317 f. = RIW 1989, 984 f., 985; dazu Asam, a.a.O. (Fn. 2), RIW 1989, 942 ff.; Reinhart, Zum Inkrafttreten des UN-Kaufrechts für die Bundesrepublik Deutschland - Erste Entscheidungen deutscher Gerichte, IPRax 1990, 289 ff., 292.
32Vgl. dazu Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, 1986 S. 271 ff.; v. Bar, Internationales Privatrecht, Bd. I: Allgemeine Lehren, 1987, Rdn. 217 ff., S. 198 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, 1990, § 18, S. 110 ff.
33Palandt/Heldrich, BGB-Kommentar, 50. Aufl., 1991, EGBGB Art. 32 Rdn. 1; Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht - Das internationale Privatrecht der Schuldverträge, 4. Aufl., 1988, Rdn. 187.
34So z. B. Herber, a.a.0. (Fn. 18), S. 47; Enderlein/Maskow/Stargardt, a.a.O. (Fn. 9), Art. 78 Bern. 1; Herber/Czerwenka a.a.0. (Fn. 18), Art. 78 Rdn. 6; Schlechtriem, a.a.O. (Fn. 15), JZ 1988, 1047; Magnus, a.a.O. (Fn. 2), RabelsZ 53 (1989) 140; Asam/Kindler, a.a.O. (Fn. 14), RIW 1989, 842 Fn. 13; Asam, a.a.O. (Fn. 2), RIW 1989, 945; Schwenzer, Das UN-Abkommen zum internationalen Warenkauf, NJW 1990, 602 ff., 606/607; für einheitliche Anknüpfung an das Vertragsstatut auch die bisherige Rechtsprechung, vgl. BGH, 19. 9. 1973, BGHZ 61, 221 ff., 224 f., unter besonderer Betonung der Nachteile einer Spaltung: "Rechtsunsicherheit, Schwierigkeit der Rechtsermittlung und Rechtsanwendung, Unverträglichkeit von Verkäuferrecht und Käuferrecht". Anderer Ansicht sehr dezidiert Stoll, a.a.O. (Fn. 30), S. 279: Keine Anknüpfung von "Restfragen" an ein "mehr oder weniger fiktives Vertragsstatut"; gegen die Unterteilung in "Randfragen" und "Restfragen" aber Magnus, a.a.O., RabelsZ 53 (1989) 121 Fn. 18.
35Das Recht des Abschlußortes ist beispielsweise - die Hinweise sind entnommen Staudinger/Firsching, BGB, 12. Aufl., 1987, Vorbem. zu Art. 27-37 n. F. - maßgebend in Argentinien (Rdn. 15), Brasilien (Rdn. 16), Chile (Rdn. 18), Kolumbien (Rdn. 19), Iran (Rdn. 81), Israel (Rdn. 95), UdSSR (Rdn. 27). Vgl. außerdem Sandrock, Handbuch der Internationalen Vertragsgestaltung, Bd 1, 1980, A 410 und A 431, danach ist der Abschlußort für die Bestimmung des Vertragsstatuts maßgebend auch in Kanada/Quebec und Japan. An das Recht am Erfüllungsort wird angeknüpft in Bulgarien (Staudinger/Firsching, a.a.O., Rdn. 24), Taiwan (Rdn. 111) und in der Türkei (Rdn. 112). Verkäuferrecht z. B. ist anzuwenden in der CSFR (Rdn. 26), in Polen (Rdn. 25) und in Jugoslawien (Rdn. 97). Die "engste Verbindung" ist bestimmend beispielsweise in China (Rdn.139), Österreich (Rdn. 103), Schweden (Rdn. 105), in der Schweiz (Rdn. 107), in Ungarn (Rdn. 28) und in den USA (Rdn. 138).
36Einzelheiten zu der aus der Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Römischen EG-Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht v. 19. 6. 1980, BGBl. 1986 11809 ff., übernommenen Vorschrift des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGBGB bei MünchKomm/Martiny, 2. Aufl., EGBGB Art. 28 Rdn. 21 ff.
