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Knütel, Rolf, Rechtseinheit in Europa und römisches Recht, 3 ZEuP 1994, at 244 et seq.

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Knütel, Rolf, Rechtseinheit in Europa und römisches Recht, 3 ZEuP 1994, at 244 et seq.
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253 et seq.

Ein drittes Beispiel: Die Technische Beschwerdekammer führt in einer Entscheidung vom 23.1. 198738 aus, daß ein Schweigen, wenn gegenteiliges Handeln nach den Umständen erwartet werden kann, als Zustimmung gewertet werden kann. Dafür beruft sich die Kammer auf den - wie sie sagt,"Satz des römischen Rechts Qui tacet consentire videtur" (wer schweigt, scheint zuzustimmen)39 .

Dieser Grundsatz wird auch in einer späteren Entscheidung der Großen Beschwerdekammer aufgenommen und präzisiert40 . Im wesentlichen ging es um die Frage, ob dann, wenn jemand gegen ein Patent Einspruch eingelegt und auf die Mitteilung von der Änderung des Patents geschwiegen hatte, ein Einverständnis des Einsprechenden angenommen werden kann. Die Große Beschwerdekammer hat sich mit der - aus dem Kirchenrecht überlieferten41 , aber auf römisch-rechtliche Vorbilder42 zurückgehenden - Regel qui tacet consentire videtur auseinandergesetzt und dazu unter Bezugnahme auf D.19, 2, 13, 11 klargestellt, daß die Regel nur für den Fall ubi loqui debuit (wo er hätte sprechen müssen) gilt43 . Im weiteren hat die Kammer sich dann wesentlich auf die Regel gestützt: Ein "Rechtsverzicht darf aber nicht ohne weiteres vermutet werden: A jure nemo recedere praesumitur"44 , und ist so zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Einverständnis des Einsprechenden nicht anzunehmen ist.

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254

Alldas sind keine Einzelfälle. Man stößt in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern unter anderem noch auf den - insbesondere in Frankreich und England anerkannten - Grundsatz error communis facit ius45 , auf das Prinzip nemini licet venire contra factum proprium46 und auf die Regel accessio cedit principali47 .

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256 et seq.

Beispielsweise besteht seit Anfang 1978 eine von Unidroit vorbereitete Empfehlung der Kommission zu Vertragsstrafen im Zivilrecht56 . Schon auf den ersten Blick ist erkennbar, daß fast alle acht Artikel dieser Empfehlung weitgehend Regelungen enthalten, die bereits im klassischen römischen Recht entwickelt oder zumindest angelegt sind, wenngleich die römischrechtlichen Lösungen naturgemäß wesentlich differenzierter ausfallen. So entspricht der Art. 2, wonach der Gläubiger nur alternativ entweder die Hauptleistung oder die für den Fall der Nichterfüllung versprochene Strafe verlangen kann, dem römisch-rechtlichen Grundsatz57 , und so ist die Bestimmung des Art. 4, daß die Strafe nur verfällt, wenn der Schuldner die Nichterfüllung zu vertreten hat, letztlich die Frucht intensiver Diskussionen der römischen Juristen58 . Daß der Richter, wie Art. 7 vorsieht, übermäßig hohe Vertragsstrafen herabsetzen kann, insbesondere bei Teilerfüllung, wird erstmals in dem Fragment D.2,11,9,1 ausgesprochen, das zum Beispiel dem Art. 1231 Cc (schon in der früheren Fassung) sowie dem Art. 1384 des CcIt. von 1942 als Vorbild gedient hat59 . Auch zu der Bestimmung des Art. 5, wonach der Gläubiger im Falle der Nichterfüllung darauf beschränkt ist, die Strafsumme zu verlangen, finden sich römisch-rechtliche Wurzeln. Allerdings sind die römischen Juristen am Ende dahin gelangt, dem Gläubiger die Geltendmachung eines höheren Schadens zu gestatten, und dies muß angesichts der Erzwingungsfunktion der Vertragsstrafe auch als die bessere Lösung erscheinen60 .