37So ausdrücklich Stoll, Fachtagung, a.a.O. (Fn. 30), S. 279: Gesonderte Anknüpfung der "Restfrage Höhe des Zinssatzes"; ebenso ders., Internationalprivatrechtliche Fragen bei der landesrechtlichen Ergänzung des Einheitlichen Kaufrechts, FS Ferid, 1988, S. 495 ff., 510.
38MünchKomm/Martiny, 2. Aufl., EGBGB Art. 28 Rdn. 22 und Art. 32 Rdn. 28; Reithmann/Martiny, a.a.O. (Fn. 33), Rdn. 187.
39Stoll, FS Ferid, a.a.O. (Fn. 37), S. 510, sieht den Zweck der Norm darin, sie solle "verhindern, daß die Vorenthaltung des geschuldeten Geldes für den Schuldner, der mit dem Geld arbeiten oder es nutzbringend anlegen kann, vorteilhafter ist als die Zahlung".
40Gegen diese Begründung z. B. Asam/Kindler, a.a.O. (Fn. 14), RIW 1989, 841/842, sie sehen in den Fälligkeitszinsen einen "Mindestschadensersatzanspruch" aus Vertragsverletzung. Diese Argumentation ist allerdings nicht zwingend, denn die Vorschrift des Art. 78 steht in einem besonderen Abschnitt der Konvention mit der Überschrift "Zinsen", und zwar neben dem Abschnitt "Schadensersatz".
41Vgl. MünchKomm/Martiny, 2. Aufl., Art. 28 Rdn. 133. Durch die Formulierung "Darlehensgeber" soll ausgeschlossen werden, daß beispielsweise durch Abtretung der Darlehensforderung an einen Partner ("Gläubiger") in einem anderen Land mit höheren gesetzlichen Zinssätzen dem Schuldner zusätzliche Kosten entstehen.
42Palandt/Heldrich, a.a.O. (Fn. 33), EGBGB Art. 28 Rdn. 2.
43Vgl. schon Serick, Die Sonderanknüpfung von Teilfragen im internationalen Privatrecht, RabelsZ 18 (1953) 633 ff., 637.
44Grundlegend Jayme, Betrachtungen zur "dépeçage" im internationalen Privatrecht, FS Kegel, 1987, S. 253 ff. Vgl. auch Wagner, Statutenwechsel und dépeçage im internationalen Deliktsrecht, 1988, S. 58 ff.; kritisch dazu MünchKomm/Spellenberg, 2. Aufl., vor Art. 11 EGBGB Rdn. 18 ff.
45Angeknüpft wird beim Darlehen - nach Staudinger/Firsching a.a.O. (Fn. 35) - an den Ort des Vertragsschlusses z. B. in der CSFR (Rdn. 26) und in Polen (Rdn. 25), an den Ort der Rückzahlung des Darlehens in den USA (Rdn. 138). Maßgebend ist der Wohnsitz des Darlehensgläubigers nach dem Recht von Bulgarien (Rdn.24), Jugoslawien (Rdn. 97), der Schweiz (Rdn. 107) und Ungarn (Rdn. 28).
46Zu den Grenzen der Zulässigkeit einer dépeçage vgl. Jayme, a.a.O. (Fn. 44), S. 255 und 261.
47Schlechtriem/Herber, Art. 7 CISG Rdn. 15 ff.
48So das Abgrenzungskriterium für die Zulässigkeit der kollisionsrechtlichen Aufspaltung im Bericht von Giuliano/Lagarde zum EG-Schuldvertragsübereinkommen, abgedruckt in "Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen v. 19. 6. 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht", BT-Drs. 10/503 v. 20. 10. 1983, S. 49.
49Ebenso Magnus, a.a.O. (Fn. 2), RabelsZ 53 (1989) 141.

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