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An weiteren und wichtigeren Beispielen fehlt es nicht: Die "contemplation rule", die den Schadensersatz aus Vertragsverletzungen auf denjenigen Verlust begrenzt, den der Schuldner bei Vertragsschluß als mögliche Folge einer Vertragsverletzung voraussehen konnte oder mußte, ist in Anknüpfung an die Justinian-Konstitution C.7,47,1, welche den Schadensersatz auf die dupli quantitas beschränkte, von Dumoulin und Pothier entwickelt worden. Mit dem Urteil Hadley v. Baxendale wurde sie 1854 nach England übernommen. Die sich daraus im angloamerikanischen Recht ableitende Lehre ist das Vorbild für Art. 82 des EKG sowie für Art. 74 des CISG von 1980 geworden und über diese Normen in das Gebiet des früheren ius commune und in unser Recht zurückgekehrt116 .- Für das öffentliche Recht sei etwa daran erinnert, daß der wesentliche Bestand unserer Grundrechte bereits im ius commune entwickelt worden ist, daß er sich in der französischen Revolution politisch Bahn brach, für unser heutiges Rechtsdenken aber erst nach dem Umweg über Nordamerika maßgeblich geworden ist117 .

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273 et seq.

Daß nicht selten vereinbart wird, die Entscheidung solle nach der (im römischen Recht und im ius commune verwurzelten) lex mercatoria119 oder sogar nach römischem Recht getroffen werden, erklärt sich daraus, daß die Parteien sich keiner staatlich festgesetzten Rechtsordnung unterwerfen, sondern ihren Streitfall aufgrund einer übergeordneten, aus den Sachstrukturen entwickelten und damit "neutralen" Rechtsordnung entscheiden lassen wollen. Dies gilt insbesondere in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, für die Art. 28 des UNCITRAL Model Law on International Arbitration hinsichtlich der anzuwendenden Normen an dritter Stelle vorsieht: "The arbitral tribunal shall decide ex aequo et bono or as amiable compositeur only if the parties have expressly authorized it to do so". Im Rahmen der lex mercatoria kommt es zur Anwendung von international anerkannten Rechtsregeln und -prinzipien, die ganz überwiegend in der romanistischen Tradition stehen120 ; die oben beobachtete Rechtsvereinheitlichung durch Maximen und Rechtsregeln findet hier ein Seitenstück.

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38EPA 11, 305 ff.
39EPA 11, 305, 309.
40EPA 14, 1 ff.
41Liber sextus 5,12,43.
42D.50,17,142 (Qui tacet non utique fatetur: sed tamen verum est eum non negare); D.19,2,13,11; 24,3,2,2; 50,1,2 pr.- Vgl. schon Cicero, De inventione 1,32,54 (taciturnitas imitatur confessionem).- Zu alldem und älteren Wurzeln siehe Andreas Wacke, Keine Antwort ist auch eine Antwort, in: Juristische Analysen (JA) 1982, 184 f.;Roland/Boyer (Fn.5) 362 ff.; Christoph Krampe, Qui tacet consentire videtur, in: Dieter Schwab und andere (Hg.), Festschrift für Paul Mikat, 1989, S. 367 ff .
43D.19,2,13,11 spricht diese (von der Sache her gebotene) Einschränkung freilich nicht aus.
44Die Regel des ius commune geht zurück auf D.2,15,5 (liberalitatem captiosam interpretatio prudentium fregit); D.2,14,47,1; 2,15,12; 12,6,67,3; C.4,29,21.
45Gemeinsamer Irrtum schafft Recht; EPA 12,144,145, 151. - Zu Frankreich vgl. Roland/Boyer (Fn.5) 277ff.; zu England Broom (Fn.25) 86 ff, Vgl. auch Liebs (Fn.21) C 45.- Eine der Wurzeln liegt in der lex Barbarius Philippus (D.1,14,3), vgl. Rolf Knütel, Barbatius Philippus und seine Spuren, in: Schwab (Fn. 42) 353, 358.
46Niemandem ist es erlaubt, sich mit dem eigenen Verhalten in Widerspruch zu setzen; EPA 12, 144 ff., 151.
47Zubehör folgt der Hauptsache; EPA 15, 95, 97.- Grundlage ist D.34,2,19,13, auch D.33,8,2 sowie Liber sextus 5,12,42. Vgl. auch Liebs (Fn.21) A 13; Roland/Boyer (Fn.5) 31 ff.- Beispiele aus dem modernen Recht sind etwa Artt. 696,1018,1615, 1692 Cc ; §§ 314, 401, 926, 947 Abs. 2, 2164 BGB ; Artt. 644 1 SchweizZGB; 818 CcIt.; englisches Recht bei Broom (Fn. 25) 317 ff.
56Résolution (78) 3 du Comité des Ministres du Conseil de l'Europe relative aux clauses pénales en droit civil/Resolution (78)3 of the Committee of Ministiers of the Council of Europe relating to penal clauses in civil law, Revue de droit uniforme/Uniform Law Review 1978 II, 222-229.
57Vgl. etwa C.2,3,14 (strafgesicherte Stipulation); D.2,14,7,1; 23,4,12,2 (pacta); D.19,1,28; 21,2,18 (bonae fidei iudicia), dazu Rolf Knütel, Stipulatio poenae, 1976, S. 274 ff., 291 ff., 320 ff.
58Vgl. insbesondere D.45,1,115,2; 44,7,23; 4,8,23,1,2; 4,8,52, zu alldem Knütel (Fn.57) 195-261; Mario Talamanca, pena privata, in: Enciclopedia del Diritto (ED), Band 32, 1982, 720 ff.; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, 1990, S.105 f.
59Zur Herabsetzung der Vertragsstrafe bei Teilerfüllung. Darüber hinaus wurde seit 1975 in Art. 1152 Cc  eine allgemeine richterliche Billigkeitskontrolle eingeführt, vgl. dazu Detlev Fischer, Vertragsstrafe und vertragliche Schadenspauschalierung, 1981, S.132 ff.- Zu den Grundlagen siehe Le Clerque (Fn.23) 340; Duranton (Fn.23) 382 sowie Di Marzo (Fn. 24) 254.- Zu D.2,11,9,1 siehe Knütel (Fn. 57) 82 f., 167 ff.; Zimmermann (Fn. 58) 112 f.- Die Entwicklungsgeschichte stellt dar Ralf-Peter Sossna, Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, 1993 .
60Siehe D.19,1,28; 17,2,42, dazu Knütel (Fn.57) 262 ff., 320 ff., 335 ff.; Zimmermann (Fn.58) 100 ff.
116Ähnlich freilich bereits Art. 1150 Cc.- Siehe etwa Detlef König, Voraussehbarkeit des Schadens als Grenze vertraglicher Haftung, in: Hans G. Leser/Wolfgang Frhr.Marschall von Bieberstein (Hg.) , Das Haager Einheitliche Kaufgesetz und das Deutsche Schuldrecht, 1973, S. 76 ff.; Reinhard Zimmermann, Der Einfluß Pothiers auf das römisch-holländische Recht in Südafrika, SZ Germanist. Abt., Band 102, 1985, 178 ff.; Schlechtriem, ZEuP 1993, 230 f.
117Vgl. Richard Tuck, Natural Right Theories; their Origin and Development, 1979; van den Bergh (Fn.7) 602 ff. Vgl. oben nach Fn. 5.
119Zu dieser, ihrem Standort im Kontext der europäischen Rechtstradition und ihrer universalistischen Ausrichtung weiterführend jüngst Rudolf Meyer, Bona fides und lex mercatoria in der europäischen Rechtstradition, 1994 .
120Siehe Meyer (Fn. 119) passim. Am häufigsten sind die Bezugnahmen auf bona fides und pacta sunt servanda.- Weitere Beispiele ebenda Fn. 8 (unter anderem zu magis valeat quam pereat, vgl. oben bei Fn.21).

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